Solarindustrie in China wird immer riesiger, Deutschland fast völlig abgehängt

Hans-Josef Fell

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Der ungebrochene rasante weltweite Aufschwung der Solarenergie spiegelte sich auch auf der Shanghaier Solarenergie Messe (SNEC) 2018 wieder Auf über 200.000 m² Ausstellungsfläche stellten über 1.800 Solarfirmen ihre immer innovativer werdenden Produkte aus. Dimensionen für die Solarindustrie, die man sich in Deutschland gar nicht mehr vorstellen kann. Damit ist die weltweit führende Solarmesse schon etwa halb so groß wie die Hannover Messe, die als größte Industriemesse der Welt gilt und die ja alle Industrien der Welt beherbergt. Somit ist klar, dass sich die Solarindustrie zu einem der wichtigsten und größten Industriezweige der Welt entwickelt hat.

Große chinesische Konzerne, in der deutschen Öffentlichkeit eher unbekannt, wie CGL, Sumec, LONGi oder BYD beherrschen die großen Ausstellungstände, dort wo vor 10 Jahren noch die großen deutschen Firmen dominierten, wie Solarworld, Q-Cells, Solarfabrik und Conergy. Sie sind entweder in Insolvenz, von asiatischen Firmen aufgekauft oder im globalen Maßstab unbedeutend geworden. So findet man nur noch wenig deutsche Präsenz auf der weltgrößten Solarmesse, zumindest was die Solarzellen und Modulhersteller betrifft. Im Qualitätsmanagement, beim Maschinenbau oder bei Forschung und Entwicklung haben deutsche Akteure durchaus noch eine große Bedeutung, so wie der TÜV Rheinland, der inzwischen eine große chinesische Niederlassung hat.

Doch das große Solargeschäft ist wegen der seit 10 Jahren immer restriktiver gewordenen Antisolarpolitik der Bundesregierungen geführt von Union, SPD und FDP vor allem nach China abgewandert.

Hintergrund ist das weitere stürmische Wachstum des chinesischen Photovoltaikmarktes. So wurden nach Angaben von Frank Haugwitz von der asiatisch-europäischen Solar-Beratungsfirma AECEA alleine im ersten Quartal 2018 in China 9,65 Gigawatt (GW) Photovoltaik neu zugebaut. Ein Wachstum von 22% gegenüber dem Vorjahresquartal.

Bemerkenswert ist, dass sich das Investitionsvolumen in China immer mehr hin zu kleineren, dezentralen Investitionen verschiebt, die politisch gewollt um 217% auf 7,68 GW angewachsen sind, wobei die Investitionen in sehr großen Freiflächenanlagen um 68% auf aber immer noch sehr respektable 1,97 GW geschrumpft sind. Insgesamt erwartet AECEA für 2018 einen chinesischen Markt von 40 – 45 GW PV-Investitionen. Was in etwa der gesamten in Deutschland installierten Leistung entspricht.

Auffallend ist beim Rundgang auf der Messe, dass fast alle Firmen mit viel Grün bei ihren Freiflächeninvestitionen werben. Die Doppelnutzung von der Fläche, mit Ackerbau, Gemüseanbau artgerechter Tierhaltung, Fischzucht unter den Modulflächen scheint sich durchzusetzen. Betont wurde oft der Hitzeschutz der Landarbeiter auf den Feldern vor der hohen Solarstrahlung durch die schattenspendenden Module.

In meiner Eröffnungsrede auf der Versammlung der globalen Solarverbände auf der SNEC betonte ich erneut die doppelte Klimaschutzwirkung der Agro-PV, da sie neben der emissionsfreien Stromerzeugung auch Kohlenstoffsenken durch die Begrünungen unter den Modulen schafft.

Am Vorabend der SNEC trafen sich unter der Organisation von Tomasz Sluzars auf der Gala von SOLAR FUTURE.TODAY erneut viele Manager, Medienvertreter, Künstler, Politiker und Finanziers der Solarwirtschaft im traditionsreichen Roosevelt House in Shanghai. Als Preisträger des letzten Jahres durfte ich die diesjährigen Gewinner des World Solar Influencer Award 2018 auszeichnen: Mi Yue, Gründerin und Managerin der SNEC, Martin Green, Solarforscher von der University of New South Wales in Sydney und Ruslana, die Eurovision Song Contest Gewinnerin 2004 für ihren großen Kampagneneinsatz für die Erneuerbaren Energien als Friedensenergie.

Kanzlerin Merkel wäre bei ihrem Chinabesuch letzter Woche gut beraten gewesen auch die SNEC in Shanghai zu besuchen. Dort hätte sie erkennen können, welchen dramatischen industriepolitischen Fehler Deutschland unter ihren Regierungen begangen hat, als die industrielle Führerschaft Deutschlands in der Solarwirtschaft mit ihrer Antisolarpolitik aktiv nach China verjagt wurde. Die ehemals gerade in der ostdeutschen Braunkohleregion aufblühenden Solarfabriken in Frankfurt/Oder, Bitterfeld oder Freiberg wären dann nicht Geschichte, sondern exakt die Basis für den vielgesuchten Strukturwandel beim notwendigen Schließen der Braunkohlewirtschaft. China hat dies verstanden und setzt genau auf diesen Strukturwandel weg von der Kohle und hin zu Erneuerbaren Energien.

Seit 2010 hatte ich in meinen Bundestagsreden davor gewarnt, dass Deutschland mit der Antisolarpolitik von Merkel, Rösler, Gabriel und EU-Kommissar Oettinger die industrielle Führerschaft für eine der größten Industriezweige verlieren wird. Leider haben BDI, BDEW, IG BCE, sowie Medien wie Bild, FAZ, Spiegel, Die Welt unter der Kampagnenführung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mit ihrem selbst heute nicht beendeten, unentwegten Bashing gegen die Solarenergie als Kostentreiber dazu beigetragen, dass meine Warnungen Wirklichkeit wurden. Ihnen allen würde ich raten wenigstens nächstes Jahr nach Shanghai auf die SNEC zu fahren um zu erkennen, welchen industriellen Bärendienst sie Deutschland erwiesen haben und weiter unbelehrbar erweisen.

Hier eine Auswahl meiner warnenden Bundestagsreden:
https://www.hans-josef-fell.de/content/index.php/dokumente/reden/362-bundestagsrede-zum-eeg-25032010/file https://www.hans-josef-fell.de/content/index.php/dokumente/reden/514-bundestagsrede-hans-josef-fell-24022011-nutzung-erneuerbarer-energien/file https://www.hans-josef-fell.de/content/index.php/dokumente/reden/677-bundestagsrede-09032012-solarkuerzungen/file

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

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