Ein Konflikt bei Solar-Stecker-Modulen besteht nach wie vor

Teilen

In der Presse, auch bei uns, war oft zu lesen, dass Photovoltaik-Steckermodule nun erlaubt seien. Stimmt das?

Andreas Habermehl (Foto): Wir nennen diese Module steckerfertige Photovoltaik-Systeme und meinen damit zum Beispiel die Module, die man an den Balkon montieren und mit einem Stecker anschließen kann. Unser Ziel war es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, solche Produkte an der elektrischen Anlage sicher betreiben zu können. Wir haben deshalb an der Erarbeitung einer Norm mitgewirkt, die als technische Regel diese Voraussetzungen beschreibt. Diese Voraussetzungen stehen in VDE 0100-551-1, die im Mai 2018 neu erschienen ist.

Bei den Voraussetzungen gehen die Interpretationen vermutlich gerade etwas auseinander. Man konnte oft lesen, dass man diese Module kaufen und in die normale Steckdose einstecken darf. Der Auffassung sind Sie ja nicht. Richtig?

Es ist normativ nicht zugelassen, mit einem normalen Schuko-Stecker das Gerät in eine vorhandene Steckdose einzustecken und zu betreiben. Die Norm fordert eine spezielle Energiesteckvorrichtung. Das hat auch seine Gründe. Der Betrieb solcher Module über einen Schuko-Stecker birgt erhebliche Gefahren. Wir warnen davor und haben gleichzeitig mitgeholfen zu beschreiben, wie man den Betrieb sicher machen kann.

In der Norm steht, dass das Modul „über eine spezielle Energiesteckvorrichtung zum Beispiel nach Vornorm VDE V 0628‐1“ angeschlossen werden muss. Dort wird auf den Wieland-Steckverbinder Bezug genommen. Das „zum Beispiel“ wird gerne so interpretiert, dass man auch eine andere Energiesteckvorrichtung nehmen könnte.

Es ist möglich eine andere Steckverbindung zu verwenden, die die Anforderungen der Norm erfüllt. Ein Schuko-Stecker mit blanken Kontakten ist normativ jedoch nicht zulässig.

Sie beziehen sich auf die parallel diskutierte Steckervornorm VDE V 0628‐1. Steht darin, dass er berührungssicher sein muss?

Auch dort steht, dass die Steckverbindung berührungssicher und verwechslungssicher sein muss. Ein Beispiel ist eben der Wieland-Stecker.

Ein anderer Punkt, der oft diskutiert wird, ist der Anschluss an den Endstromkreis. Was ist diesbezüglich in der VDE 0100-551-1 vom Mai 2018 wirklich neu?

Es ist grundsätzlich neu geregelt, dass der Endstromkreis unter besonderen Bedingungen für die Einspeisung zugelassen ist. Das war vorher nicht der Fall. Bisher musste ein separater Stromkreis installiert werden, der separat abgesichert war. Mit der Neuausgabe der Norm ist es in Deutschland möglich, einen vorhandenen Stromkreis mit einer Steckdose zu verwenden, eben zum Beispiel am Balkon. Eine der Bedingungen ist, dass die vorhandene Steckdose von einer Elektrofachkraft gegen eine spezielle Energiesteckvorrichtung ausgetauscht werden muss. Zusätzlich muss dann nach Prüfung des Stromkreises unter Umständen die Sicherung reduziert werden, um die Überlastung der Leitung zu verhindern. Es wäre beispielsweise möglich, eine vorhandene 16-Ampère-Sicherung von einer Elektrofachkraft gegen 13 oder 10 Ampère austauschen zu lassen. Dadurch entsteht eine Reserve und das Modul kann an diesem Endstromreis betrieben werden.

Es muss nach dieser Lesart gemäß der Norm also jemand prüfen, ob dieser Endstromkreis ertüchtigt werden kann, so dass auch mit dem zusätzlichen Einspeiser die Sicherheit gewährleistet ist. Das kann der Verbraucher nicht. Man hat den Eindruck, in Deutschland tut man sich bei den Modulen besonders schwer. In Österreich und in den Niederlanden, so heißt es, sei der Gebrauch legal und einfacher. Warum sehen die Nachbarn das so unterschiedlich?

