Agora Energiewende vermutet, dass Stromverbraucher in Deutschland hunderte Millionen Euro im Jahr mehr an Netzentgelten zahlen, als gesetzlich notwendig wäre. Dafür mehren sich die Indizien, wie der Berliner Think-Tank am Mittwoch veröffentlichte. Erhärten ließen sich diese jedoch nicht, da die Netzbetreiber und Regulierungsbehörden entgegen der gesetzlichen Vorschriften ihre Bescheide nicht vollständig veröffentlichten. Auch zivilrechtliche Klagen seien bislang immer an der mangelnden Beweisbarkeit gescheitet, da die Netzbetreiber aus angeblichen Geheimhaltungsinteressen ihre Kosten nicht veröffentlichten, heißt es weiter. Die Verwaltungsgerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht erklärten sich zudem für nicht zuständig für die Durchsetzung der Transparenzvorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes.
Die rechtliche Analyse „Stromnetzentgelte: Eine Blackbox die nicht geöffnet werden kann?“, die im Auftrag von Agora Energiewende von der Kanzlei Raue LLP gemeinsam mit dem Regulatory Assistance Project (RAP) erarbeitet wurde, zeige dies deutlich auf. Sie komme zu dem Schluss, dass obwohl der Stromnetzbetrieb vollständig der öffentlichen Regulierung unterliege, weder Stromverbraucher, Stromlieferanten noch Gutachter oder die lokale Politik eine Handhabe besitze, die Entscheidungen der Behörden – Bundesnetzagentur und die Regulierungsbehörden der Länder – zu überprüfen und auf diesem Wege gegen überhöhte Netzentgelte vorzugehen.
Zwei Indizien, die für überhöhte Netzentgelte sprechen, werden in dem Gutachten benannt. Zum einen seien das die Vergleiche zwischen Regulierungsbehörden und Stromnetzbetreibern. In diesem Fall würden die Unternehmen auf Rechtsmittel verzichten, wenn die Regulierungsbehörden die von den Netzbetreibern veranschlagten Kosten im Zuge der Genehmigungsverfahren nicht kürzten. Dies widerspreche dem Energiewirtschaftsgesetz, das kein Entgegenkommen der Regulierer gegenüber den Netzbetreibern erlaube. In der Analyse wird der Schaden für die Verbraucher auf jährlich 360 bis 900 Millionen Euro geschätzt.
Zum anderen wird die Eigenkapitalverzinsung kritisiert, die den Netzbetreibern von der Bundesnetzagentur gewährt wird. In der Regulierungsperiode von 2014 bis 2019 sei sie zu hoch bemessen gewesen. Nach dem Gutachten waren in der Folge die Netzentgelte um 145 Millionen Euro jährlich zu hoch ausgefallen.
„Der Skandal ist, dass wir von diesen Regulierungsdefiziten zwar wissen, Verbraucher und Stromvertriebe dagegen aber rechtlich nicht vorgehen können“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Er fordert die Politik auf, endlich zu handeln und für Transparenz zu sorgen, damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Die Zeit dränge, da die Netzentgelte in Kürze die Höhe der EEG-Umlage überschreiten dürften und damit zum größten Kostenposten beim Strompreis würden. Im Gegensatz zu den Netzentgelten sei die Zusammensetzung der EEG-Umlage bis ins Detail bekannt. „Wir brauchen prozessuale Waffengleichheit und endlich vollständige Transparenz. Netzkosten sind eine öffentliche Angelegenheit und gehören komplett veröffentlicht, wie dies auch andere EU-Nachbarländer tun“, so Graichen weiter.
BDEW spricht von detaillierter Kostenprüfung
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) teilt die Einschätzung aus der rechtlichen Analyse von Agora Energiewende nicht. „Die Netzbetreiber unterliegen einer detaillierten Kostenprüfung durch die Regulierungsbehörden. Darüber hinaus werden die Bilanzen der Netzbetreiber von unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testiert“, erklärte Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung, in einem Statement. Die Vorwürfe der Intransparenz seien daher nicht nachvollziehbar. „Zumal eine Veröffentlichung sensibler Einzeldaten verfassungsrechtlich gar nicht zulässig wäre.“
Der BDEW verweist weiter darauf, dass die Netzentgelte für die Haushaltskunden zum Jahresanfang durchschnittlich um 3,2 Prozent gesunken seien. Der Anstieg in den zurückliegenden zwölf Jahren betrage gerade einmal 13,9 Prozent. „Dabei sind massive Investitionen in den Aus- und Umbau der Netze erforderlich – vor allem für die Integration der Erneuerbaren ins Energiesystem und die Aufrüstung der Verteilnetze für die Elektromobilität“, so Kapferer. Zu diesen Milliarden-Investitionen kämen noch die Kosten für die Instandhaltung der bereits bestehenden rund 1,8 Millionen Netzkilometer hinzu.
