Mit angezogener Handbremse und verbundenen Augen!

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Kann man der Allianz aus Politik und großen Energie- und Automobilkonzernen wirklich noch glauben, dass sie es mit dem Klimaschutz ernst meint? Kann man das Schicksal von Umwelt und Menschheit wirklich denen überlassen, die seit Jahrzehnten durch Blockadehaltung, Verharmlosung oder dummdreistem Nichtstun bewiesen haben, dass sie an einem echten Richtungswechsel weder Interesse haben, noch dazu fähig sind? Es scheint noch immer zu viele unter uns zu geben, die den hohlen Phrasen der vermeintlichen Klimaretter in den Regierungen und Lobbyverbänden Glauben schenken und darauf vertrauen, dass „die da oben“ schon wissen, was sie tun und es schlussendlich richten werden. Die Realität beweist aber doch laufend das Gegenteil! Es werden, um Zustimmung zu erhalten und die Wählerschaft zu beruhigen, – meist erst nach zähem Ringen in der eigenen Partei oder der Regierungskoalition, – ambitionierte Ziele verkündet, denen dann aber keine adäquaten Umsetzungsbemühungen folgen. Lächerlicherweise wird an vielen Zielen auch dann noch festgehalten, wenn deren Erreichen schon völlig unrealistisch geworden ist.

Beispiel Elektromobilität: Zumindest im letzten Wahlkampf wurde am dem 2008 von der deutschen Bundesregierung ausgegebenen Ziel, ein Million Elektroautos bis 2020 auf die Straße zu bringen, noch festgehalten. Getan wurde dafür die vergangenen zehn Jahren so gut wie nichts, zumindest nichts Sinnvolles. Es fehlt nach einer Dekade noch immer das Wichtigste für ein Gelingen, nämlich eine flächendeckende und funktionierende Ladeinfrastruktur. Die lächerliche Kaufprämie musste ja ungenutzt verpuffen, solange die Bewältigung größerer Fahrstrecken für E-Autofahrer immer noch ein unzumutbares Abenteuer ist. Die wenigen existierenden Ladesäulen sind in großen Teilen durch private und privatwirtschaftliche Initiativen errichtet worden und zeichnen sich durch eine Vielfalt unterschiedlicher Normen und Abrechnungssysteme aus. Wollte man das gesteckte Ziel tatsächlich noch erreichen, müssten in den kommenden 1,5 Jahren noch weitere 850.000 Elektroautos neu zugelassen werden, was bei Lieferzeiten von 6 bis 24 Monaten schon rein aus Verfügbarkeitsgründen völlig ausgeschlossen ist.

Beispiel Ausbau erneuerbarer Energien: Die noch vor sechs bis acht Jahren sehr positive Entwicklung innerhalb Europas wurde durch eine immer absurder werdende Abfolge von Hürden und Einschränkungen massiv ausgebremst. Mit Mindestimportpreisen, Steuererhebungen, sowie drastischer Kürzung, Wegfall oder sogar rückwirkender Änderung von Fördermaßnahmen seien hier nur einige Faktoren genannt, die das Investitionsklima für Projekte mit erneuerbaren Energien in Europa massiv verschlechtert haben. Dennoch konnte sich Photovoltaik europa- und weltweit zur preiswertesten Energiequelle entwickeln. Doch anstatt konsequent auf den schnellen Ausbau zu setzen, begann ein unsägliches Ringen um den Ausbau überregionaler Stromtrassen, die bei intelligenterem Management von Energieerzeugung und -bedarf, sowie gezielter Integration von Heim- und Großspeichern überhaupt nicht in der aufgezeigten Form und Größe benötigt werden. Hier kann man nur hoffen, dass sich der Trassenbau noch so lange verzögert, bis sich das Problem von selbst erledigt hat.

Beispiel Klimaschutzziele: Der nationale Klimaschutzplan sah bisher eine Reduktion der Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 vor. Seit einiger Zeit stagniert der CO2-Ausstoß allerdings oder steigt sogar wieder leicht an. Unter großem Entsetzen der Öffentlichkeit wurde dieses Ziel jedoch im letzten Jahr durch die amtierende Regierung aufgegeben – zugunsten einer weniger ambitionierten Marke, nämlich der Reduktion um 55 Prozent bis 2030. Die für das Erreichen der alten oder neuen Reduktionsziele notwendigen Technologien werden jedoch konsequent ausgebremst und kleingehalten. Die Rücksichtnahme auf Großkonzerne und bestehende fossil-atomare Versorgungstrukturen steigert sich ins schier Unermessliche, um ihnen Zeit zu geben, sich in ihrer schneckengleichen Geschwindigkeit an die neuen Verhältnisse und Gegebenheiten anzupassen. Doch diese Zeit haben wir nicht mehr! Das meint auch die in Umweltdingen eher weniger aufgeschlossene EU-Kommission und reichte kürzlich Klage gegen Deutschland und einige weitere europäische Länder wegen unzureichender Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung in Innenstädten ein – was für eine Blamage!

