Bundesregierung will Klimakiller Erdgas mit hoher staatlicher Unterstützung ausbauen, als wenn es keine Erdüberhitzung und geopolitische Verwerfungen gäbe

Hans-Josef Fell

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Die Auswirkungen der Erdüberhitzung nehmen immer katastrophalere existenz- und lebensvernichtende Ausmaße an. Die Meldungen in dieser Woche sind schier unerträglich angesichts des menschlichen Leids und der Vernichtung von ganzen Existenzen. Am Wochenende flüchteten in Kalifornien 200.000 Menschen Hals über Kopf aus ihren Häusern, insgesamt sind 15.000 Gebäude vom Verbrennen bedroht und fast 7000 Häuser wurden bereits verbrannt. Viele Menschen schaffen die Flucht nicht einmal und kommen in den Flammen ums Leben. Nein dies ist kein Krieg, sondern sind die Auswirkungen von Waldbränden infolge jahrelanger Trockenheit und Hitze in Kalifornien, also ein Inferno aufgrund der Erdüberhitzung.

Die Katastrophen machen hier nicht Halt. Italien wurde durch eine Woche Dauerunwetter in großen Teilen verwüstet. In Jordanien haben Starkregen in der weltberühmten historischen Stätte Petra und Umgebung schlimmste Verwüstungen angerichtet – Menschen verloren ihr Leben. Das sind alles Meldungen, über die nur aus den letzten Tagen berichtet wurde.

Und dennoch arbeiten Union und SPD in der Bundesregierung offensiv daran, die Klimagasemissionen weiter auf hohem Niveau fort zu führen und in Teilbereichen sogar noch auszubauen. Dagegen soll der Klimaschutz durch den Ausbau der erneuerbaren Energien ohne ausreichende gesellschaftliche Debatte mit einer neuen Gesetzesnovelle, dem sogenannten Energiesammelgesetz, weiter massiv eingeschränkt werden. Angeblich geht es um die Senkung von Kosten und Subventionen bei den erneuerbaren Energien. (https://www.pv-magazine.de/2018/11/09/bundestag-beraet-ueber-energiesammelgesetz-spd-gruene-und-linke-fordern-nachbesserungen/)

Auf der anderen Seite werden Energieformen mit extrem hohem Treibhausgasausstoß wie Kohle, Erdöl und Erdgas mit aller Kraft am Leben gehalten und deren Subventionen aufgestockt. Ob sie teuer sind, spielt anders als bei den Erneuerbaren Energien keine Rolle. Ebenso wenig, ob sie Energieabhängigkeiten zementieren und damit die geopolitische Stabilität oder gar den Weltfrieden gefährden. Schlimm ist diesbezüglich, wie die Bundesregierung nun auch den Ausbau der Erdgasinfrastruktur fördert.

Erdgas ist wegen seines hohen Methanausstoßes mindestens so klimaschädlich wie Kohle und Erdöl. Außerdem wird die unmittelbare Umgebung der Erdgasförderung durch Schwermetalle, Schwefel und andere Giftstoffe hoch belastet. Der Beitrag von Christfried Lenz im pv magazine gibt einen guten Überblick über die Thematik und rückt damit den Werbebetrug der Erdgaswirtschaft, von angeblich sauberem und klimafreundlichem Erdgas ins rechte Licht. (https://www.pv-magazine.de/2018/11/08/ersetzung-der-fossilen-energie-durch-erdgas/)

Dennoch gibt es nun immer stärkere Anstrengungen und Unterstützungen von Union und SPD für den Ausbau der Erdgasinfrastruktur. Sobald in Deutschland, den Niederlanden, England und anderen EU-Ländern die Erdgasförderung stark sinkt, wird plötzlich und sehr aktiv versucht, Klimaschutz und alle geopolitischen Abwägungen über Bord zu werfen, nur um an neues Erdgas zu kommen. Dabei ist der Rückgang der europäischen Erdgasförderung kein neues Phänomen, seit Jahren hat die Energy Watch Group (EWG) in ihren Studien darauf hingewiesen. (http://energywatchgroup.org/only-rapid-expansion-of-renewables-can-reverse-eu-dependency-on-russian-natural-gas)

Die EWG hat auch stets die notwendigen Antworten genannt: Nicht der verzweifelte Versuch die Industrie durch den Ausbau von Pipelines, LNG Terminals und anderen Erdgasdiversifizierungen am Leben zu halten, ist die Antwort auf rückläufige Erdgasförderung in der EU, sondern das Ende der Nutzung des klimaschädlichen Erdgases mit energetischer Altbausanierung, mit Ökostrom, statt Erdgaskraftwerken und mit grünem Gas, wie dem Ausbau von Biogas aus nachhaltig angebauten Rohstoffen oder Power-to-Gas mit Wasserstoff.

