Der Startschuss für ein ungewöhnliches Pilotprojekt fiel am Montag in Berlin. Vattenfall Energy Solutions, die Gewobag und das Energiespeicher-Start-up Lumenion pilotierten im Stadtteil Tegel einen neuartigen sektorenkoppelnden Stahlspeicher. Er soll künftig die Erzeugungsspitzen der Photovoltaik- und Windkraftanlagen aufnehmen sowie später Wärme und Strom aus den erneuerbaren Energien bedarfsgerecht wieder zur Verfügung stellen, wie es von den beteiligten Unternehmen hieß. Der Speicher solle zur nächsten „Heiz-Saison“ in Betrieb gehen.
Nach Angaben von Lumenion speichert der Stahlspeicher die Spitzen für weniger als zwei Cent pro Kilowattstunde mit bis zu 650 Grad Celsius als Wärme. Mittels einer Turbinen-Einheit könne die Wärme dann rückverstromt oder aber komplett als Wärme genutzt werden. „Mit diesem Pilotprojekt wollen wir die besondere technische und wirtschaftliche Eignung von thermischen Speichern zur effektiven Nutzung großer Mengen von Wind- und Sonnenenergie ganz praktisch demonstrieren“, erklärte Alexander Voigt, Geschäftsführer und Gründer von Lumenion.
Die Preise für den Stahlspeicher liegen beim aktuellen Stand der Technik zwischen 50 und 70 Euro pro installierter Kilowattstunde Kapazität, wie Lumenion-Sprecher Philip Hiersemenzel auf Nachfrage von pv magazine bestätigte. Wenn die Skalierung in den Gigawattmaßstab gelinge, könnten sie auf wohl noch halbiert werden. Auf die Lebensdauer von 20 Jahre hochgerechnet und rund 150 Zyklen im Jahr käme man damit auf weniger als 2,0 Cent pro Kilowattstunde für die Speicherkosten. Allerdings ist Lumenion überzeugt, dass der Stahlspeicher wesentlich länger hält und nach den 20 Jahren die Speicherkosten auf Null sinken würden. Allerdings stünden die derzeitigen Regelungen der Wirtschaftlichkeit des Projektes noch im Wege, so der Sprecher weiter. So müssten Netzentgelte und EEG-Umlage gezahlt werden, womit die Kosten pro Kilowattstunde auf mindestens 15 Cent stiegen.
Beim Pilotprojekt in Tegel soll ein 2,4 Megawattstunden Speicherblock für den kommerziellen Einsatz erprobt und in den regelmäßigen Betrieb überführt werden. Dieser werde in eine Einheit mit einem bestehenden gasbetriebenen BHKW der Vattenfall Energy Solutions in die Quartierstrom- und Nahwärmeversorgung eines 70er Jahre Geschosswohnungsbaus der Gewobag integriert. Die Rückverstromung der gespeicherten Energie sei im zweiten Schritt geplant.
Auch bei Vattenfall sieht man die Wärme als „eine besonders kostengünstige Form der Speicherung“. Mit dem Hochtemperaturspeicher komme man dem Ziel ein großes Stück näher, die gespeicherte Energie auch wieder als Strom nutzen zu können, so Hanno Balzer, Geschäftsführer von Vattenfall Energy Solutions.
Parallel zum Bau des Pilotprojekts erprobt Lumenion einen 450 Kilowattstunden großen Prototypen auf dem Campus der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Oberschöneweide – ebenfalls in Berlin, nur am anderen Ende der Stadt. Die HTW unterstütze Lumenion mit Begleitforschung bei der Entwicklung, Erprobung und Validierung von Daten, sowie in der Reglung und Betriebsführung des innovativen Speichers, hieß es weiter.
Die Pläne von Lumenion gehen jedoch noch viel weiter. So sollten als nächster Meilenstein Speicher mit 40 und 1400 Megawattstunden entstehen. Die Giga-Speicher könnten dann große Mengen von Strom aus neuen Photovoltaik- und Windkraftanlagen effizient, günstig und bedarfsgerecht in die bestehenden Netze integrieren.
In weiteren Projekten sollen als nächste Meilensteine Lumenion-Speicher mit 40 MWh und sogar 1.400 MWh entstehen. Diese Giga-Speicher können bestehende wie neu zugebaute große Mengen an erneuerbarer Stromerzeugung aus Wind und Sonne besonders günstig, effizient und bedarfsgerecht in die bestehenden Netze integrieren und ermöglichen so eine deutliche Beschleunigung der Energiewende. Der „Fahrplan für die Skalierung“ von Lumenion sieht vor, 50 bis 500 Megawattstunden Stahlspeicher im Reallabor Schleswig-Holstein zu testen. Hier könnten die ersten Stahlspeicher ab dem kommenden Jahr gebaut und 2020 in Betrieb genommen werden, wie Lumenion-Sprecher Hiersemenzel weiter sagt. Der industrielle Rollout im Gigawattstunden-Maßstab sei dann für die Lausitz und Nordrhein-Westfalen geplant und solle wenn alles nach Plan laufe bereits 2021 folgen.
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Im Start up Slang:
„Was für ein heißer Scheiß!“ (das ist bewundernd gemeint und halt hier heißer Stahl).
