Üblicherweise schwärmen im letzten Quartal des Jahres Kapitalanlagevermittler aus, um steuersparende Investitionsmodelle zu verkaufen. Unternehmerische Photovoltaik-Direktbeteiligungen genießen dabei sowohl wegen der hohen Abschreibungsmöglichkeiten als auch wegen ihres Rufes ethisch, nachhaltig, ökologisch und lukrativ zu sein, hohes Ansehen. In der Praxis führt dies zu einem enormen Vertrauensvorschuss, insbesondere bei privaten und gesellschaftlich engagierten Anlegern. Dieses Vertrauen in eine Branche, die angesichts gesellschaftlicher und klimatischer Veränderungen von höchster Wichtigkeit ist, erfährt jedoch zunehmend Erschütterung. Regelmäßig wird in der Öffentlichkeit über Gerichtsverfahren wegen Photovoltaik-Direktinvestitionen berichtet, da die Investitionen nicht halten konnten, was den Anlegern versprochen wurde. Die Ursachen sind vielfältig. Manches Mal ist schlicht Pech im Spiel. Manchmal besteht der Verdacht, dass provisionsorientierte Vermittler unerfahrenen Investoren zu vollmundigen Versprechungen gemacht haben. Und manchmal mehren sich die Anzeichen für kriminelles Verhalten. Wenn eine Investition – nicht nur in Photovoltaik-Projekte – geringstes bis kein Risiko sowie keinen Aufwand bei bester Rendite verspricht, sollten grundsätzlich die Alarmglocken läuten.
Mit dieser vierteiligen Serie bieten wir privaten Investoren einen praxisorientierten Leitfaden, der sie typische Fehler in der Bewerbungsphase (vor dem Vertrag), bei Vertragsschluss, der Abnahme der Photovoltaik-Anlage und während der Betriebsführungsphase vermeiden lassen kann.
Vor dem Vertrag – Die professionelle Prüfung der Unterlagen (Due Diligence)
Sie haben ein interessantes Investment gefunden und halten ein – im wahrsten Sinne des Wortes – „vielversprechendes“ Exposé in der Hand. Der Vermittler überzeugt sie und hat erfolgreich ein gewisses Vertrauen aufgebaut. Jetzt beginnt die wichtigste Phase Ihrer möglichen Investition: die eigentliche Arbeit, die für Sie im Vorfeld eines möglichen Vertragsabschlusses unverzichtbar ist, um Ihr Geld gegen Verluste und schlimmstenfalls Totalausfall abzusichern. Verlassen Sie sich nicht auf eine versprochene „Risikofreiheit“ der Investition. Es gibt sie nicht. Entweder managen Sie die Risiken im Vorfeld, oder Sie sind bereit, die identifizierten Risiken bewusst zu akzeptieren.
Das Exposé
Handelt es sich um eine unverbindliche Werbung? Dann ist es rechtlich nicht das Papier wert, auf dem es steht. Oder wird Ihnen mit einer umfangreichen Projektbeschreibung der Eindruck vermittelt, dass Sie umfassend über das Investment informiert werden? Im zweiten Fall handelt es sich um einen sogenannten Verkaufsprospekt, aus dem sich möglicherweise Haftungstatbestände ergeben. Lassen Sie sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Verbindlichkeit der Versprechungen schriftlich bestätigen. Wie reagiert der Vermittler auf Ihr berechtigtes Anliegen? An der Reaktion erkennen Sie Seriosität und Professionalität. Oder eben nicht. Im letzteren Fall: Lassen Sie es. Selbst wenn es sich um einen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abgesegneten Prospekt handelt: die BaFin prüft nur die Grundvoraussetzungen eines Prospekts und bietet Ihnen keine Sicherheit. Prüfen Sie selbst Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Versprechungen. Ein Prospekt muss nach der Rechtsprechung laufend angepasst und der Investor laufend über Änderungen informiert werden. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass dies automatisch geschieht. Fragen Sie regelmäßig, insbesondere aber unmittelbar vor der Unterschrift unter den Kaufvertrag, nach. Es versteht sich fast von selbst, dass alle Versprechungen des Prospekts im Fall des Vertragsabschlusses auch feste Vertragsbestandteile werden sollten (mehr dazu in Teil 2 der Serie).
Relevante Unterlagen
Analysieren Sie bereits im Vorfeld Ihrer Kaufentscheidung alle relevanten Unterlagen! Es reicht nicht aus, lediglich den Kaufvertrag für die Photovoltaik-Anlage genau zu lesen. Sie benötigen auch den entsprechenden Auszug aus dem Grundbuch, die Eintragung der Grunddienstbarkeit, den Pacht- oder Nutzungsvertrag für das Grundstück beziehungsweise das Dach, Bau- und Statikgutachten, Baugenehmigungen, abgeschlossene Stromlieferverträge, Betriebsführungsverträge für die Projektlaufzeit, alle Verträge mit Lieferanten und Firmen, die die Anlage errichten, unabhängige Ertragsgutachten und neben einer nachvollziehbaren technischen Auslegung der Photovoltaik-Anlage weitere standortabhängige Dokumente. Sollten Sie lediglich einen Teil einer Anlage kaufen, lassen Sie sich vor Vertragsabschluss die Verträge der Mitinvestoren vorlegen. Treten Sie mit den anderen Investoren vor Vertragsschluss in Kontakt. Denken Sie an eine Satzung für alle Mitinvestoren. Wenn gemeinsame Entscheidungen getroffen werden müssen, sollten sich alle auf einer gemeinsamen Kommunikationsebene befinden.
