Seit Monaten wird im Rheinischen Braunkohlerevier gegen den Tagebaubetreiber RWE und die von ihm beabsichtigte Rodung des Hambacher Waldes gekämpft. Ungeachtet der gegenwärtig tagenden Kohlekommission und ihrer möglichen Ergebnisse, lässt der Energiekonzern von seinem Vorhaben nicht ab und will durch rechtlich fragwürdige vorzeitige Rodung Fakten schaffen.
Am 31.08.2018 wurde der Hambacher Forst von der Polizei zum „gefährlichen Ort“ erklärt. Damit hat sie sich einige Zusatzrechte genehmigt (anscheinend geht das einfach so): Ohne besonderen Anlass kann sie Menschen kontrollieren oder auch für 12 Stunden festsetzen. Begründet wird das mit Straftaten wie besonders schwerer Landfriedensbruch, die im Wald stattgefunden hätten.
Doch wer bricht denn hier den Frieden des Landes – diejenigen, die unter größten persönlichen Risiken die Bäume schützen oder diejenigen, die die Bäume niedermachen und das Land unter ihnen aufbrechen und ein riesiges Loch ausbaggern wollen, um den Klimawandel weiter anzuheizen, damit die Wälder, die sie nicht roden, dann wenigstens abbrennen…?
Unsere Verwirrung ist phänomenal!
RWE ist wild entschlossen, sich seine Profite mit der gleichen Methode wie seit 1898 auch in Zukunft zu besorgen, und die Staatsmacht schützt das – Begründung: RWE hat das „Eigentumsrecht“ am Hambacher Wald.
Doch hallo!! – Wie kann es ein „Recht“ sein, den Ast, auf dem die ganze Menschheit sitzt, abzusägen? Ist die Fortsetzung des RWE-Geschäftsmodells ein höheres Gut als das Lebensrecht der Menschheit???
Der Hambacher Forst ist zum Faustpfand geworden. Fällt er, dann wird die altertümlichste und dreckigste Art der Energieerzeugung ihr Zerstörungswerk fortsetzen. Gelingt es, ihn zu erhalten, dann ist das ein Sieg der Intelligenz, ein Sieg der Einsicht, dass dieser Planet endlich ist, ein Haus (oder ein Schiff, ein Raumschiff), das mit Blick auf seine Begrenztheit haushälterisch – also ökologisch – bewirtschaftet werden muss. Wenn wir mit dem – damals angebrachten – Bewusstsein der frühen, winzigen und technisch harmlosen Menschheit, der die Rohstoffquellen und das Abfall-Aufnahmevermögen der Erde unendlich erschienen, heute weitermachen, dann zerstören wir die Voraussetzungen für gutes menschliches Leben auf diesem Planeten. Die Anzeichen hierfür – wovon der Klimawandel das krasseste, aber keineswegs einzige ist – sind ja deutlich.
Mit der Deklarierung des Hambacher Forstes zum „gefährlichen Ort“ unternimmt die Staatsmacht den ersten Schritt im Versuch, den Widerstand gegen die Kohleverstromung insgesamt zu kriminalisieren und in die Nähe des Terrorismus zu rücken. Dahinter steckt die perfide Kalkulation, dass sich Vorurteile und Ängste, wie sie gegen (geflüchtete) Ausländer bestehen, auch gegen die Energiewende mobilisieren lassen. Denn auch die Energiewende bringt Neues, Anderes, was naturgemäß zunächst auch fremd und verunsichernd wirken kann. Es ist kein Zufall, dass in den Kreisen, die sich gegen Flüchtlinge wenden, auch die schärfsten Gegner der Energiewende und insbesondere der Windkraft zu finden sind.
Wenn die etablierten politischen Kräfte, etwa aufgeschreckt durch die jüngsten Vorgänge in Chemnitz, sich gegen Rechts positionieren, bewegen sie sich (wie es in der Politik leider normal ist) auf der äußersten Oberfläche des Problems. Dass der sogenannte Rechtspopulismus seit einigen Jahren um sich greift, ist nämlich kein unerklärliches Schicksal, auch keine Ausgeburt der Hölle, wohl aber eine Hervorbringung unserer Politik und unserer Gesellschaft. Diese hat noch nicht begriffen, dass wir unseren Stoffwechsel mit der Natur und unsere Daseinsweise in toto von der unbegrenzten Expansion auf die ökologische Bewirtschaftung unseres begrenzten Planeten umstellen müssen.
