pv magazine: Im Moment ist viel von „sonstigen baulichen Anlagen“ die Rede. Was genau ist denn eine solche bauliche Anlage im Sinne des EEG?
Bettina Hennig: Im EEG selbst ist der Begriff der baulichen Anlage nicht definiert. Daher greift man hier auf das Baurecht zurück. Paragraph 2, Absatz 1 der Musterbauordnung enthält eine entsprechende Definition der baulichen Anlage. Diese ist sehr weitgehend und umfasst – vereinfacht gesagt – alle aus Bauprodukten hergestellten Anlagen und Flächenveränderungen. Zudem werden mehrere Spezialfälle in der Regelung genannt, bei denen es sich ebenfalls um bauliche Anlagen handelt, zum Beispiel bei Aufschüttungen, Abgrabungen, Lagerplätze, KfZ-Stellplätze oder Sportflächen.
Wieso ist diese baurechtliche Einordnung für die EEG-Förderung wichtig?
Im EEG sind für die Solarförderung drei verschiedene Anlagen-Kategorien wichtig: Das sind die Solaranlagen auf Gebäuden, also klassische Dachanlagen, dann die Freiflächenanlagen und zuletzt noch die Solaranlagen auf sonstigen baulichen Anlagen. Für diese drei Anlagenkategorien gelten teilweise ganz unterschiedliche Regelungen. Man muss also immer im ersten Schritt fragen, mit welchem Anlagentyp man es zu tun hat. Dann kann man sich die Regelungen im EEG zusammensuchen, die für die jeweilige Anlage gelten. Das wirkt sich zum Beispiel bei der Größenbegrenzung für die Förderfähigkeit, bei der Anlagenzusammenfassung oder bei den speziellen Fördervoraussetzungen aus.
Und wie grenzt man die drei Anlagentypen voneinander ab?
Der Unterschied zwischen einem Gebäude und einer sonstigen baulichen Anlage ergibt sich aus dem Zweck: Ein Gebäude im Sinne des EEG ist eine selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlage, die von Menschen betreten werden kann und vorrangig dazu bestimmt ist, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Freiflächenanlagen wiederum sind Solaranlagen, die nicht auf Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen errichtet wurden. Das bedeutet, dass zum Beispiel eine Solaranlage auf einer baulichen Anlage stehen kann, die umgangssprachlich aber durchaus als Freiflächenanlage bezeichnet wird – weil die bauliche Anlage zum Beispiel eine asphaltierte Bodenplatte ist, die man auf den ersten Blick gar nicht sieht.
Was unterscheidet eine bauliche Anlage von einer Konversionsfläche?
Die Einordnung als Konversionsfläche oder beispielsweise auch als versiegelte oder Gewerbegebietsfläche hat erst einmal keine Auswirkung auf die Einordnung in die oben genannten Anlagenkategorien. So ist etwa nicht jede Photovoltaik-Anlage auf einer Konversionsfläche zwangsläufig auch eine Freiflächenanlage im Sinne des EEG. Es kann sich bei derselben Fläche nämlich gleichzeitig um eine bauliche Anlage und um eine Konversionsfläche handeln. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn auf alten Militär-Flugplätzen die Landebahn asphaltiert wurde. Dann fällt diese asphaltierte Landebahn in die Kategorie bauliche Anlage. Gleichzeitig ist aber auch denkbar, dass die Gesamtfläche des Flugplatzes als Konversionsfläche einzuordnen ist. Ein anderes Beispiel ist, wenn alte Industriegebäude abgerissen werden und der Bauschutt genutzt wird, um anderswo eine künstliche Bodenschicht aufzufüllen. Auch diese Auffüllungsschicht könnte dann je nach Einzelfall als bauliche Anlage zählen, während das Gesamtareal gegebenenfalls als Konversionsfläche gelten würde. Ebenfalls in diese Kategorie fallen viele Deponien, die künstlich auf- oder zugeschüttet wurden.
Das heißt, eine Solaranlage auf einer solchen Fläche wäre dann rechtlich gesehen eine Solaranlage auf einer sonstigen baulichen Anlage und keine Freiflächenanlage, obwohl sie auf einer Konversionsfläche steht?
Genau. Wenn es sich also zum Beispiel um eine Konversionsfläche handelt, auf der mehrere Teilflächen asphaltiert sind, sind die dort errichteten Solaranlagen dann eben solche auf baulichen Anlagen. Nur die Module auf den weiteren Flächen wären dann Freiflächenanlagen im Sinne des Gesetzes.
Und wie grenzt man die sonstigen baulichen Anlagen in weniger eindeutigen Fällen von normalen Freiflächen ab?
Hier muss man im Einzelfall genau hinschauen. Als Faustformel kann man sagen, wenn eine Fläche durch Baumaterial deutlich verändert worden ist und insgesamt eine Art Baukörper im Boden vorhanden ist, dann kann es eine bauliche Anlage sein. Das können Veränderungen durch Aufschüttungen, Asphaltierungen oder eben Auffüllungen durch Schotter oder Mischmaterialien sein. Oft ist dafür ein Bodengutachten notwendig, gerade wenn der Projektstandort auf den ersten Blick erst einmal wie eine ganz normale Bodenfläche aussieht. Auch die Clearingstelle EEG und die Rechtsprechung haben sich mit dem Thema schon in verschiedenen Einzelfällen befasst. Ein grundlegendes Urteil zu baulichen Anlagen im EEG gibt es auch schon vom Bundesgerichtshof. Hiernach zählt etwa auch die Grünfläche innerhalb einer Galopprennbahn als bauliche Anlage. Der Bundesgerichtshof hat auch geklärt, dass der Begriff der baulichen Anlage im EEG grundsätzlich weit auszulegen ist.
