Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat schon zu seinem Amtsantritt klar gemacht, dass der Netzausbau für ihn eine hohe Priorität hat. Auch den weiteren Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und Co. in Deutschland macht er immer wieder maßgeblich von der Verbesserung des Stromnetzes abhängig. Am Dienstag präsentierte er bei der Bundesnetzagentur in Bonn seinen „Aktionsplan Stromnetz“. „Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir moderne und gut ausgebaute Netze genauso wie den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Stromnetze sind dabei das Herz-Kreislauf-System unserer Stromversorgung“, erklärte er.
In dem vier Seiten umfassenden Aktionsplan schlägt Altmaier eine „Doppelstrategie“ vor, um den Herausforderungen eines schnellen Ausbaus erneuerbarer Energien und der Öffnung grenzüberschreitender Leitungen für Strom im europäischen Binnenmarkt gerecht zu werden. „Beim Ausbau der Netze ist Deutschland im Verzug, das verursacht Kosten für die Verbraucher“, räumte Altmaier ein. Mit seinem Aktionsplan wolle Deutschland bei dem Thema nun aber durchstarten.
Altmaier will zum einen, dass die Bestandsnetze optimiert und höher ausgelastet werden. Dies solle über neue Technologien und Betriebskonzepte erfolgen, was bereits in den nächsten fünf Jahren zu „greifbaren Fortschritten“ und zu deutlich leistungsfähigeren Netzen bis 2025 führen werde. Dabei gehe es sowohl um die technische Optimierung als auch die Erprobung neuer Technologien.
Zum anderen sollte der Netzausbau beschleunigt werden, wie Altmaiers Aktionsplan vorsieht. Dazu müsse es erstmal ein „vorausschauendes Controlling des Netzausbaus geben“. Dabei müssten sich Vertreter von Bund und Ländern mit den Netzbetreibern verständigen, wie Ausbauvorhaben konkret vorangebracht werden können. Zudem verspricht Altmaier die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Zuge einer Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes. Diese wolle er im Herbst 2018 vorlegen. Künftig könnte dann auf das Anzeigeverfahren für kleinere Netzverstärkungsmaßnahmen oder die Bundesfachplanung bei der Nutzung vorhandener Trassen verzichtet werden.
Zugleich sieht Altmaiers Aktionsplan vor, ökonomische Anreize für einen schnelleren Netzausbau und die Optimierung der Stromnetze zu setzen. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen sehen dies nicht vor: „Die Rendite eines Bauprojekts ist für den Netzbetreiber nicht systematisch davon abhängig, ob die Stromleitung wie ursprünglich geplant oder erst später (oder früher!) in Betrieb genommen wird. Gleiches gilt für die Optimierung und höhere Auslastung des Netzes.“ Nun wolle Altmaier prüfen, ob mit „chirurgischen Maßnahmen“ kurzfristig ökonomische Anreize für ein zügigeres Handeln der Netzbetreiber gesetzt werden könnten. In einem zweiten Schritt sollte dann über eine grundlegende Änderung des rechtlichen und ökonomischen Rahmens entschieden werden.
Bundesnetzagentur: Netzausbau darf nicht zum Nadelöhr der Energiewende werden
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, betonte, dass die politische Unterstützung für den Netzausbau ein wichtiges Signal sei. „Der Aktionsplan Stromnetz des Ministers greift auch Erkenntnisse aus unseren Erfahrungen beim Monitoring auf“, erklärte er. Die Energiewende brauche ein gut ausgebautes Stromnetz. „Der Netzausbau muss insgesamt aufholen, um mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Schritt zu halten. Er darf nicht zum Nadelöhr der Energiewende werden“, so Homann weiter.
Im Zuge der Abschaltung aller AKW in Deutschland bis Ende 2022 sei es wichtig, dass dann der im Norden erzeugte Strom aus Erneuerbaren in die Verbrauchszentren im Süden des Landes geleitet werden. 2009 war in diesem Zusammenhang der Bau neuer Stromleitungen von 1800 Kilometern beschlossen worden. Davon seien bislang rund 1150 Kilometer genehmigt und davon 800 Kilometer auch realisiert worden, hieß es von der Bundesnetzagentur. Dies sei weniger als die Hälfte. Die Übertragungsnetzbetreiber rechneten damit, bis Ende 2020 rund 70 Prozent der Leitungen fertiggestellt zu haben.
Das Ende 2015 novellierte Bundesbedarfsplangesetz habe ergeben, dass neue Leitungen auf einer Länge von 5900 Kilometer gebraucht würden, die von Bund und Ländern geplant werden müssten. Davon entfielen rund 3050 Kilometer auf Maßnahmen zur Netzverstärkung. Bislang genehmigt sind nach Angaben der Bundesnetzagentur 600 Kilometer und realisiert gerade einmal 150 Kilometer.