Hieraus resultiert ein diffuses, aber verbreitetes Gefühl von Unstimmigkeit. Dieses sucht derzeit Ausdruck in rechten, allerdings ziellosen Bewegungen. Auch die AfD ist gerade keine Alternative zu den „Altparteien“, sondern unterscheidet sich nur dadurch, dass sie laut ausposaunt, was jene hinterrücks und im Stillen betreiben: Die AfD fordert offen die Beendigung der Energiewende, CDU und SPD befürworten sie pro forma, tun praktisch aber alles, um sie abzuwürgen. Und was die Flüchtlingsproblematik betrifft, so hört man von den „Altparteien“ ebenso wenig wie von der AfD, dass wir Europäer selber es sind, die seit dem Kolonialismus die Lebensbedingungen in Afrika zunehmend zerstört und somit die jetzige Fluchtbewegung zu verantworten haben.
Eigentlich ist es erstaunlich – und daher umso erfreulicher – dass die große Mehrheit der Bevölkerung – trotz dem Gegenwind von der maßgeblichen Politik – weiterhin die Energiewende will. Dies sollte baldigst auch am und im Hambacher Forst demonstriert werden. Unsere Organisationen wie BUND, campact, Greenpeace (u.a.) sollten ein Aktionsbündnis von noch nicht gesehener Breite organisieren. Die Kräfte vor Ort, die dort – gerade auch im Gespräch mit der Bevölkerung – eine bewunderungswürdige Arbeit leisten, sollten nicht allein gelassen werden.
Die Akteure der Energiewende sollten praktisch demonstrieren, dass eine Versorgung mit 100% erneuerbarer Energie in jeder Minute des Jahres möglich ist. Das wird Zustimmung und Vertrauen in das Entstehen zukunftsfähiger Arbeitsplätze gerade auch in den bisherigen Kohle-Regionen schaffen. Der Umstieg auf die Erneuerbaren als das große Gemeinschaftsprojekt der ganzen Menschheit kann dann die Spaltung der Gesellschaft auch in Deutschland überwinden. – Auch viele Menschen, die sich derzeit nach rechts orientieren, haben einen Sinn für Natur- und Umweltschutz und werden einsehen, dass Naturschutz ohne Klimaschutz nicht geht.
— Der Autor Christfried Lenz war unter anderem tätig als Organist, Musikwissenschaftler und Rundfunkautor. Politisiert in der 68er Studentenbewegung, wurde „Verbindung von Hand- und Kopfarbeit“ – also möglichst unmittelbare Umsetzung von Erkenntnissen in die Praxis – zu einer Leitlinie seines Wirkens. So versorgt er sich in seinem Haus in der Altmark (Sachsen-Anhalt) seit 2013 zu 100 Prozent mit dem Strom seiner PV-Inselanlage. Nach erfolgreicher Beendigung des Kampfes der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“ engagiert er sich ganz für den Ausbau der Ereneuerbaren in der Region. Als Mitglied des Gründungsvorstands der aus der BI hervorgegangenen BürgerEnergieAltmark eG, wirkte er mit an der Realisierung einer 750 Kilowatt-Freiflächenanlage in Salzwedel. Lenz kommentiert das energiepolitische Geschehen in verschiedenen Medien und mobilisiert zu praktischen Aktionen für die Energiewende —
Die Blogbeiträge und Kommentare aufwww.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Ich Wünsche mir von Herzen das kein Baum für diese Zwecke missbraucht wird.
In Deutschland gibt es 11,4 Mio. Hektar Wald, in den letzten 10 Jahren sind 50 000 ha zugewachsen. Hier geht es jetzt um keine 100 ha, aber um alternativ kurzfristige Beendigung eines Betriebes ohne Ersatz vieler Arbeitsplätze und ohne belastbaren Plan für eine sichere und kostengünstige Versorgung. Und natürlich auch um die „Profite“ vieler Arbeitnehmer, aber auch um die „garantierten Profite“ vieler Sonnen- und Windstromfreunde. So ist es halt in einer Marktwirtschaft.
