Unternehmen investieren immer mehr in Energie-Blockchains. Seit dem dritten Quartal des vergangenen Jahres stiegen die Investitionen sprunghaft an und erreichten allein im Januar dieses Jahres über 150 Millionen US-Dollar, wie das Analysehaus GTM Research am Montag mitteilte. Seit dem dritten Quartal 2017 seien insgesamt 300 Millionen US-Dollar investiert worden. 50 neue Unternehmen seien im vergangenen Jahr auf den Markt getreten. 122 Organisationen würden inzwischen an einem Pilotprojekt oder an Blockchain-basierten Produkten oder Dienstleistungen arbeiten.
Meistens würden die Blockchains dabei für den Peer-to-Peer-Energiehandel und dezentrale Energiebörsen entwickelt. „Das Verlockende an der Blockchain ist, dass sie den Versorger in seiner Mittlerrolle abschafft“, sagte Colleen Metelitsa, Grid Edge Analystin und Hauptautorin des Berichts von GTM Research. Doch obwohl der Peer-to-Peer-Handel die meiste Aufmerksamkeit erregt habe, sei er nicht die überzeugendste Anwendung für die Blockchain im Energiebereich. Denn noch ist die dezentrale Technologie Experten zufolge zu langsam und energieintensiv.
Analystin Metelitsa hält stattdessen drei andere Anwendungen schon jetzt technisch und kommerziell für sinnvoll: beim Aufladen von Elektrofahrzeugen (EV), beim Handel mit Renewable Energy Credits (RECs) sowie im Großhandel. „Alle drei Anwendungen sind einfacher und haben nicht die gleichen regulatorischen Barrieren, da sie nicht in direkten Wettbewerb mit den Energieversorgern geraten, zuverlässigen Service zu vernünftigen Kosten zu bieten“, sagte Metelitsa.
Diese kurzfristig möglichen Anwendungen böten stattdessen einen Entwicklungspfad für Blockchain-basierte Lösungen in der Energiewirtschaft. Für größere Anwendungen müsse die Technologie hingegen erst noch beweisen, dass sie die Effizienz steigern oder den Wert wichtiger Plattformlösungen erhöhen kann, sagte Metelitsa.
pv magazine hat GTM-Analystin Colleen Metelitsa zu weiteren Hintergründen der Studie befragt:
Welche vielversprechenden Blockchain-Projekte haben Sie in Deutschland gefunden?
Colleen Metelitsa: In Deutschland gibt es einige spannende Pilotprojekte. Bei dem Projekt von Tennet, Sonnen und IBM werden Hausspeicher im Verteilnetz genutzt, um Netzdienste zur Verfügung zu stellen. Die Blockchain von IBM ermöglicht es Tennet, die verfügbare Flexibilität der Batterien zu sehen, die per Knopfdruck aufgerufen werden kann; die Blockchain zeichnet den Beitrag jeder Batterie auf, nachdem ein Ereignis aufgerufen wurde. Motionwerk hat mit Share & Charge eine Elektroauto-Ladeplattform entwickelt, mit der Haushalte und Unternehmen ihre Ladestationen durch den Verkauf von Dienstleistungen an Fremde monetarisieren können. Die Blockchain ermöglicht es durch einen intelligenten Vertrag, den Preis festzulegen, die Ladestation zu starten und die Zahlung zu tätigen, wenn die Ladung abgeschlossen ist. LO3 wird dort zwei Pilotprojekte starten, die es Verbrauchern ermöglichen soll, Strom auf dem Großhandelsmarkt zu verkaufen.
Welche regulatorischen Hürden sehen sie im Peer-to-Peer-Handel?
Diese gibt es in vielen Märkten, insbesondere in den USA. In Deutschland hängt die Einschränkung des Peer-to-Peer-Handels jedoch weitgehend damit zusammen, dass es keine Mechanismen für die Preisbildung an den Standorten gibt. Warum würde ich Strom vom Nachbar kaufen, wenn er genauso viel oder mehr kostet als am normalen Markt. Wenn die Preise jedoch die Überlastung oder Nutzung der Netze widerspiegeln, könnte der Kauf vor Ort billiger sein. Diese Preisunterschiede erfordern regulatorische Änderungen.
Wie unterscheidet sich der Einsatz einer Blockchain beim Peer-to-Peer-Handel und beispielsweise bei der Beladung von Elektroautos?
Der Hauptgrund liegt in der Anzahl der Handelsgeschäfte. Die Ladung von Elektroautos erfordert nicht viele Transaktionen, die schnell erfolgen müssen. Die relativ geringe Anzahl von Transaktionen pro Sekunde können von Blockchains wie zum Beispiel Ethereum bewältigt werden, sie liegt bei ein paar Dutzend pro Sekunde. Einige zugelassene Blockchains wie die Plattform der Energy Web Foundation schaffen Hunderte oder gar Tausende Transaktionen pro Sekunde. Diese könnten in der Lage sein, einige Peer-to-Peer-Handelsvolumina zu händeln. Dazu kommt aber, dass für die Blockchain-Knoten physischen Objekte installiert werden müssen. Dies ist einfacher in Autos und Ladestationen als in allen Haushalten, um so den Peer-to-Peer-Handel zu ermöglichen.
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