Oder aus Berlin der Zuruf „SOLON forever“ denn es ist schon immer wieder spannend was das alte SOLON Umfeld immer wieder so rausbringt (Younicos zB die ja nun unter Aggreko firmieren). Und wie die alte SOLON, dann QCells usw. vieles angeschoben und bewegt hat in Sachen Module/ Zellen sind die Speicherthemen wie wir alle wissen sehr relevant.
Ich bin sehr gespannt wie sich die Variante weiterentwickelt.
Spaßig wird es, wenn man das mit dem „Gravity Power Pumpspeicher“, der in Weilheim in Oberbayern errichtet werden soll, vergleicht: Speicherkapazität 0,5 (hier 2,4) MWh, Hubkörper 5000 (hier ca. 29) Tonnen, Errichtungskosten 18 Mio (hier 170.000) €.
Da liegt ein Faktor 500 zwischen den Kosten pro kWh bei beiden Projekten.
Gravity Power wirbt übrigens mit einem „Artikel“ im pv-magazine.
Es ist immer wieder spannend wie Zyklenkosten berechnet werden. In der obigen Kalkulation scheinen weder die (elektrischen) Verluste, noch die Wartung/Betrieb oder ein Kapitaldienst eingepreist zu sein. Mich würde daher interessieren wie hoch der LCO ist.
Trotz all dieser kritischen Fragen finde ich dass Konzept interessant und sollte untersucht werden; zumal man hier auf bestehende Technik zurückgreifen kann.
Ich vermisse her leider Angaben über den Wirkungsgrad bei Rückverstromung (Gravitations-Speicherkraftwerk: ca. 80%), sowie eine Angabe, wie lange, mit welchen Verlusten die Energie gespeichert werden kann.
Weiters wäre auch der Wirkungsgrad bei der Umwandlung der elektrischen Energie in Wärme interessant.
Weiters frage ich mich, ob diese Art der Speicherung für unsere Breitengrade wirklich so optimal ist: Gerade für Wohnungen braucht man ja die Wärme eher im Winter, während wir PV-Spitzen eher im Sommer erwarten …
Das ist ja ganz vernünftig!
Aber der Heizteil ist alt und noch mit hohen Leistungen und sehr verteilt in den Niederspannungsnetzen als Elektrospeicherheizung vorhanden. Nur die Steuerung müsste auf das Überschussstrom-Angebot umgestellt werden. Nicht mehr der Nachtstrom, der früher auf Basis der reinen Brennstoffkosten geliefert und eingespeichert wurde, sondern überschüssiger Wind- und Sonnen-Strom können damit während der Heizperiode schon heute preisgünstig gespeichert werden.
Die hohen Kosten, wie Netznutzungsentgelte und EEG- und die weiteren Umlagen sowie Steuern veranlassen derzeit allerdings viele Elektroheizer zur Umstellung auf fossiles Erdgas. Diese Kosten behindern natürlich auch alle innovativen Speichermethoden.
Wo bleiben denn die begleitenden Maßnahmen der Energiewende? Umlagen, Gebühren, Steuern, Entgelte u.s.w. könnten mit einem Federstrich an die neuen Erfordernisse angepasst werden und damit vorhandene Techniken kurzfristig aktiviert, oder innovative Entwicklungen beschleunigt und realisiert werden.
Man schaue sich nur den Irrsinn der sich jagenden Gesetze für den Netzausbau an: Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG), Netzausbaubeschleunigungsgesetz (Übertragungsnetz) (NABEG) dann die Verpflichtung zur Verkabelung und jetzt , da kaum Leitungsstrecken fertiggestellt werden, kommt die neueste Idee: Die Genehmigungsverfahren für parallel zu vorhandenen Infrastrukturen, wie z.B. Bahnlinien oder Autobahnen werden stark abgekürzt, d.h. diejenigen, die durch bestehende Einrichtungen bereits belastet sind, werden zusätzlich beeinträchtigt.
Ach, man kann die Krise kriegen, wenn man nur an Berlin denkt!
@ Heinz Knoll
Es ist nicht nur eine erneuerbare Energien-Krise, was von der unsäglichen Groko kommt, es ist zum Verzweifeln.
Wir sind eine Bürgerenergie-Genossenschaft, die gerne PV auf Dächer bringen und das mit Mieterstrom-Konzepten verbinden möchte. Ein Konstrukt, von dem alle profitieren: Die Mieter bekommen grünen Strom vom eigenen Dach, ergänzt durch zugekauften grünen Strom, die Netze werden entlastet, die Vermieter können sich eine grüne Plakette anheften und die Umwelt profitiert davon sowieso. Hindernisse: Zu alte Dächer, kostenintensive Vorgaben für die Messeinrichtungen und Vermieter, die eine absurde Vorstellung von möglichen Dachpachten haben.
Vor allem aber eine Bundesregierung, die mit sich überschlagenden, für Konzernlobbies zusammengeschusterten, die BürgerInnen-Interessen ignorierenden Gesetzen jede Rechtssicherheit und damit wirtschaftliche Planbarkeit torpediert. Viele Menschen engagieren sich für die Energiewende. Kreative Ideen werden entwickelt, Innovationen umgesetzt, die EU fördert die Entwicklung – nur Berlin blockiert auf ganzer Linie: Energiesammelgesetz, Nicht-Verfolgung des organisierten Verbrechens vom Dieselskandal, Verzögerung des Kohleausstiegs …
Ich glaube, wir müssen noch oft für den Klimaschutz demonstrieren!