Das Forschungsprojekt „Flex4Energy“ hat untersucht, wie Energiespeicher Engpässe im Netz vermeiden können, die durch eine verstärkte Einspeisung aus erneuerbaren Energien entstehen. Der Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der Hochschule Darmstadt habe dafür einen neuen, regionalen Markplatz entwickelt, über den flexible Verbrauchs- und Einspeiseanlagen intelligent genutzt werden und über den die beteiligten Akteure Nachfrage und Angebote nach geltenden Rechtsvorschriften handeln. Demnach kam der Marktplatz prototypisch im Netzgebiet der Entega in einem Neubaugebiet in Groß-Umstadt zum Einsatz. Ein Batteriespeicher der Firma Ads-Tec mit 100 Kilowatt Leistung und 100 Kilowattstunden Kapazität habe hier als sogenannter Quartierspeicher zur Pufferung der Energieerzeugung der Photovoltaik-Anlagen auf den Hausdächern gedient. Darüber hinaus verfügbare Leistungsreserven habe der Speicher als Flexibilitätspotentiale auf dem neuen Marktplatz anbieten und so zusätzliches Einkommen erwirtschaften können. Diese zusätzliche Nutzung hat sich dabei deutlich weniger auf die Alterung ausgewirkt als erwartet, wie die Projektpartner mitteilten.
Die Ergebnisse des Projekts haben die beteiligten Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen Ende vergangene Woche an der Hochschule Darmstadt vorgestellt. Das vom Bundeswirtschaftsministerium mit drei Millionen Euro geförderte Verbundvorhaben wird von der Storegio GmbH geleitet. Neben der Hochschule Darmstadt, dem regionalen Versorger Entega und dem Batteriehersteller Ads-Tec sind an dem Projekt auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE beteiligt.
„Wir haben während des Projekts Alterungstests durchgeführt und keine signifikante zusätzliche Alterung des Batteriespeichers durch die Zweitnutzung festgestellt“, sagt Projektkoordinator Peter Eckerle, Geschäftsführer der am Projekt beteiligten StoREgio GmbH in Ludwigshafen. „Die Zyklenlebensdauer von modernen Lithium-Ionen-Batterien ist inzwischen so gut, dass sie zusätzliche Nutzungen gut wegstecken können“, sagt Eckerle. Im pv magazine-Interview stellt er weitere Ergebnisse des Projekts vor.
pv magazine: Wie genau hat sich der Marktplatz auf den Betrieb des Batteriespeichers ausgewirkt? Hatten sie dabei einen Referenzspeicher?
Peter Eckerle: In dem Projekt selbst gab es keinen Referenzspeicher. Das war auch nicht nötig, da der Lastgang des Speichers zunächst ohne seinen Betrieb am Marktplatz berechnet wurde, der Speicher also seine eigene Referenz errechnet hat. Zur Erläuterung: In der sogenannten Primäranwendung puffert der Batteriespeicher die Photovoltaik-Erzeugung von den Anlagen der Kunden. Die Prognose dieses Lastgangs wäre der Referenzlastgang. Auf Grundlage dieses Lastgangs wird rollierend berechnet, welche zusätzliche Leistung der Batteriespeicher aufnehmen oder abgeben könnte. Dies stellt die Flexibilität dar, die dann auf dem Marktplatz gehandelt wird. Der Marktplatz hat sich also auf den Betrieb des Speichers dahingehend ausgewirkt, dass er neben der primären Anwendung noch zusätzliche Arbeit verrichtet hat und damit zusätzliche Deckungsbeiträge erwirtschaften konnte.
Welche regulatorischen Anpassungen sind für einen solchen Marktplatz nötig?