Laut einer Studie von IRENA, der 2010 gegründeten International Renewable Energy Agency, kann die globale Energiewende bis 2050 zwar erreicht werden, aber nur unter der Voraussetzung, dass Wind- und Sonnenenergie sechsmal so schnell ausgebaut werden, Häuser dreimal so schnell energetisch saniert werden und in die Nutzung von Ökostrom allgemein 30 Prozent mehr Geld investiert wird als bisher. Mit den bis dato geplanten, beziehungsweise veröffentlichten Maßnahmen wie Sonderausschreibungen oder Kaufprämien für Speicher oder Elektroautos ist so etwas jedoch niemals zu erreichen. Gleichzeitig steigen international die Militärausgaben und Kosten für Grenzsicherungsmaßnahmen, anstatt die Ursachen der anwachsenden Flüchtlingsströme zu bekämpfen und Armut und Ausbeutung in den Herkunftsländern zu stoppen. Reichlich Geld scheint vorhanden zu sein, es wird nur konsequent in die falschen Kanäle geleitet.

Das Fazit ist glasklar: die Energiewende kann nicht von oben umgesetzt werden, sondern muss von unten in Angriff genommen werden. Nicht-Regierungsorganisationen (NGO), privatwirtschaftliche Initiativen mittelständischer Unternehmen sowie der Verbraucher selbst müssen in nie gekanntem Ausmaß aktiv werden – hierbei ist Kompromisslosigkeit und vor allem Mut gefragt, dabei nicht immer regelkonform vorzugehen. Boykottieren bestimmter Produkte von Konzernen, die Menschenrechte und Umweltschutz missachten, ist ein kleiner aber effektiver Schritt. Begrüßenswert auch die Initiative eines Lebensmitteldiscounters, alle Produkte aus den Regalen zu nehmen, die ohne die Hilfe von Bienen nicht hergestellt werden könnten. Solche Aktionen informieren und rütteln wach!

Es sind in allen Bereichen Pioniere gefragt, die mit dem Ändern ihrer gewohnten Handlungsweisen und Abläufe nicht erst abwarten, bis es von höherer Stelle gefordert wird oder komfortabel ist, sondern hier und jetzt. Stehen wir auf und machen etwas Sinnvolles – produzieren Solaranlagen und verbrauchen den Strom und die Wärme daraus, bauen und fahren effiziente Elektroautos auch außerhalb der großen Ballungszentren, errichten und nutzen die dafür notwendige Infrastruktur, handeln untereinander mit Strom und anderen wichtigen Rohstoffen und – das ist das Wichtigste: üben durch unsere Existenz und unser Handeln maximalen Druck auf Behörden, Politik und konventionelle Wirtschaft aus!

Übersicht der nach Technologie unterschiedenen Preispunkte im Mai 2018 inklusive der Veränderungen zum Vormonat:

ModulklassePreis (€/Wp)Veränderung
ggü. Vormonat
Beschreibung
High Efficiency0,43– 2,3 %Kristalline Module ab 285 Wp, mit Cello-, PERC-, HIT-, N-Type- oder Rückseitenkontakt-Zellen oder Kombinationen daraus
All Black0,46  0,0 %Modultypen mit schwarzer Rückseitenfolie, schwarzem Rahmen und einer Nennleistung  zwischen 200 Wp und 320 Wp
Mainstream0,34– 2,9 %Module mit üblicherweise 60-Zellen, Standard-Alurahmen, weißer Rückseitenfolie und 260 Wp bis 280 Wp – sie repräsentieren den Großteil der Module im Markt
Low Cost0,24– 4,0 %Minderleistungsmodule, B-Ware, Insolvenzware, Gebrauchtmodule (kristallin), Produkte mit eingeschränkter oder ohne Garantie

(Die dargestellten Preise geben die durchschnittlichen Angebotspreise für verzollte Ware auf dem europäischen Spotmarkt wieder, Stand 21.05.2018.)

 

— Der Autor Martin Schachinger beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema Photovoltaik und Regenerativen Energien im Allgemeinen. Er ist innerhalb der Photovoltaik-Branche bestens vernetzt, was nicht zuletzt auf sein kontinuierliches Engagement für die internationale Online-Handelsplattform für Solarkomponenten www.pvXchange.com zurückzuführen ist, welche er 2004 zusammen mit zwei Partnern ins Leben rief. Dort wird ein breites Spektrum an Markenprodukten, Neu- und Gebrauchtware mit unterschiedlichsten Spezifikationen angeboten.—

 

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.

 

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