Der Kaufvertrag ist der wichtigste aller Verträge, auf die es im Rahmen Ihrer Investition ankommt. Mit ihm werden die entscheidenden Weichen, die Sie während der Phase der Due Diligence gestellt haben, schriftlich – und damit belastbar – fixiert. Dennoch wird in der Praxis die rechtliche Prüfung des Kaufvertrages viel zu oft vernachlässigt. Die potentiellen Investoren legen ihren Schwerpunkt auf technische und betriebswirtschaftliche Fragen. Und drücken sich gern vor der Prüfung des ungeliebten und oft für Laien schwer verständlichen juristischen Konstrukts. Aussagen der Vermittler, dass die Verträge „für alle Investoren gleich“ seien und bereits von „spezialisierten Juristen aufgesetzt“ wurden, machen es Ihnen leicht, auf die Prüfung zu verzichten. Vorsicht! Es ist Ihr Vertrag. Er soll Ihre konkreten persönlichen Interessen abbilden.
Grundsätzlich gilt im Rahmen der Vertragsfreiheit: Sie können alles hineinschreiben, was sie wollen und für regelungsbedürftig halten. Der Vertrag ist die Kommunikationsbasis, wenn Unstimmigkeiten für den Abbruch von vernünftiger Kommunikation gesorgt haben. Er bietet Ihnen die Grundlagen für die Durchsetzung von Ansprüchen im Streitfall. Im besten Fall kann er gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden. In jedem Fall erleichtert er sie.
Denken Sie bei allen Regelungen des Vertrages an die Kernfrage: In welchem Umfang haftet der Verkäufer, wenn die Erwartungen des Käufers nicht erfüllt werden? Diese Frage sollte der Leitfaden für alle Formulierungen sein.
Kaufvertrag und Exposé
Vergleichen Sie den Kaufvertragsentwurf noch einmal mit dem Exposé und den geprüften Unterlagen. Finden sich sämtliche Versprechungen im Vertrag wieder? Wenn nein: Warum nicht? Achten Sie auf eine detaillierte Auflistung aller Vertragsgegenstände und Leistungen. Als Grundsatz gilt: Alles, was besprochen wird, kann auch aufgeschrieben werden.
Das Investitionsmodell
Haben Sie das gewählte Investitionsmodell hinsichtlich bestehender Risiken vollständig verstanden? Ist es einfach konstruiert? Seien Sie kritisch bei verschachtelten Konstruktionen, die nur schwer zu verstehen sind. Bestehen Sie auf einfachen und eindeutigen Formulierungen. Ein guter Jurist kann das. Verlassen Sie sich nicht auf mündliche Erklärungen Ihres Beraters. Dass er für den Fall einer Falschberatung schadensersatzpflichtig wird und diesen Schadenersatz auch leisten kann, wird eher den Ausnahmefall als die Regel darstellen.
Die Eigentumslage
Bevor Sie auch nur an eine Unterschrift denken: Prüfen Sie die genaue Eigentumslage. Mögliche Ansatzpunkte sind folgende Fragen: Ist der Verkäufer überhaupt selbst Eigentümer? Oder ist ein dem Investor nicht bekannter Dritter Eigentümer? Letzteres wird insbesondere bei auf fremden Grundstücken installierten Photovoltaik-Anlagen relevant. Wenn Solarmodule sogenannte „wesentliche Bestandteile“ des Grundstücks und damit Eigentum des Grundstückseigentümers werden, dann ist auch nur dieser zur Übertragung des Eigentums berechtigt. Ist die Photovoltaik-Anlage an eine finanzierende Bank sicherungsübereignet? Bestehen noch Eigentumsvorbehalte der installierenden Betriebe? Oder wurden alle Lieferantenrechnungen vollständig bezahlt? Lassen Sie sich gegebenenfalls auch den Kaufvertrag vorlegen, mit dem der jetzige Verkäufer die Anlage erworben hat. Aus ihm ergeben sich möglicherweise noch zu übertragende Rechte wie zum Beispiel Gewährleistungsrechte.
