Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat in dem Projekt „CheapFlex“ eine dynamische Stromtarifierung auf Basis der Rundsteuertechnik entwickelt. Dabei werden über das regionale Stromnetz Börsenstrompreise mittels Tarifschaltzeiten an Endverbraucher und dezentrale Erzeuger gesendet und somit ein systemdienliches Verhalten angeregt“, wie das Freiburger Institut am Freitag mitteilte. Ziel sei die maximale Flexibilisierung von steuerbaren Lasten und Erzeugern im Sinne eines Smart Grids – und dabei eine kostengünstige Alternative zu Smart Metern.
„Die von uns genutzte Rundsteuertechnologie ist eine seit mehr als 100 Jahren bewährte, robuste und sichere Basistechnologie zur Steuerung von Verteilnetzen, die heute auf Basis von preiswerten Mikroprozessor-Empfängern gefertigt wird“, sagt Christof Wittwer, Abteilungsleiter Intersektorale Energiesysteme und Netzintegration am Fraunhofer ISE. In ihrem neuen Einsatzgebiet würde der Netzbetreiber Steuerungsdaten im Ton-Frequenzbereich von etwa 110 bis 2000 Hertz über das Verteilnetz aussenden. Beim Verbraucher wiederum stelle ein vorgeschalteter Rundsteuerempfänger die Steuerbefehle vor Ort zur Verfügung. So könne der Netzbetreiber Verbrauchs- und Erneuerbaren-Anlagen fernsteuern.
Der Netzbetreiber sendet bei dem Forschungsprojekt die entsprechenden Informationen zum „Day-Ahead“-Börsenstrompreises und dem erwartete Verbraucherverhalten – die Versorger können auf dieser Basis die dynamischen Stromtarife festlegen. „Um das System möglichst einfach zu halten, senden die Netzbetreiber für dezentrale Erzeuger und Verbraucher als Information entweder Hochtarif oder Niedertarif aus“, erklärt Wittwer auf Nachfrage von pv magazine. Über den Tag verteilt sollen diese Phasen jedoch nicht permanent umspringen, sondern sich maximal auf drei bis vier Blöcke verteilen.
Die Netzleitwarte sendet am Vorabend Rundsteuertelegramme mit dem Tarifprogramm, das auf einem vom Projektpartner Swistec entwickelten Impuls-Protokoll fußt. Die Rundsteuerempfänger würden dabei die Schaltzeiten des Tarifs lokal abspeichern und sie per standardisiertem Leittechnikprotokoll IEC-60870 dem Energiemanagementsystem zur Verfügung stellen. Die Erzeuger würden dann bei Hochtarif einspeisen, flexible Verbraucher in dieser Phase ihre Last verschieben.
Das dafür nötige Energiemanagement entwickelte das Fraunhofer ISE demnach auf Basis der eigenen Plattform „OpenMUC“. Damit würde anhand des Tarifplans und der lokalen Prognose für Last und Photovoltaik-Ertrag die optimale Betriebsführung von Verbrauchern und dezentralen Erzeugern herbeigeführt. Dies senke zum einen die Stromrechnung der Endkunden, zum anderen werde durch das gezielte Verschieben von Lasten und Einspeisungen auch die Spitzenlast im Netz reduziert.
Das Fraunhofer ISE hat nach eigenen Angaben das Energiemanagementsystem zunächst in seinem „SmartEnergyLab“ mit einem Mikro-BHKW erprobt. Dabei hätten die Forscher gezeigt, dass der Börsenstrompreis eine gute Bezugsgröße für die Erstellung der Tarifschaltzeiten darstellt, da er stark mit den lokalen Lasten und den überregionalen Lasten anderer Verteilnetze korreliere. In einem späteren Feldtest im Netzgebiet der Stadtwerke Ahaus seien dann weitere Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen dazugekommen, darunter eine Wärmepumpe, ein Nachtspeicher, ein Photovoltaik-Speicher und Elektrofahrzeuge. Die Kunden seien dabei per App über die Tarifschaltzeiten informiert worden, sodass sie ihr Verbrauchsverhalten flexibel anpassen konnten.
Damit der Netzbetreiber bei Bedarf Lasten und Einspeisungen steuern kann, benötigt er Informationen zu Netzzustandswerten wie Spannung, Strom, Phasenwinkel und darauf basierenden Werten. In Verteilnetzen sind dem Fraunhofer ISE zufolge dafür heute kaum Messeinrichtungen vorhanden. Im Projekt „CheapFlex“ sollte daher auch eine ausreichend präzise Netzzustandsschätzung auf Basis weniger Messdaten demonstriert werden.
Die Technische Universität Kaiserslautern entwickelte dafür als Projektpartner ein Verfahren, bei dem davon ausgegangen wird, dass die Verteilung von Haushaltslasten für einzelne Zeitpunkte gut vorhersehbar ist. Im Feldtest wurden die so prognostizierten Spannungs- und Stromwerte mit Referenzmessungen verglichen – die Abweichungen wurden dabei für die Netzführung von Verteilnetzen als vernachlässigbar angesehen. „Ein flächendeckender Rollout von kostenintensiver Messinfrastruktur auf Haushaltsebene ist damit zur Umsetzung des entwickelten Konzepts nicht unbedingt erforderlich«, sagt Wolfram Wellßow, Professor für Energiesysteme und Energiemanagement an der TU Kaiserslautern.
Das Projekt wurde vom Bundeswirtschaftsministerium und vom Projektträger Jülich gefördert.
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