Dass Elektroautos ihren Strom aus dem öffentlichen Stromnetz beziehen, ist völlig normal. Dass sie ihn bei Bedarf aber auch wieder einspeisen, um das Stromnetz zu stabilisieren, ist in Deutschland ein Novum. Das Münchner Unternehmen The Mobility House, der Fahrzeugbauer Nissan und der Energieversorger Enervie haben nun in Hagen erstmals die Bereitstellung von Primärregelleistung durch einen Nissan LEAF vorgeführt. Dafür hat das Elektrofahrzeug in Kombination mit einer entsprechenden Ladesäule zunächst den nötigen Präqualifizierungsprozess durchlaufen. Anschließend wurde das Fahrzeug in ein größeres Batteriespeicher-Portfolio von Enervie integriert. Offiziell fungiert das Elektroauto mit der darin enthaltenen 40-Kilowattstunden-Batterie nun als Kraftwerk.
In der Enervie-Zentrale in Hagen ist die Vehicle-to-Grid-Anwendung am Dienstag offiziell in einer Live-Demonstration vorgeführt worden. Nach einem gemeinschaftlichen Druck auf den roten Knopf wurde der Nissan LEAF in die Primarregelleistungsbereitstellung integriert (siehe Foto v.l.n.r.: Andreas Walczuch von Amprion, SPD-Bundestagsabgeordneter Andreas Rimkus, Erik Höhne von Enervie, Guillaume Pelletreau von Nissan und Thomas Raffeiner von The Mobillity House).
Zusatzerlöse als Anreiz für Intelligenz
Damit sind die beteiligten Partner dem Elektromobil als Teil des intelligenten Stromnetzes einen großen Schritt nähergekommen. Erik Höhne, Vorstand des Energieversorgers Enervie, erklärte den Nutzen dieser neuen Lösung aus der Sicht eines Verteilnetzbetreibers: Wenn wir in Deutschland eine flächendeckende Elektromobilität erreichen wollen, würden sich daraus auch Herausforderungen für das Stromnetz ergeben. „Wenn zum Beispiel alle nach der Arbeit um 19 Uhr ihr Auto laden wollen, dann wird eine erhebliche Leistung abgefragt.“ Eine Lösung wäre mehr Kupfer in die Erde zu bringen. Das sei aber nicht „intelligent“ und zudem teuer. Besser sei es, Anreize für intelligentes Laden zu geben. Dann entscheide nicht mehr der Kunde, wann geladen wird, sondern der Netzbetreiber. Damit die Kunden das auch wollen, müssten Anreize geschaffen werden. Und Zusatzerlöse aus der Primärregelenergiebereitstellung könnten so ein Anreiz sein.
Lösung ab kommendem Jahr erhältlich
Guillaume Pelletreau, Geschäftsführer von Nissan Center Europe, wies darauf hin, dass „Elektromobilität mehr als nur ein Autogeschäft“ sei. Sein Unternehmen habe weltweit schon mehr als 370.000 Elektrofahrzeuge verkauft. Darüber hinaus habe Nissan aber auch schon an der Errichtung von stationären Speichersystemen mitgewirkt, zum Beispiel für die Amsterdam Arena, in der 148 gebrauchte Nissan LEAF-Batterien in einer 2nd-Use-Anwendung zum Einsatz kommen. Die Großbatterie mit insgesamt rund drei Megawatt Leistung fungiere dabei nicht nur als Backup-System für die Arena, sondern stelle ebenfalls Netzdienstleistungen bereit. Die Technologie, die Nissan am Dienstag in Hagen vorführte, sei ab kommendem Jahr auf dem deutschen Markt erhältlich. Dann würden vermutlich erst Pilotprojekte mit einigen Großkunden umgesetzt, in der dann auch individuelle Erlös-Konzepte entwickelt würden.
Unterstützung für die Übertragungsnetze
Eine Einschätzung aus der Sicht eines Übertragungsnetzbetreibers gab Andreas Walczuch von Amprion. In Kontinentaleuropa würden rund 3000 Megawatt Primärregelleistung vorgehalten. In Deutschland seien es etwa 600 Megawatt. Der deutsche Markt für Primärregelleistung habe in den vergangenen Jahren zudem eine signifikante Veränderung durchgemacht. Im Jahr 2014 habe es praktisch noch keine Batteriespeicher im Netz gegeben, die Primärregelleistung bereitgestellt haben. Dank hoher Investitionen seien in den Jahren 2015 bis 2018 mehr als 200 Megawatt Batteriespeicher-Leistung in die Netze integriert und für die Primärregelleistung zugelassen worden. „Diese Dienstleistung kann auch durch Elektroautos übernommen werden“, sagte Walczuch. Und aufgrund der erwarteten Marktentwicklung für Elektrofahrzeuge könne sich daraus auch ein sehr interessanter Anwendungsfall im Bereich der Regelleistung ergeben.