Projektbeteiligte
Prüfen Sie Ihre Vertragspartner auf Herz und Nieren. Holen Sie alle verfügbaren Informationen (bis zum polizeilichen Führungszeugnis) über sie ein! Im Einzelnen: Prüfen Sie den Vermittler und Ihre zukünftigen Vertragspartner auf Seriosität und Bonität.
Lassen Sie sich Referenzen des Vermittlers vorlegen. Fragen Sie nach erfolgreichen Projekten und auch nach gescheiterten Projekten. Fragen Sie nach der vom Vermittler erwarteten Provision. Wer zahlt sie? Fragen Sie nach Leistungsstörungen zwischen Verkäufer und Lieferanten aus bereits bestehenden Verträgen. Zum Beispiel: Wurden alle Rechnungen bezahlt? Nehmen Sie mit allen Projektbeteiligten Kontakt auf.
Prüfen Sie die Bonität von Anbieter, Initiatoren und Geschäftsleitern. Eine gute Bonität bietet Ihnen zumindest einige belastbare Anhaltspunkte, dass Sie im Fall der Fälle durchgesetzte Schadensersatzansprüche auch realisieren können. Seien Sie besonders vorsichtig, wenn kurz vor Vertragsschluss der Vertragspartner wechselt. Prüfen Sie gegebenenfalls einen neuen Vertragspartner ebenfalls nach den oben genannten Kriterien. Lassen Sie sich niemals zeitlich von Ihrem Vermittler unter Entscheidungsdruck setzen!
Das Anlage-Modell
Prüfen Sie – last but not least – die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Modells. Lassen Sie sich verbindliche Kalkulationen, die auf Ihre steuerliche Situation zutreffen, erstellen. Achten Sie darauf, dass alle Annahmen aus dem Exposé in die Kalkulation eingehen.
Professionelle Investoren nennen diese Arbeit „Due Dilligence“. Diese Phase der intensiven Prüfung ist aufwändig, kostet Zeit und Geld, schützt aber den Investor vor Verlusten bis hin zu Totalausfällen. Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihr Investment und schützen Sie es! Dokumentieren Sie – wie es professionelle Investoren tun – alle entscheidungsrelevanten Punkte, pochen Sie auf Verbindlichkeit und lassen Sie sich dies immer schriftlich (!) bestätigen.
Wenn Sie diese Prüfung nicht selbst vornehmen können, lassen Sie sich professionell von unabhängigen Beratern, die ausschließlich Ihre (!) Interessen im Fokus haben, helfen. Prophylaxe – das ist nicht nur beim Zahnarzt so – vermeidet Schmerzen und Folgekosten und zahlt sich im Ergebnis immer für Sie aus.
Die vierteilige Serie wird mit dem zweiten Teil „Der Kaufvertrag“ fortgesetzt.
Teil 1 Vor dem Vertrag – Die professionelle Prüfung der Unterlagen
Teil 2 Der Kaufvertrag
Teil 3 Die Abnahme der Anlage
Teil 4 Die Betriebsführung
Die Autoren
Der Autor Kai-Wilfrid Schröder hat jahrelange Erfahrung in der Projektentwicklung von Erneuerbare-Energien-Projekte für die Stromeigenversorgung. Aufgrund vieler bekanntgewordener Projektentwicklungsfehler aus anderen Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien hat Kai-Wilfrid Schröder mit einem Ingenieurteam die Beratungsfirma Utility Consultants gegründet, die technische und kaufmännische Analysen für Geldanleger und Investoren in den Erneuerbaren Energien anbietet. Der fachkundige Rat soll den privaten Investor vor Fehlentscheidungen in eine Investition oder eine Geldanlage schützen. Mehr Informationen finden Sie unter http://www.utility-consultant.de/
Die Autorin Sabine Birken leitet die Rechtsabteilung der Celanx GmbH. Sie setzt dort internationale Erfahrung – auch im Bereich „Strafrechtliche Compliance“ – im Rahmen der Vertragsgestaltung für Bau und Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowohl deutschlandweit als auch international ein. Die branchenüblichen B2B Praktiken übersetzt und überträgt Sabine Birken in eine verständliche Sprache für den privaten Anleger, der erstmalig als Gewerbetreibender in eine Photovoltaik-Anlage investiert.
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