In der vergangenen Woche hatten drei Übertragungsnetzbetreiber eine europaweite Ausschreibung für Gleichstrom-Erdkabel eröffnet. Sie bezieht sich auf den Bau des „Suedlinks“ und Suedostlinks“, mit dem erneuerbare Energien aus dem Norden nach Süddeutschland geleitet werden sollen. Die Vergabe der Zuschläge ist erst für Ende 2019 geplant.
BEE und BDEW fordern zügige Umsetzung
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sehen viele positive Aspekte in dem Aktionsplan von Altmaier. Besonders die Vorschläge für intelligente Netze gingen in die richtige Richtung, auch um den Netzausbau auf ein notwendiges Maß zu begrenzen. Auch sei es sinnvoll, die Planungsverfahren zu beschleunigen, heißt es beim BDEW. Der BEE verweist darauf, dass Erneuerbaren-Verbände seit Jahren fordern, bestehende Leitungen zu optimieren und besser auzulasten.
„Was ich im Aktionsplan allerdings schmerzlich vermisse, sind konkrete und belastbare Zeitpläne für die Umsetzung dieser Maßnahmen“, so BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer. Es sei Tempo beim Netzausbau nötig, zumal wenn Deutschland bis 2030 seien Anteil Erneuerbarer auf 65 Prozent erhöhen wolle. Auch der BEE fordert, die Vorschlage „zeitnah“ umzusetzen. Mit dem Aktionsplan Stromnetz würden wichtige Grundlagen für die weitere erfolgreiche Energiewende definiert. „Genauso wichtig ist es nun, dass entsprechende Aktionsprogramme für Speicher sowie zuschaltbare Lasten und damit verbunden Vorschläge zur Sektorenkopplung folgen“, erklärte BEE-Präsidentin Simone Peter. Zugleich sollten Vorschläge zur Reduzierung der konventionellen Mindesterzeugung, gerade aus Kohlekraftwerken, erfolgen. „Ein schneller Kohleausstieg hilft, die Netze spürbar zu entlasten“, so Peter weiter.
Dagegen teilt der BDEW nicht die Einschätzung Altmaiers, dass regulatorische Anreize für einen möglichst schnellen Netzausbau fehlten. „Diese Sichtweise ist aus unserer Sicht irreführend und lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Die Netzbetreiber haben auf zahlreiche Ursachen für die Verzögerungen keinerlei Einfluss“, erklärte Kapferer. Daher sei es besonders wichtig, dass die Politik für mehr Verlässlichkeit beim Netzausbau sorge. Nach Angaben des Verbands müssen mehr als 40 Milliarden Euro in den kommenden Jahren in die Verteil- und Übertragungsnetze für die Integration der erneuerbaren Energien investiert werden.
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Meine Firma hatte vor ca. 15 Jahren eine Hochspannungs-Freileitung von der Küste nach NRW geplant.
Dagegen haben u.a. Eon und die BNetzA opponiert, mit der Begründung, es gäbe keinen Bedarf.
Jetzt möchte Eon-Nachfolger TenneT mehr Geld dadurch verdienen, dass jetzt auf die schnelle nur noch Kabel gebaut werden können und ggf. bekommen sie auch noch Anreize für schnelles Bauen, und die Energieerzeuger bei Eon-Nachfolger Uniper reiben die Hände, wenn weniger Windstrom ans Netz geht und sie damit höhere Preise für den Kohlestrom nehmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Falkenhagen
Windland Energieerzeugungs GmbH
Wohin sind die Einnahmen durch die Netznutzungsentgelte aus den Jahren vor 2007/2009 gelangt?
Spätestens ab 2008/2009 hätte die Bedeutung des Netzausbaus auch bei Photovoltaik erkannt werden müssen (2,1-3,9GWp Zubau).
Bei Windkraftanlagen, vor allem Offshore WKA eigentlich schon zuvor.
https://de.wikipedia.org/wiki/Anreizregulierung#Hintergrund
Der Bedarf an einem Netzausbau von Nord nach Süd ist laut dem Artikel nun also bestätigterweise nicht durch den Zubau im Norden sondern durch den Abbau (AKW) im Süden entstanden. Soweit war der geneigte Beobachter eigentlich schon lange in seiner Erkenntnis.
Zugegeben, mit der Abschaltung von Kohlekraftwerken im Süden verschärft sich das weiter.
Aber auch im Norden wird fossile Stromerzeugung vom Netz zu nhemen sein und dann ist der Überschuss dort ggf. allein durch eine verbesserte Betriebsweise der existierenden Leitungen zu machen.