Der Plattformbetreiber bietet seine Dienstleistung allen Marktteilnehmern an. Netzbetreiber dürften theoretische heute bereits diese Dienstleistung einkaufen und damit investive Kosten (Anmerkung der Redaktion: für den Netzausbau) durch operative Kosten ersetzen. Hierfür besteht aber noch kein Anreiz, da operative Kosten heute maximal zu 100 Prozent erstattet werden, auf investive Kosten aber eine garantierte Rendite gezahlt wird. Die Regulierung müsste also mindestens eine Gleichwertigkeit von operativen und investiven Kosten in ihrem Eingang in die Netzentgelte herstellen. Der Speicherbetreiber wiederum hat das Problem, dass der Speicher im öffentlichen Netz steht. Gegenüber einem Speicher im Privathaushalt werden damit mindestens einmal Netzentgelte, EEG-Umlage und die daran gekoppelten Abgaben und Gebühren fällig, wenn ein Kunde seinen Strom dort einspeichert und später wieder verbraucht. Zumindest bei der EEG-Umlage stellt sich die Frage, warum der Standort des Speichers hierfür entscheidend ist. Hier müsste der Speicher abhängig von seiner Leistung entweder befreit oder mit reduzierter EEG-Umlage belastet werden. Bei Netzentgelten sollten nur die lokalen Anteile anfallen, da der Strom ja nachweislich in einer engen Lokalität bleibt.
Haben sie ein Fallbeispiel, wie der Marktplatz konkret funktioniert hat?
Nehmen wir als Beispiel einen Netzengpass. Dieser entstünde im Mittelspannungsnetz durch die kombinierte Einspeisung der Windräder und Solaranlagen im zugehörigen Einzugsbereich auf dem Weg zur Umspannanlage für die nächsthöhere Spannungsebene. Dieser Netzengpass kann auf Grundlage der Wetterprognosen und Netztopologie einigermaßen zuverlässig vorhergesagt werden. Für diese Zeit stellt der Netzbetreiber eine Nachfrageorder auf dem Marktplatz mit einer Leistungsnachfrage, die ausreichen würde, den Netzengpass zu vermeiden. Der Handelsalgorithmus auf dem Marktplatz sucht nach passenden Angebotsorders und teilt die Nachfrage entsprechend zu. Zum fraglichen Zeitpunkt entnimmt der Batteriespeicher dann zusätzliche Leistung vor dem Netzengpass aus dem Netz und kann so eine Abregelung der Windräder verhindern. Hier kommt sehr schön die Bedeutung der Lokalität zur Geltung. Dem Netzbetreiber helfen nur Flexibilitäten, die vor dem Netzengpass angeschlossen sind. Um handelseinig zu werden, muss natürlich der Netzbetreiber einen Preis (Opportunitätskosten) geboten haben, der den Vorstellungen des Speicherbetreibers (wirtschaftliche Abnutzung des Speichers) entspricht. Als weiteres Beispiel können wir einen Bilanzkreismanager nehmen. Dieser erkennt aufgrund kurzfristiger Prognoseänderungen, dass sein Fahrplan, den er day-ahead angemeldet hat, vermutlich nicht einzuhalten sein wird. Bisher hat er dann am Intraday-Markt entsprechende Ausgleichsgeschäfte vorgenommen. In Zukunft kann er zusätzlich die Flexibilitätspotenziale auf dem Marktplatz kontrahieren. Liegen die Flexibilitäten in seinem eigenen Bilanzkreis, hat dies noch nicht mal Auswirkungen auf die Fahrpläne anderer Bilanzkreismanager.
Inwieweit hat sich die Aufnahmefähigkeit für erneuerbare Energien auf Verteilnetzebene durch das Projekt verändert?
Dies wird an dem ersten oben geschilderten Beispiel deutlich. Mit weiterem Zubau von Erneuerbaren-Anlagen wird es immer häufiger zu zeitlich begrenzten erzeugungsbedingten Netzengpässen auch im Verteilnetz kommen. Die Kenntnis der Lokalität verfügbarer Flexibilitätspotenziale kann helfen, eine Abregelung zu verhindern und steigert so die Aufnahmefähigkeit für erneuerbare Energien. Um Missverständnisse zu vermeiden: Wenn Netze dauerhaft überlastet sind, hilft auch ein regionaler Flexibilitätsmarkt nicht weiter. Insofern sollten regionale Flexibilitätsmärkte als sinnvolle Ergänzung zum Netzausbau gesehen werden, die den Netzausbau auf ein sinnvolles Maß begrenzen.
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