Kann ich aus einer Fläche auch künstlich eine bauliche Anlage machen, die ich dann für die Errichtung einer Photovoltaik-Anlage nutze?
Nein, das schließt das EEG ausdrücklich aus. Das Gesetz sagt, die bauliche Anlage darf nicht vorrangig zum Zweck der Photovoltaik-Gewinnung errichtet worden sein, wenn ich für den dort erzeugten Strom eine Förderung bekommen möchte. Wenn ich auf der Fläche aber aus anderen Gründen eine bauliche Anlage oder ein Gebäude errichte und die Nutzung als Photovoltaik-Standort lediglich ein Nebeneffekt ist, kann ich natürlich auch auf einer neuen baulichen Anlage eine Solaranlage förderfähig betreiben.
Im EEG sind keine Größenbeschränkungen für Photovoltaik-Anlagen auf baulichen Anlagen enthalten?
Nein, der Gesetzgeber schreibt im EEG ausdrücklich nur für Freiflächenanlagen die Größenbegrenzung von zehn Megawatt für einen Förderanspruch vor. Bei baulichen Anlagen sind keine Größenbeschränkungen enthalten.
Glauben Sie, dass dies vom Gesetzgeber bewusst gemacht wurde oder ist die Größenbegrenzung bei baulichen Anlagen einfach nur vergessen worden?
Das ist momentan noch schwer zu beurteilen. Es kann schon sein, dass die Größenbegrenzung bei diesen Flächen bewusst weggelassen wurde, da es sich bei baulichen Anlagen meist nicht um wertvolle Flächen – im Sinne einer land- oder viehwirtschaftlichen Bewirtschaftung oder einer hohen ökologischen Wertigkeit – handelt. Genau kann man das aber momentan nicht sagen. Es kann auch sein, dass diese Lücke vom Gesetzgeber wieder geschlossen wird.
Theoretisch könnte ich mich also auch mit einem 300 Megawatt-Gebot oder noch größer, wenn ich eine entsprechende bauliche Anlage finde, an den Ausschreibungen beteiligen?
Theoretisch ja.
Die Lücke war ja eigentlich schon mit Einführung des EEG 2017 da, als der Gesetzgeber entschied, dass auch die baulichen Anlagen in die Ausschreibungen müssen. Warum hat es drei Runden gedauert, bis das erste Gebot mit mehr als zehn Megawatt kam?
Bereits in der Juni-Runde gab es nach den Veröffentlichungen der Bundesnetzagentur wohl ein Gebot mit gut 13 Megawatt. Wahrscheinlich war man sich vorher nicht ganz sicher, ob es wirklich gut geht und im Oktober hat ein Projektierer einfach mal entschieden, wir versuchen es. Wieso auch nicht? Das Gesetz ist hier ja wirklich eindeutig. Auch die Bundesnetzagentur schreibt ausdrücklich, dass für Anlagen auf baulichen Anlagen Gebote über zehn Megawatt abgeben werden können.
Welche Vorteile gibt es für die baulichen Anlagen gegenüber Freiflächenanlagen noch?
Bei der Anlagenzusammenfassung gilt dann die allgemeine Regelung, nach der zwischen der Inbetriebnahme zwölf Monate liegen müssen und es auf die unmittelbare räumliche Nähe ankommt. Freiflächenanlagen dagegen werden noch zusammengefasst, wenn sie im Zwei-Kilometer-Radius derselben Gemeinde errichtet und innerhalb von 24 Monaten in Betrieb genommen werden. Das kann so ganz erhebliche Auswirkungen haben, wenn man mehrere ausschreibungsfreie 750-Kilowatt-Anlagen plant. Wenn ein Projektierer etwa eine 750-Kilowatt-Anlage auf einer baulichen Anlage – etwa einem großen asphaltierten Parkplatz oder ähnliches – errichtet, kann er dort nach zwölf Monaten eine weitere 750-Kilowatt-Anlage in Betrieb nehmen. Handelt es sich jedoch um eine Freiflächenanlage, dann müsste er 24 Monate warten.
Gibt es weitere Vorteile für Projektierer, die Solarparks auf baulichen Anlagen errichten wollen?
Ein weiterer Vorteil ist, dass es für solche Anlagen im EEG keine weiteren flächenbezogenen Fördervoraussetzungen gibt. So müssen sie bei baulichen Anlagen, anders als etwa bei Konversionsflächen, den sogenannten 110-Meter-Flächen oder Gewerbegebietsflächen, beispielsweise keinen Bebauungsplan nachweisen oder auf spezielle zeitliche oder räumliche Vorgaben achten. Die Genehmigung der Gemeinde reicht aus, um die Photovoltaik-Anlagen zu bauen und förderfähig zu betreiben. Das macht das ganze Verfahren weniger aufwendig.
Das Interview führte Sandra Enkhardt.
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Echt super, dass das Baurecht hier eine so klare Aussage bezüglich der Photovoltaiknutzung parat hat. Die hat sicherlich auch mit den detaillierten Ausführungen des Paragrafen 2 zu tun. Da diese Materie schwer für den Laien zu durchblicken ist, sollte man einen Anwalt konsultieren.