Die Norm gilt grundsätzlich in ganz Europa, also auch in Österreich und den Niederlanden. In den Niederlanden war es bis vor kurzem möglich, die steckerfertigen PV-Module an einem Endstromkreis ohne weitere Vorkehrungen zu betreiben. Der Hintergrund war, dass man in den Niederlanden für 16-Ampère-Steckdosen-Stromkreise Leitungen mit einem Querschnitt von 2,5 Quadratmillimeter verlegt hat. Wir in Deutschland verlegen für Steckdosenstromkreise Leitungen mit einem Querschnitt von 1,5 Quadratmillimeter. In den Niederlanden hatte man bei dem 16-Ampère-Stromkreis also bisher eine Reserve, was die Leitungsbelastung betrifft. In Österreich sichert man die 1,5-Quadratmillimeter-Leitungen üblicherweise mit 13 Ampère ab. Da gibt es also ebenfalls eine Reserve. Ein weiterer Punkt betrifft die Messung der eingespeisten Energie. In Österreich sind dazu schon überwiegend sogenannte Zweirichtungszähler vorhanden. Im Falle einer Rückeinspeisung kann dieser die Energie, die ins das Netz fließt, messen.

Die DGS Berlin Brandenburg, das PI Berlin und die HTW Berlin haben ja eine Untersuchung veröffentlicht, wie stark sich Leitungen durch zusätzliche Module im Endstromkreis maximal erwärmen. Das wesentliche Ziel ist ja nicht, eine bestimmte Amperezahl einzuhalten, sondern zu verhindern, dass sich Leitungen stärker erwärmen als erlaubt. Wie interpretieren Sie die Untersuchung?

Diese Untersuchung kann ich nicht ohne weiteres bewerten, da ich daran nicht beteiligt war. Bei unserer Betrachtung war maßgeblich, dass eine Sicherheitsnorm Gefahren weitestgehend ausschließen muss. Dazu gehören zum Beispiel drohende Überlastungen. Zu unserer Verantwortung gehört es dabei auch, extreme Umstände mit zu berücksichtigen, um einen maximalen Schutz zu gewähren. Dabei ist uns bewusst, dass es absolute Sicherheit nicht geben kann und dass es sich bei den Anforderungen immer um eine Abwägung handelt. Wir haben meiner Ansicht nach einen angemessenen Weg gefunden, Risiken durch Überlastungen und gefährliche Berührungen zu minimieren.

Die Autoren sagen, sie haben die schlechtesten vorstellbaren Bedingungen angenommen, also eine besonders schlechte Leitung. Diese wurde zwischen Styroporplatten gemessen, als ob die Wand keine Wärme abführen würde. Also die schlechteste vorstellbare Wand. Sie gehen davon aus, dass es in der Realität trotzdem noch schlimmer kommen kann?

Wir können in einer Sicherheitsbetrachtung nicht nur von standardisierten Bedingungen ausgehen, sondern müssen auch Faktoren berücksichtigen, die nicht kalkulierbar sind. Dazu gehört auch der unvorhersehbare Fehlgebrauch durch den Nutzer, der zum Beispiel in eine Überlastung münden kann.

Die Voraussetzung ist natürlich, dass er sich daran hält, maximal ein oder zwei Module einzustecken, wie die Autoren der Studie schlussfolgern.

Genau. Sie können jedoch nicht vollständig vorhersehen, was der Anlagenbetreiber in seinem Endstromkreis alles einstecken wird. Wir müssen deshalb immer von extremen Umständen ausgehen, wenn wir eine möglichst hohe Sicherheit gewährleisten wollen.

Sie haben schon erwähnt, dass ein herkömmlicher Zähler nicht zugelassen ist, auch wenn er eine Rücklaufsperre hat. Sie sagen auch: „Die Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 forderte schon immer eine Messung für Photovoltaik-Anlagen und im Modus Eigenverbrauch ist der saldierende Zweirichtungszähler gefordert“. Dann ist das also unabhängig von der Novelle, die gerade im Notifizierungsverfahren ist. Wenn man sein Modul so betreibt, dass es auf gar keinen Fall einspeisen kann, würde das die Norm erfüllen, ohne dass man den Zähler tauschen müsste?

In der Anwendungsregel ist festgelegt, dass bei allen Erzeugungsanlagen, die am Niederspannungsnetz angeschlossen sind, sichergestellt sein muss, dass die Energie, die ins Netz fließt, messtechnisch erfasst wird. Wenn eine PV-Anlage netzgeführt ist- und das betrifft in Deutschland fast alle Erzeugungsanlagen, also auch die steckerfertigen PV-Systeme, dann ist es immer möglich, dass Leistung in das Netz des Netzbetreibers abgegeben wird. Dies muss mit einem Zweirichtungszähler erfasst werden.

Indielux hat gerade eine Pressemeldung zu einem Produkt veröffentlicht. Das Unternehmen hat es Sicherheitssystem getauft. Es misst den Strom am Netzanschlusspunkt und regelt das Modul so, dass keine Leistung ins Netz fließen kann. Infolge dessen bräuchte man keinen Zweirichtungszähler. Kann das funktionieren?