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) widerspricht dem BDEW indes. „Die Stromnetzentgelte sind in den vergangenen Jahren bundesweit massiv gestiegen; sie haben mit rund 25 Prozent mittlerweile einen höheren Anteil an der Stromrechnung der Verbraucher als die Umlage für das Erneuerbare-Energien-Gesetz“, sagte Robert Busch, Geschäftsführer des bne. Auch eher spricht von Intrasparenz: „Dennoch bleibt für Energiekunden und Lieferanten weiterhin völlig unklar, wie die Netzentgelte zustande kommen. Dabei geht es hier um einen jährlichen Beitrag von geschätzt 24 Milliarden Euro.“ Die Verteilernetzbetreiber weigerten sich, entsprechende Daten zu veröffentlichen und verwiesen auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, was es nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln gar nicht existierte. „Aus unserer Sicht muss die Bundesregierung nun endlich dafür sorgen, dass die Betreiber von Energienetzen darlegen, wie sie die vielen Milliarden Euro an Netzentgelten, die die Energiekunden pro Jahr zahlen, einsetzen“, unterstützt Busch die Forderung von Agora Energiewende
Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag ist am 22.8. um 17:45 Uhr mit den Statements vom BDEW und bne erweitert worden.
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Es ist wie bei dem eigentlich nicht wirklich vorhandenem Einspeisevorrang:
Viele sehen es, aber keine klagt es ein.
Warum eigentlich nicht?
Die Netzbetreiber kriegen es mit einer Mischung aus Angstmacherei und Beliebtheit (weil es ja gut funktioniert, also kaum Stromausfälle) hin trotz Monopolen, garantierter Renditen und hoher Kosten die Guten zu sein.
Wäre die EEG Erzeuger die Bösen sind.
Warum klagt eigentlich auch hier keiner die Transparenz ein? Die Gesetze geben das doch sicher her.
Mmh?
Karl Heinz Remmert sagt:
Die Netzbetreiber kriegen es mit einer Mischung aus Angstmacherei und Beliebtheit (weil es ja gut funktioniert, also kaum Stromausfälle) hin trotz Monopolen, garantierter Renditen und hoher Kosten die Guten zu sein.
@ K.H. Remmert.
Da bei versuchen sie unter dem Vorwand ihrer Verantwortung für die Versorgungssicherheit, schleichend die Energiewende überwiegend zu ihrem Vorteil zu gestalten.
Das hat 2010 begonnen wo auf drängen der Netzbetreiber die EE zum Vermarkten an die Börse verbannt wurden, dort die Preise nach unten treiben, womit sie dann lukrative Geschäfte machen.
Die neue EON lässt grüßen.
Die Dummen sind die Verbraucher die zahlen das alles mit steigender EEG Umlage. Denn seit 2010 gilt je niedriger die Börsenpreise, desto höher die Umlage.
Jetzt ist der nächste Schritt geplant.
Siehe hier:
Bundesregierung prüft „Relativierung des Einspeisevorrangs“
Windräder sind im Notfall schon immer abgeschaltet worden, nur mit Entschädigung für die Betreiber. Um Geld zu sparen soll offensichtlich nun gesetzlich geregelt werden, dass die Entschädigung wegfällt. Geld zu sparen von dem der Verbraucher auf seiner Stromrechnung mit Sicherheit nichts merkt. Warum die Relativierung nicht im Sinne der Energiewende auf der konventionellen Seite, sprich den Kohlekraftwerken stattfinden kann, wird das Geheimnis der Antragsteller bleiben.
Bin mal gespannt ob sich die Politik wieder so über den Tisch ziehen lässt, wie bei der EEG Neuordnung 2010, dem von Insidern so genannten EEG Paradoxon.
