IPCC-Sonderbericht: 1,5-Grad-Ziel ist noch in Reichweite

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Der Weltklimarat (IPCC) hat am Montagmorgen seinen Sonderbericht im südkoreanischen Incheon vorgestellt. Die Ergebnisse sind eher alarmierend: Alle mit dem 1,5 Grad Celsius-Ziel kompatiblen Emissionspfade erfordern weltweit eine radikale Verringerung der Treibhausgas-Emissionen, um bis zur Mitte des Jahrhunderts CO2-Neutralität zu erreichen. Bis 2030 müsste dafür eine Senkung der CO2-Emissionen um 45 Prozent weltweit erreicht werden, wenn bis zur Mitte des Jahrhunderts die Reduzierung auf Null erzielt werden soll. Mit den derzeitigen Emissionsraten wird nach der Einschätzung des IPCC das in Paris definierte Ziel bereits in den 2040er Jahren überschritten mit erhöhten Klimafolgen und Risiken für Mensch und Natur weltweit. Nach dem Bericht liegt die die globale Erwärmung bereits aktuell bei etwa einem Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter. Mehr 6000 Studien haben die 91 Autoren des Weltklimaberichts ausgewertet.

In einer gemeinsamen Presseerklärung zeigten sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) alarmiert. „Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren. Die nächsten Jahre sind entscheidend, damit unser Planet nicht aus dem Gleichgewicht gerät“, so Schulze. Ihre CDU-Kollegin erklärte: „Wir brauchen starke Beiträge aus der Forschung und müssen das Potenzial der Wissenschaft noch stärker ausschöpfen, um ihn in den Griff zu bekommen. Gute Ideen aus der Forschung und ein entschlossenes Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft können die notwendigen Veränderungen voranbringen.“

Die beiden Ministerinnen erschienen jedoch nicht zu einer zu dem Thema anberaumten Pressekonferenz im Bundesumweltministerium, sondern schickten ihre Staatssekretäre Jochen Flasbarth und Michael Meister vor. “Der IPCC-Bericht hat eine völlig andere Dimension, als das, was wir 2015 in Paris beschlossen haben”, bekannte Flasbarth nach einem Bericht der „Agentur Zukunft“. Er wertete die Aussage des IPCC, dass es noch möglich sei, die 1,5 Grad zu erreichen als positiv. Zugleich sei erschütternd, wie groß der Unterschied der Folgen zwischen 1,5 und 2,0 Grad Erderwärmung seien. „Jede vermiedene Tonne CO2, jedes vermiedene Zehntelgrad Erderwärmung zählt. Dieser Umbau bringt viele Veränderungen mit sich und die große Chance, unsere Wirtschaft zukunftsfähiger und unsere Gesellschaft lebenswerter zu machen“, so Ministerin Schulze in ihrem Statement weiter.

Die energiepolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Julia Verlinden, forderte die Regierung zum unverzüglichen Handeln auf. „Das gilt nicht nur für den Kohleausstieg, sondern auch in den Bereichen Gebäude und Verkehr“, sagte sie. Gerade die Energiewende im Gebäudesektor müsse jetzt starten, da es dort lange Investitionszyklen gebe. „Die Bundesregierung muss jetzt mit den richtigen Gesetzen dafür sorgen, dass die Energiesparstandards für Neubauten auf das Niveau von Passivhäusern oder sogar Plus-Energiehäusern gehoben werden. Bei Bestandsgebäuden muss mehr und wirksamer saniert werden. Außerdem müssen dabei endlich verbindlich erneuerbare Energien zum Einsatz kommen“, so Verlindens Forderung.

Wissenschaftler aus vielen Ländern begrüßten den Bericht ebenfalls, sehen nun aber die Politik am Zug. „Seit der Veröffentlichung des letzten Sachstandsberichtes des IPCC und der Pariser Klimakonferenz sind bereits wieder einige Jahre vergangen, ohne dass auf globaler Ebene – trotz zahlreicher Bemühungen in einigen Staaten – eine substanzielle Trendwende in Bezug auf den Ausstoß an Treibhausgas-Emissionen eingeleitet worden ist“, sagte etwa Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. Daher steige der Druck für Maßnahmen in den kommenden Jahren erheblich. „Die zentrale Fragte ist, ob dieser Handlungsdruck auch auf Widerhall bei den Entscheidungsträgern stoßen wird und die Umsetzungsgeschwindigkeit von klimapolitischen Maßnahmen deutlich zunimmt“, so Fischedick.

Ähnlich ist auch die Einschätzung von Elmar Kriegel. „Der Bericht sagt in einer bisher nicht dagewesenen Deutlichkeit: Wenn die Nationen ihre Klimaschutzpläne bis 2030 nicht stärken, wird die 1,5-Grad-Grenze überschritten werden. Er sendet ein klares Signal, dass die bisherigen Klimaschutzanstrengungen und -pläne in der Summe nicht mit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar sind“, so der stellvertretende Leiter des Forschungsbereichs Nachhaltige Lösungsstrategien vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Das wird in den Ländern und international zu neuen Debatten führen, wie die Anstrengungen gestärkt werden können.“

Auch bei Erneuerbaren-Verbänden und Umweltorganisationen sieht man den Zeitdruck. „Die Welt als globale Gemeinschaft muss endlich die Weichen für eine lebenswerte Zukunft stellen. Erneuerbare Energien sind für die Dekarbonisierung der Energieversorgung und die Vermeidung von CO2-Emissionen ein zentraler Schlüssel“, sagte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) zu dem IPCC-Sonderbericht. „Jetzt ist der politische Handlungswille gefordert, um den Ausbau der erneuerbaren Energien für eine saubere Strom- und Wärmeversorgung sowie eine umweltfreundliche Mobilität voranzubringen, und sofort Treibhausgase einzusparen.“ Nach ihrer Einschätzung würde ein CO2-Preis ökonomische Anreize setzen, um den notwendigen Kohleausstieg in Deutschland marktwirtschaftlich zu organisieren und auch fossilen Brennstoffen im Wärmebereich einen echten Preis zu geben. „Die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr sowie der Einsatz von mehr Speichern und mehr Flexibilität auf den Märkten befördern zudem ein zukunftsfähiges Energiesystem“, so die BEE-Präsidentin. Zügige mutige Maßnahmen der Bundesregierung müssten fortgesetztes Zögerns und Zauderns ersetzen.

Bei Greenpeace verweist man auf den zurückliegenden Dürresommer, der bereits die drastischen Folgen der Erderwärmung zeige. „Noch können wir verhindern, dass solche Dürren häufiger werden, dass uns stärkere Stürme und zerstörerische Überschwemmungen heimsuchen“, erklärte Greenpeace-Experte Benjamin Stephan. „Die Zeit dazu ist knapp und der politische Auftrag für die Bundesregierung glasklar. Es gibt keine Entschuldigung für ein reiches Industrieland wie Deutschland, seine CO2-Bilanz weiterhin mit alten, schmutzigen Kohlekraftwerken zu ruinieren.“ Im IPCC-Sonderbericht sei auch ein „Königsweg aus der Klimakrise“ enthalten. Demnach müsse der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas einhergehen mit dem Schutz der Renaturierung der Wälder. „Waldschutz und Klimaschutz gehören zusammen“, so der Greenpeace-Experte nicht zuletzt mit Verweis auf den Hambacher Frost, der vorerst nicht dem Kohleabbau zum Opfer fallen wird.

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