Prüfen Sie unmittelbar vor der Unterschrift noch einmal den Verkäufer. Nehmen Sie das besonders ernst, wenn der Verkäufer nicht identisch mit dem Prospekt-Ersteller ist. Es scheint ein beliebtes Konzept unseriöser Vermittler zu sein, den Verkäufer kurz vor Vertragsschluss auszutauschen. Häufig wird auch zeitlicher Druck aufgebaut – und weiter in die psychologische Trickkiste gegriffen – um den Investor zu einer vorschnellen Unterschrift zu bewegen. Das Verhalten Ihrer potentiellen Vertragspartner bei Nachfragen und Prüfungen ist einer der wichtigsten Anhaltspunkte für deren Seriosität. Alarmzeichen spätestens an dieser Stelle zu erkennen, schützt Sie vor Überraschungen sowohl im Hinblick auf die Photovoltaik-Anlage als auch auf die Zahlungsfähigkeit des Verkäufers. Ein insolventer Verkäufer ist weder Garant für die Erfüllung des Vertrages, noch können Sie gegebenenfalls durchgesetzte Schadensersatzansprüche realisieren.
Konkrete Vertragsbestandteile
Grundsätzlich sollten alle Dokumente und Verträge, die während der Due Diligence-Phase besprochen wurden, Vertragsbestandteile werden. Hierzu gehören entsprechende Nutzungsverträge (Miet- oder Pachtverträge), Dienstbarkeiten, Grundbuchauszüge, Einspeiseverträge, Garantieverträge, Wartungsverträge und nicht zuletzt Versicherungsverträge. Auch das Exposé sollte als Anlage zum Vertrag genommen werden. Damit machen Sie den Verkäufer unabhängig von eventuellen Ansprüchen gegen den Prospektersteller haftbar für den Inhalt.
Absicherung des Kaufpreises
Bestehen Sie auf vertragliche Absicherungen des Kaufpreises. Das können zum Beispiel sein:
- die Zahlung auf ein sogenanntes anwaltliches oder notarielles Anderkonto, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
- eine Bankbürgschaft des Verkäufers zur Absicherung einer Direktzahlung an den Verkäufer.
- ein Treuhandvertrag.
Zusätzlich denkbar sind Ratenzahlungen. Vereinbaren Sie dann eine erhebliche Abschlussrate für den Zeitpunkt der Abnahme (dazu mehr in Teil 3). Seien Sie misstrauisch, wenn Sie den Kaufpreis für ein inländisches Projekt einem inländischen Verkäufer an eine ausländische Bank überweisen sollen.
Zeitplan
In den Kaufvertrag gehört auch ein Zeitplan für die Erbringung einzelner Leistungsschritte. Als Minimum sollten feste Termine für die Fertigstellung der Bauleistung, den Anschluss ans Netz sowie die Aufnahme der Produktion festgelegt werden. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Termine sollten Konsequenzen wie zum Beispiel Vertragsstrafen vereinbart werden. Der Verkäufer sollte im Idealfall auch vereinbarte Vertragsstrafen durch eine Bank absichern lassen.
Performance
Welche Performance der Photovoltaik-Anlage verspricht Ihnen der Verkäufer? Regeln Sie im Kaufvertrag, wie die versprochene Performance gemessen wird. Dann können Abweichungen zur Realität neutral festgestellt werden. Vereinbaren Sie, dass bei Unstimmigkeiten ein neutraler Gutachter eingeschaltet wird, und regeln Sie dessen Bezahlung.
Abnahme
Regeln Sie die Modalitäten der Abnahme. Bestehen Sie auf einer vollständigen Dokumentation der Photovoltaik-Anlage, die als sogenannte „Anlage zum Kaufvertrag“ genommen und damit Vertragsbestandteil wird.