Nun sollen aber doch LNG Terminals, z.B. in Brunsbüttel, gebaut werden, um schmutzig erzeugtes, höchst klimaschädliches US-Frackinggas nach Deutschland zu bringen. So hat Kanzlerin Merkel kürzlich verkündet, dass die Regierung diese LNG Terminals auch noch mit Steuergeldern subventionieren wird. (https://www.wsj.com/articles/in-win-for-trump-merkel-changes-course-on-u-s-gas-imports-1540209647)

Unglaublich: Neue steuerliche Subventionen, um die Erdüberhitzung weiter anzufachen. LNG in Brunsbüttel soll aber nicht, wie von Demokraten und Republikanern einmütig in den USA gefordert, die Abhängigkeit der EU von russischen Erdgaslieferungen verringern – ein Ziel, wie es einst auch von der Bundesregierung nach Okkupation der Krim und dem Krieg im Osten der Ukraine gefordert wurde.

Auch auf der Deutsch-Russischen Rohstoff-Konferenz letzte Woche in Potsdam, über die Tagesspiegel Background am Donnerstag berichtete, wurde klar, dass die Bundesregierung, vertreten durch Minister Altmaier vollumfänglich, trotz Unterstützung von LNG Terminals, auf den Ausbau der Rohstoffimporte aus Russland und anderen Ländern setzt. (https://www.rohstoff-forum.org/conference/11-deutsch-russische-rohstoff-konferenz-in-potsdam-2018/?utm_campaign=Background&utm_medium=Email&utm_source=Tagesspiegel_Newsletter)

Für 24 Milliarden Euro pro Jahr hat Deutschland laut Tagesspiegel Background zuletzt Rohstoffe alleine aus Russland importiert. Den Löwenanteil davon machen die Energierohstoffe, Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran aus. Da zeigt sich, dass die Debatte um die angeblich hohen Kosten der Erneuerbaren Energien, die die deutsche Volkswirtschaft angeblich so hoch belasten würden, unredlich ist. Es sind die konventionellen Energien, die durch Rohstoffbeschaffung und hohe Schadensbilanzen die deutsche Volkwirtschaft massiv belasten. Die Investitionen für erneuerbare Energien, die 2016 in Deutschland mit 14,3 Milliarden Euro wesentlich niedriger waren, führen ja perspektivisch aus der Rohstoffabhängigkeit und den Umwelt- wie Klimaschäden heraus.

Dennoch stützen Union, SPD und Erdgaswirtschaft Investitionen in neue Erdgaspipelines, zum Beispiel Nordstream 2, in Milliardenhöhe, wie auf dem unter anderem von Gazprom gesponserten Forum in Potsdam sichtbar wurde. Auf diesem Forum ging es offiziell nur um die Frage, ob und wie die Rohstoffförderung metallischer, fossiler und atomarer Rohstoffe nachhaltig gemacht werden kann. Dabei braucht es keine tiefen Erkenntnisse, um schnell festzustellen, dass es keine nachhaltige Rohstoffbeschaffung von fossilen und atomaren Energierohstoffen geben kann. Immer werden das Klima mit Treibhausgasen und die Umgebung mit Radioaktivität verseucht.

Bemerkenswert ist, dass der von vielen Ökologen hochgepriesene ehemalige CDU-Umweltminister Klaus Töpfer, der ja bekanntermaßen auch viel zu lange an der Atomenergie festhielt, nun auf diesem unter anderem von Gazprom gesponserten Forum die Einführungsrede hielt und eben nicht die Ablösung der fossilen Wirtschaft durch eine emissionsfreie Erneuerbare-Wirtschaft mit 100 Prozent erneuerbare Energien in den Mittelpunkt rückte. Stattdessen suchte man dort nach Wegen, wie die Förderung von Erdgas, Erdöl, Kohle und Uran etwas nachhaltiger gestaltet werden könne. Dies wird aber nur zu einer weiteren Aufheizung einer schon überhitzten Atmosphäre führen.

Es wird Zeit, dass sich überall die Erkenntnis durchsetzt, dass man innerhalb der fossilen und atomaren Wirtschaft keine Nachhaltigkeit und keinen Klimaschutz erreichen kann, sondern nur mit einer vollständigen Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien und Rohstoffe.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

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