Mit der um einige Jahre Hals über Kopf vollzogenen Stilllegung erreicht man klimaglobal gesehen absolut nichts!!
Hat aber viel gesellschaftliches Porzellan durch gewaltbereite Chaoten zerschlagen.
Ich bin auch der Meinung: 100ha Wald sind keine Aggression und keinen verletzten Polizisten wert. Wir wollen doch eine friedliche Welt, und das darf man nicht nur von den anderen verlangen, sondern sollte bei sich selbst anfangen.
Der Wald ist aber ein Symbol, und die Wirkung von Symbolen sollte man nicht unterschätzen. Was man mit friedlichem Protest erreichen kann, ist, dass die Politik, wie 1989 Ernst Albrecht in Niedersachsen im Fall Gorleben, einsieht, dass bestimmte Dinge nicht von einer kleinen, abgehobenen, lobbyhörigen Politik gegen den Willen der Mehrheit durchsetzbar sind.
Nicht richtig ist, dass es um die kurzfristige Fortsetzbarkeit des Betriebes geht. Die belieferten Braunkohlekraftwerke haben noch Abbaureserven für fünf Jahre, und das wäre genug Zeit, sie durch Erneuerbare Anlagen mit Speichern zu ersetzen.
Sehr geehrter Herr Rentfort, Arbeitsplätze sind ein tolles Totschlagargument. Gerne wird die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen geschürt und damit die Fortführung der Kohleverbrennung begründet. Arbeitsplätze, die auf Dauer nicht zu retten sind, wenn man den Schutz unserer Lebensgrundlage ernst nimmt. Fragen muss man sich allerdings, warum niemand den Verlust der zig tausend Arbeitsplätze beklagt hat, die der politisch gewollte Zusammenbruch des deutschen Photovoltaikmarktes mit sich brachte. Arbeitsplätze in einer Branche, die die Zukunft darstellt.
Vorstellungen und auch belastbare Zahlen, wie eine zukünftige Energieversorgung aussehen kann, gibt es genug. Das Problem ist nicht die technische Umsetzung. Das Problem ist der mangelnde politische Wille die notwendigen Schritte in Angriff zu nehmen. Es fehlt der Mut neue Wege zu beschreiten und den Erhalt unserer Lebensgrundlage in den Mittelpunkt politischen Handelns zu sellen. Stattdessen schreitet man auf alteingetretenen Pfaden fort, die uns auf Dauer unserer Lebensgrundlagen berauben. Und dies entgegen der Meinung der Mehrheit der Bevölkerung, die für Klimaschutz sind. Da fragt man sich, wer diejenigen sind, die gesellschaftliches Porzellan zerschlagen. Ich glaube nicht, dass es die sind, die sich gegen die Ignoranz eines Konzernes und der Politik stellen und die Sie als Chaoten bezeichnen.
Sehr geehrter Herr Behrschmidt, ein sehr guter Beitrag. Vielleicht bewerben Sie sich ja als mutiger Politiker um tatsächlich die notwendigen Schritte voran zu treiben, denn daran fehlt es in der Tat.
Alles wunderbare Worte, aber dann sagen sie allen stets dazu, dass das alles noch viel Geld kosten wird.
Und warum ist der angeblich „politisch gewollte“ Zusammenbruch/Verlust der subventionierten Arbeitsplätze erfolgt?
Weil andere billiger waren.
7 Mrd. Menschen denken nicht unbedingt so, wie Herr lenz oder die Hambacher Baumbewohner.
Und spätestens, wenn es in der Geldbörse spürbar ist, gilt eine andere Logik.
Das ist aber ein Widerspruch: Wird es jetzt teurer (weil aufwendiger darzustellen, weil mehr benötigte Arbeitskraft) oder kostet es Arbeitsplätze (weil es billiger wird, weil einfacher darzustellen)?