Der Nachweis, dass keine Energie in das Netz des Netzbetreibers fließt, muss am Netzübergabepunkt, also am Zählerplatz, mit einer geeichten Messeinrichtung geführt werden. Ich sehe daher keine andere Möglichkeit, als einen geeichten Zweirichtungszähler einzubauen.

Hersteller bringen Produkte auf den Markt und erklären, dass man sie als  Verbraucher unter bestimmten Bedingungen normgerecht nutzen darf. So wie jetzt zum Beispiel Indielux mit dem Sicherheitsmanager. Vom Verbraucher kann man ja nicht erwarten, dass er die Normen alle durchliest und versteht. Der Verbraucher kauft also das Produkt und schließt es an. Was passiert dann im schlimmsten Fall?

Es ist aus unserer Sicht absolut richtig, dass ein Endverbraucher die komplexen technischen Zusammenhänge nicht beurteilen kann. Deshalb haben wir eine Norm geschaffen, die sich an Fachleute richtet und fordern auch die Inbetriebnahme der Einspeisestromkreise ausschließlich durch Fachleute. Wenn dann die technischen Rahmenbedingungen geschaffen wurden, kann der Endkunde sein steckerfertiges PV-System unkompliziert und sicher betreiben. Wenn die Sicherheit nicht vorab hergestellt wird, bestehen erhebliche Gefahren.  Hersteller stehen aus unserer Sicht in der Verantwortung sichere Produkte und die sichere sowie rechtskonforme Anwendung zu gewährleisten. Dazu gehört auch, den potentiellen Käufer über den richtigen Umgang mit dem Produkt aufzuklären. Im Falle der steckerfertigen PV-Systeme bedeutet dies bereits beim Kauf angemessen und verständlich darauf hinzuweisen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das steckerfertige PV-System sicher zu betreiben. Maßgeblich ist dafür aus unserer Sicht die bereits oben beschriebene Norm.

Der Konflikt geht ja darum: Schafft man es, eine Lösung zu finden, dass ohne große Hürden die Stecker-Module verwenden können. Geht das, ohne dass ein Elektrohandwerker kommen muss?

Die Lösung haben wir geschaffen.

Wenn ich eine Einspeisesteckdose habe?

Ja. Bei Neubauten habe ich immer die Möglichkeit, dass ich dort grundsätzlich eine Energiesteckdose vorsehe und ein Zweirichtungszähler eingebaut ist. Da kann der Laie ein steckerfertiges PV-System kaufen und benutzen.

Was kostet es, wenn ich im Altbau ohne Energiesteckdose einen Elektrohandwerker kommen lasse, um die Steckdose auf dem Balkon auszutauschen und die Absicherung gegebenenfalls anzupassen? 200 bis 300 Euro?

Das ist schon relativ hoch gegriffen. Um die Sicherung auszutauschen und die Steckdose einzubauen, geht man üblicherweise von zwei Stunden Arbeit aus.

In Europa brauche ich ein CE Zeichen, wenn ich ein Produkt auf den Markt bringe. Das ist eine Selbsterklärung. Was bedeutet das für die Stecker-Solargeräte?

Das CE-Kennzeichen sagt aus, dass bestimmte europäische Regulierungen eingehalten wurden. Das zielt in erster Linie auf die Warenverkehrsfreiheit ab. Das CE-Kennzeichen ist deshalb per se kein Sicherheitskennzeichen. Gleichwohl ist Voraussetzung für eine CE-Kennzeichnung häufig auch die Einhaltung von Produktnormen, die bestimmte Sicherheitsanforderungen beschreiben können. Man muss dazu jedoch wissen, dass es für das Gesamtprodukt des steckerfertigen Solarmoduls noch keine Produktnorm gibt, sondern nur für die einzelnen Komponenten. Die fehlende Produktnorm für steckerfertige Solarmodule bedeutet nun aber andersherum nicht, dass der Hersteller unsichere Produkte auf den Markt bringen darf. Es muss die Sicherheit dann eigenständig gewährleisten und trägt dafür allein die Verantwortung. Normen können den Vorteil bieten, dass bei deren Einhaltung vermutet wird, technisch richtig vorgegangen zu sein. Die fehlende Produktnorm ist deshalb aus meiner Sicht eines der Probleme, dass die Hersteller angehen sollten.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Batteriespeicherkraftwerk, Windkraft
Sechs Vorhersagen für die Batterieindustrie 2025
20 Dezember 2024 Trotz volatiler Märkte steigt der Ausbau von Energiespeichersystemen, auch durch mehr Planungssicherheit dank Garantien.