Den weiteren Ausbau der Erneuerbaren vom Netzausbau abhängig zu machen, ist eine Verkehrung von Ursache und Wirkung.
Mehr Erneuerbare im Süden (PV) und Peak-Shaving durch Großspeicher wäre ein glaubwürdiger Lösungsansatz für den Sommer.
Im Winter fehlt nunmal die PV, da wird es ohne flächige KWK (jede verdammte Heizung sollte Strom machen und die Abwärme zum Heizen nutzen) nicht gehen.
Jedes fossile Kraftwerk erzeugt völlig nutzlose Abwärme, damit ist es per se eine Sünde.
Altmaier trabt munter vor dem Karen der alten Energieerzeuger die mehr Leitungskapazitäten brauchen, um Ihren dreckigen Strom ins Ausland verschieben zu können. Dabei fallen übrigens wohl keine Netzentgelte an, was soviel heist wie: Die deutschen Stromverbraucher zahlen das NEtz, die fossilen Erzeuger nutzen es für den Export…kostenlos….
Altmeier könnte auch im Norden 3 AKW früher vom Netz gehen lassen, damit würden sofort Leitungskapazitäten in Höhe von 4 GW frei. Das ist fast drei mal so viel wie die Nordlink Leitung haben wird – wenn sie irgendwann fertig ist.
Vielleicht sollte man endlich einsehen, dass die Privatisierung gerade bei öffentlichen Leistungen auch gravierende Nachteile hat und immer schnell alles unter dem Gesichtspunkt der kurzfristigen Rendite anstatt vorausschauender Planung steht und auch so agiert wird.
Also, warum die Übertragungsnetze nicht wieder verstaatlichen. Siehe dazu auch den Chef von N-Ergie Herrn Hasler https://www.zfk.de/energie/strom/artikel/n-ergie-chef-hasler-uebertragungsnetzbetreiber-gehoeren-in-oeffentliche-hand-2018-01-24/
Mit seinem neuen Plan, will Herr Altmaier doch im wesentlichen die Braunkohlekraftwerke
weiter am Netz halten, es ist quasi ein Förderprogramm für die Netzbetreiber, bzw. der großen
Stromkonzerne.
Wer behauptet, für den Ausbau der Photovoltaik würde ein Übertragungsnetzausbau benötigt,
der spielt ein falsches Spiel.
Erneuerbare Energien sind per se dezentral und benötigen dehalb eher weniger StromNetze
als zentrale Großkraftwerke.
Ist es denn so schwer zu verstehen? Zugegeben: Es gibt Ideologen, die in der Zentralisierung das Übel und in der Dezentralisierung das Heil sehen. Aber es geht hier um technische Fragen! Aus Sicht der Technik hat sich historisch von einer ursprünglich dezentralen Struktur aus kleinen Wasserkraftwerken und lokalen Dampfmaschinen zunächst die Zentralisierung durchgesetzt. Allerdings waren bei den Wärmekraftwerken (Kernkraft, Braun- und Steinkohle) nur die Braunkohlekraftwerke Standort-unflexibel. Kernkraft- und Steinkohlekraftwerke wurden so im Land verteilt, dass der benötigte Netzausbau minimal war. Jetzt bekommt man erneuerbare Erzeuger, die zwar dezentral aufgestellt werden müssen, aber wetterbedingt weiträumig ausfallen oder überproduzieren. Entsprechend brauchen wir in Zukunft neben einer teuren Zwischenspeicherung auch einen (preiswerteren) weiträumigen Ausgleich, sprich Netzausbau. Natürlich kann der dann auch von den ehemaligen Erzeugern genutzt werden. Aber die reduziert man nicht dadurch, dass man etwas unterbindet, was man eigentlich braucht, sondern dadurch, dass man ihr Erzeugnis mit den Kosten belegt, die es verursacht, also einer CO2-Steuer. Eine CO2-Steuer wiederum führt zu einem Vorteil für die aus anderen Gründen ungeliebte Kernkraft. Aber der Kampf gegen die deutschen Kernkraftwerke scheint ja gewonnen zu sein (wenn nicht AfD und FdP eine „große Koalition“ bilden), die französischen KKW sollen auch nicht mehr gefördert sondern reduziert werden. In anderen Ländern wie Tschechien ist noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Am besten wäre es, wenn das auch über die Kostenschiene (für die Endlagerung) gelänge, aber da noch niemand weiß, was die kosten wird, stochert man da noch mit der Stange im Nebel.
Ich finde Polemiken gegen den Netzausbau völlig sinnlos, denn wir werden ihn brauchen. Sinnvoller ist es, den von Frau Peters angemahnten Ausbau von Speichern genauso schnell anzugehen. Speicher brauchen wir genauso, und sie sind schneller zu realisieren, als tausende Kilometer Stromleitungen.