Diese ewige Angst, dass durch Veränderungen alles schlechter werden könnte! Natürlich: Für den einzelnen Betroffenen kann es hart sein. Mit seinem Arbeitsplatz verliert man ja nicht nur Einkommen, sondern auch Kollegen, Sinnstiftung, Selbstbewußtsein. Das kann man aber auffangen. Und je eher man den Menschen reinen Wein einschenkt, desto besser können sie sich darauf einstellen. Das hat man in den letzten 15 Jahren versäumt. Da konnte man sich als Betroffener leicht selbst belügen, dass es so schnell nicht gehen werde.
Um den Widerspruch oben noch aufzulösen: Ich glaube, es wird teurer, weil arbeitsaufwendiger und damit werden für die EE mehr Arbeitsplätze neu entstehen, als bei den Fossilen wegfallen. Vielleicht wird das Gesundheitswesen etwas entlastet werden, aber das wird nicht nachweisbar sein. Nicht alle, die bei den Fossilen ihren Arbeitsplatz verlieren, werden einen neuen bei den EE finden, insbesondere, wenn sie schon älter sind. Insofern haben sie nichts von dem Nettogewinn an Arbeitsplätzen. Auch räumliche Verschiebungen können ein Problem sein. Aber gerade die räumliche Verteilung der Wertschöpfung wird tendenziell nach der Transformation zu den EE wegen deren Dezentralität gerechter sein, als derzeit. Dass eine Gebietskörperschaft im Geld schwimmt, und ihre Gehsteige mit Marmor pflastert, bloß weil sie ein großes Kraftwerk (aber nicht viele Menschen) beherbergt, das wird dann vorbei sein (Die Marmorbrecher finden hoffentlich andere Absatzkanäle).
Peter Rentfort sagt.
Und warum ist der angeblich „politisch gewollte“ Zusammenbruch/Verlust der subventionierten Arbeitsplätze erfolgt?
Weil andere billiger waren.
@ Peter Rentfort.
Nein nicht weil andere billiger waren, sondern weil die Energiewende leider auf der Basis eines „Kalten Krieges“ statt findet.
Und die maßgebenden „Krieger“ kämpfen nun mal leider auf der anderen Seite.
Siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Externe_Mitarbeiter_in_deutschen_Bundesministerien
Zitat: Einer breiteren Öffentlichkeit wurden Personalaustauschprogramme, und die Mitarbeit Externer in Bundesministerien, durch das Fernsehmagazin Monitor am 19. Oktober 2006 bekannt. Der Beitrag wurde anmoderiert mit den Worten: „Lobbyisten versuchen, die Politik zu beeinflussen, um ihrem Arbeitgeber Vorteile zu verschaffen. Dazu sprechen sie auch in Ministerien vor. Manche Lobbyisten haben das gar nicht mehr nötig – sie sind nämlich schon da. Ja, richtig, das ist neu: Lobbyisten haben in unseren Ministerien mittlerweile eigene Büros – Tür an Tür mit Regierungsbeamten und […] mit eigener Durchwahl, und schreiben an Gesetzen mit. Bezahlt werden sie von ihren Unternehmen. Leihbeamte – gut für die Wirtschaft, schlecht für Bürger.
D.H. also die deutsche Solarindustrie ist eingebrochen, weil die Kohle- und AKW-Lobbiysten (von Tür zur Tür) was gemacht haben?
Nicht mehr weiter haben subventionieren lassen und ersatzweise die Subventionen in die Kohle und AKW stecken ließen?
Oder doch weil die „Garantieabgreifer“ ihre Schäfchen im Trockenen hatten und der Rest egal war.
Peter rentfort sagt.
D.H. also die deutsche Solarindustrie ist eingebrochen, weil die Kohle- und AKW-Lobbiysten (von Tür zur Tür) was gemacht haben?
@ Peter rentfort.
Nein nicht zu letzt deshalb, weil das EEG ständig geändert wurde, und Investoren verunsichert wurden.
Da war für die eine Novelle noch nicht das Papier trocken, da wurde schon die Nächste diskutiert.
Von Planungssicherheit konnte da keine Rede sein.
Schauen Sie mal hier: https://www.pv-magazine.de/2018/06/14/ist-dem-wortlaut-des-eeg-noch-zu-trauen/