Umweltfaktoren
Denken Sie bei allen vertraglichen Regelungen daran, dass Ihre Photovoltaik-Anlage in einer sich ständig wandelnden Umwelt gebaut wird. Denken Sie an mögliche Umbauten im Laufe der Projektlaufzeit. Denken Sie an Baum-/Gebüschschnitte auf dem Grundstück und gegebenenfalls auf Nachbargrundstücken sowie an mögliche schattenspendende Neubauten.
Abbauphase
Denken Sie bereits bei Abschluss des Kaufvertrages daran, dass Sie die Photovoltaik-Anlage nicht für die Ewigkeit bauen. Regeln Sie die Räumung. Denken Sie bereits bei Vertragsschluss an die Kosten der Wiederherstellung des Daches oder der Freifläche.
Gerichtsstand
Bestimmen Sie – last but not least – unter Kaufleuten einen Gerichtsstand. Sie können sich auch auf eine außergerichtliche Schiedsgerichtsbarkeit einigen. Dies ist etwas ungewöhnlich, aber über Streitigkeiten wird dann mit dem Sachverstand vorher ausgewählter Experten entschieden. Zudem ist dieses Verfahren weniger zeitintensiv als ein Rechtsstreit über alle Instanzen der üblichen Gerichte. Die Entscheidungen derartiger Schiedsgerichtsbarkeiten sind im Ernstfall über die Zivilgerichte vollstreckbar.
Gerade juristische Zusammenhänge sind – auch aufgrund einer komplizierten Rechtssprache – für Laien oft nur schwer verständlich. Lassen Sie sich nicht verwirren und bestehen Sie auf verständlichen Formulierungen. Zögern Sie im Zweifelsfall auch hier nicht, sich unabhängig beraten zu lassen.
Manchmal kann die Phase der Vertragsverhandlungen unangenehm sein. Dann denken Sie an die Parallele zum Zahnarzt: „Beißen Sie die Zähne zusammen und machen Sie den Mund auf.“
Diese vierteilige Serie wird mit dem dritten Teil „Die Abnahme der Anlage“ fortgesetzt.
Teil 1 Vor dem Vertrag – Die professionelle Prüfung der Unterlagen
Teil 2 Der Kaufvertrag
Teil 3 Die Abnahme der Anlage
Teil 4 Die Betriebsführung
Die Autoren
Der Autor Kai-Wilfrid Schröder hat jahrelange Erfahrung in der Projektentwicklung von Erneuerbare-Energien-Projekte für die Stromeigenversorgung. Aufgrund vieler bekanntgewordener Projektentwicklungsfehler aus anderen Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien hat Kai-Wilfrid Schröder mit einem Ingenieurteam die Beratungsfirma Utility Consultants gegründet, die technische und kaufmännische Analysen für Geldanleger und Investoren in den Erneuerbaren Energien anbietet. Der fachkundige Rat soll den privaten Investor vor Fehlentscheidungen in eine Investition oder eine Geldanlage schützen. Mehr Informationen finden Sie unter http://www.utility-consultant.de/
Die Autorin Sabine Birken leitet die Rechtsabteilung der Celanx GmbH. Sie setzt dort internationale Erfahrung – auch im Bereich „Strafrechtliche Compliance“ – im Rahmen der Vertragsgestaltung für Bau und Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowohl deutschlandweit als auch international ein. Die branchenüblichen B2B Praktiken übersetzt und überträgt Sabine Birken in eine verständliche Sprache für den privaten Anleger, der erstmalig als Gewerbetreibender in eine Photovoltaik-Anlage investiert.
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Der Kaufvertrag ist entseidend, wenn man eine ordentliche Rendite erziehen will. Ich finde das Exposé für den weiteren Schritt zum Kaufvertrag schon wichtig, weil man einige Vertragsgegenstände und Formulierungen noch ändern kann. Danke für die Tipps zum Thema Immobilienverträge!
Das sind sehr hilfreiche Infos! Das ist ein guter Tipp, ein anwaltliches oder notarielles Anderkonto zu haben. Den Artikel werde ich auf jeden Fall an meine Freundin weiterleiten. Sie wird das sicherlich auch sehr interessant finden, da sie ein Haus verkaufen möchte.