Speicher nicht mehr diskriminieren
Andreas Riemkus, Mitglied des Deutschen Bundestages für die SPD, sprach von einem „fulminanten Schritt in der Sektorenkopplung“. Denn viele Autos blieben 23 Stunden am Tag ungenutzt. Elektroautos könnten nun in dieser Zeit einen Zusatznutzen für das Stromnetz liefern. Zudem kritisierte er die derzeitige Regulierung von Speichersystemen, bei der sowohl beim Ein- aus auch beim Ausspeichern EEG-Umlage gezahlt werden müssen. Er wolle sich für eine Ende dieser Regelung einsetzen. Es müsse auch unterschiedliche Anforderungen geben, je nachdem ob ein Speicher als netzdienlicher Booster, Kurz- oder Langfristspeicher eingesetzt wird.
Für Intelligenz sind Daten nötig
Bernhard Schaefer, Geschäftsführer der BDEW-„Landesgruppe NRW – Elektromobilität“, wies darauf hin, dass es letztlich darum geht, die CO2-Ziele zu erreichen und fossile Kraftstoffe zu ersetzen. Dafür müsse man den Verbraucher vom Gesamtsystem überzeugen. Denn wenn Elektroautos das Energiesystem stützen sollen, sei es auch nötig die Daten der Elektrofahrzeuge und Ladestation zu verarbeiten. „Dazu müssen wir Überzeugungsarbeit leisten“, sagte er. „Aber ohne die Daten geht es nicht.“ Dem stimmte Markus Emmert vom Bundesverband E-Mobilität teilweise zu. Sein Verband setze sich schon seit langem dafür ein, dass die Hersteller ihre Daten teilen. Das sei aber schwierig und man müsse vorher auch klären, welche Daten den überhaupt gebraucht werden und wem die Daten gehören. Aber spätestens wenn wir den nächsten Schritt in der Mobilität hin zum autonomen Fahren gingen, seien detaillierte Daten unabdingbar.
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Die Doppelbelastung der Speicher durch die EEG-Umlage zu beenden klingt leichter, als es möglicherweise ist. Bisher wird sie beim Verbraucher erhoben und vom Verkäufer eingezogen. Für den Verkäufer ist es aber nicht direkt erkennbar, ob gelieferter Strom verbraucht oder gespeichert wird. Man müsste vielleicht auf die einmalige Erhebung beim Erzeuger umstellen. Was danach im Netz passiert, wie oft der Strom gespeichert und nochmal weitergegeben wird, und die Speicherverluste wären dann unerheblich. Die Einräumung des privilegierten Verbrauchs (EEG-Umlagebefreiung) wäre dann schwieriger, aber dieses Institut ist ja ohnehin reformbedürftig, wenn nicht ganz verzichtbar. Auch die EEG-Umlage selbst ist ja ein bedenkliches Instrument, weil die Stromverbraucher von heute immer noch für die Markteinführungskosten der Erneuerbaren aus den vergangenen 15 Jahren zahlen müssen. Das war eigentlich eine gesamtstaatliche Aufgabe und benachteiligt heute den Strom gegenüber anderen Energieträgern, was das Voranschreiten der Sektorenkopplung in unzulässiger Weise behindert. Leider tut die gegenwärtige Regierung da gar nichts. Und die SPD wundert sich dann, warum die Grünen immer stärker werden.
Mit dem Ausbau der Erneuerbaren und zunehmender Sektorenkopplung wird man mehr Primärregelleistung benötigen, vor allem um die Unsicherheit der Wettervorhersage zu kompensieren.
Das Potential, das in Autobatterien steckt ist schon beeindruckend: Wenn jedes E-Auto von 50 Mio bundesdeutschen Autos nur 10 kWh Speicherkapazität bereitstellte, wären das 500 GWh oder der Verbrauch von 9h während eines Tages heute.
Das ganze Datenschutzproblem (und vor allem das Reichweitenproblem) würde man sich ersparen, wenn man nicht fest eingebaute Batterien in den Fahrzeugen hätte, sondern Wechselakkus, die an zentralen Lade- und Wechselstationen netzdienlich zur Verfügung stehen.
Diese Doppelbelastung muss gar nicht sein, wenn das Auto als Kraftwerk definiert wird, das am Regelleistungsmarkt teilnimmt.
Kein Kraftwerk bezahlt EEN Zulage fürs Einspeisen, auch nicht fürs mehr- oder weniger Einspeisen durch pos/neg Regelenergie. Caterva hatte das für ihre 20kWh Batteriespeicher im Pool ja auch schon hinbekommen.
Da scheint wohl eine fake-news / Falschinformation unterwegs zu sein.
Das Handeln von nicht verbrauchtem Strom scheitert an den antiquitierten Vorgaben für das Smart Grid bzw. Smart Metern. Hier besteht Handlungsbedarf um ein System errichten zu können, wo Privatheit und Selbstbestimmung ernst genommen werden.