EEG Paradoxon deshalb, weil seit 2010 gilt je niedriger die Börsenpreise, desto höher die Umlage.
In die Praxis umgesetzt, je billiger sich die Versorger Strom beschaffen können, desto mehr Umlage müssen ihre Kunden bezahlen.
Wichtig ist, dass die EEG Umlage hoch bleibt, sonst hätten die Energiewendegegner ja keine Angriffsfläche mehr.
Und noch ein Paradoxon:
Wenn wir wie von Greenpeace gefordert schnellstmöglich 365 GW PV-und Windleistung installieren um 80% EE-Stromanteil zu erhalten mit der überschüssigen Leistung, wenn Deutschland über Monate nur max. 50-60 GW braucht?
Aber viel wichtiger: Die damit bzw. der Nutzung zusammenhängenden Kosten trägt wer?
Dafür ist man, verglichen mit der innovativeren Entwicklung des EEG-Gesetzes, zwar spät dran, aber die Netzbetreiber zu Rücklagenbildung für den Stromnetzausbau zu verpflichten könnte eine langfristige Stabilisierung der Netznutzungsentgelte erwirken.
Vorausgesetzt wird dazu, in einer gesetzlich gereiften Zivilisation, natürlich, daß Stromkonzerne, Stromnetzbetreiber und Regulierungsbehörden zukünftig keine Möglichkeiten erhalten die Rücklagen ihres Zweckes zu entfremden. Vorzusehen wäre dazu auch angemessene oder auch regelmäßige Rückerstattung des Einlagekapitals (in begründeten Teilen), sollte die technische Entwicklung die heutige Form des Netzausbaus unvoraussehbar verändert haben.
Zum Stichwort Paradoxon:
Ich empfinde es als Paradox, dass jemand für 20 +1 Jahre einen garantierten Preis bekommt und eine garantierte Abnahme.
Ebenso, dass bei allen Modellrechnungen der PV- und Windstromerzeugung die Speicher- und Verteilungskosten außen vor gelassen werden.
Ich würde es akzeptieren, wenn dies z.B. bei den AKW auch so argumentiert würde. Nur wegen der Logik, obwohl ich froh bin, wenn die AKW vom Netz sind.
Peter Rentfort sagt:
Zum Stichwort Paradoxon:
Ich empfinde es als Paradox, dass jemand für 20 +1 Jahre einen garantierten Preis bekommt und eine garantierte Abnahme.
@ Peter Rentfort.
Dann finden Sie sicher auch paradox, dass AKW immer nach dem Grenzkraftwerk bezahlt werden.
Zu Ihrer Information
An der Strombörse wird der Preis nach Angebot und Nachfrage, sprich dem Merit Order Prinzip ermittelt. Das letzte noch für die Nachfrage benötigte Kraftwerk ( Grenzkraftwerk ) bestimmt den Preis, und alle anderen benötigten Kraftwerke werden nach diesem Preis bezahlt.
Schauen Sie mal hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Merit-Order
Ein so genannter Mitnahmeeffekt wird wirksam. Da die AKW auf der Angebotskurve ganz links mit den niedrigsten Gestehungskosten stehen, profitieren die am meisten von diesem Effekt.
Abgeschriebene AKW nennt man deswegen im Volksmund „Gelddruckmaschinen“
War Ihnen das nicht bekannt???
Wollen Sie damit sagen, die AKW bekommen bis zu 50 Cent/kWh für 20+1 Jahr bzw. zweistellige Centbeträge pro kWh? Schon mal auf diese „Merrit- Preise“ gesehen und mit den v.g. garantierten Preisen verglichen?
Oder was soll diese Argumentation?
Oder haben diese „Gelddruckmaschinen“ jemals zweistellige kWh-Preise erzielt?
Peter Rentfort,
Sie dürfen nicht vergessen, dass wir auf dem Wege einer mehrheitlich beschlossenen Energiewende sind. Vor dem Hintergrund endlicher Resoursen, wird dafür gesorgt, dass Ihre Enkel und Urenkel nicht im Dunkelnn sitzen. Das sollte Ihnen..“temporäre“ .. zweistellige Kwh Preise wert sein, oder???
Ich hoffe Sie verstehen meine Argumentation.