pv magazine: Sie begleiten die Branche ja schon recht lange. Haben Sie irgendwas zu berichten, was Sie in letzter Zeit selber überrascht hat?
Bastian Mingers (Foto): Sicherlich die Geschwindigkeit, mit der das Thema Sektorenkopplung derzeit Fahrt aufnimmt, während es gleichzeitig kontrovers diskutiert wird. Das fängt bei der Bewertung der Ausbaugeschwindigkeit an: Während es manchem Experten mit der Sektorenkopplung nicht schnell genug gehen kann, fordern andere, zunächst den Anteil der Erneuerbaren im Netz stark zu erhöhen und den Ausbau der Kopplung weitgehend den Marktkräften zu überlassen. Selbst grundlegende Begriffe werden in dieser Diskussion in Frage gestellt: Beim letzten ZAE-Tag wurde noch immer darüber debattiert, ob es wirklich „Sektorenkopplung“ oder doch eher „Sektorkopplung“ heißen sollte. Und Holger Krawinkel von MVV zeigte neulich eine Folie, auf der zu lesen stand „Don’t call it Sektorenkopplung, it‘s electrification, stupid“.
Und Sie würden sagen, dass sich das auch wirklich erst so in den letzten Monaten massiv verstärkt hat?
Ja. Letztes Jahr beim IRES-Symposium stellte Volker Quaschning von der HTW Berlin fest, dass gerade einmal 1,8 Prozent der Forschungsgelder für die Energiewende in die Sektorenkopplung fließen. Und noch vor kurzem hat jeder sein Ding gemacht, der eine Power-to-Gas, der nächste Elektromobilität, einer meinte, Speicher wären wichtiger als Netzausbau und umgekehrt. Jetzt treffen sich die Stakeholder zum Beispiel in Düsseldorf und führen die Stränge zusammen. Auch die Wärmewende spielt endlich eine zunehmend wichtige Rolle und damit auch thermische Speicher. Die Vielschichtigkeit der verschiedenen Speichertechnologien wird dadurch gestärkt, dass sich die Branche jetzt intensiv mit der Sektorenkopplung beschäftigt, das ist einfach toll zu sehen.
Wird sich dieser Trend auch bei Ihnen nächstes Jahr auf der Messe niederschlagen?
Ja, definitiv. Die Messe hat ja von Anfang an alle Speichertechnologien abgebildet und in diesem Jahr wird etwa das Thema Power2X erneut mit mehreren Ausstellern vertreten sein. Die begleitende Energy Storage Conference hat die flexible Sektorenkopplung als einen Schwerpunkt, wobei uns die Flexibilität besonders wichtig ist, denn sie bedingt den Speichereinsatz.
Was verstehen Sie unter flexibler Sektorenkopplung?
Wirklich flexibel wird die Sektorenkopplung erst, wenn Energie zeitlich und von der Konversion losgelöst genutzt werden kann. Und das geht wiederum nur mit entsprechenden Speichern an den Sektorengrenzen. Ob es nach einer Power-to-Gas-Übertragung der Wasserstoffspeicher ist, bevor der Wasserstoff dann über Tankstellen in die Mobilität geht oder methanisiert wird – oder ein elektrochemischer Speicher, der die elektrische Energie direkt zwischenspeichert.
Die Energiespeicher-Messe in Düsseldorf ist im vergangenen Jahr sehr stark gewachsen. Erwarten Sie ähnliche Wachstumsraten auch fürs nächste Jahr, oder wird es sich eher auf dem Niveau vom letzten Jahr einpendeln?
Ein weiteres Wachstum werden wir sowohl thematisch als auch im Ausstellungsbereich und bei den Besucherzahlen sehen, unter anderem weil wir bestehende Themen und Technologien stärken und neue hinzunehmen. So kooperieren wir jetzt mit der Peter-Sauber-Agentur, die bisher die Veranstaltung „f-cell“ in Stuttgart organisierte. Diese wird es in diesem Jahr nicht mehr als Messe geben, sondern nur noch als Fach-Netzwerk-Tagung. Ähnlich verhält es sich mit dem Fachsymposium Thermische Energiespeicher, das wir im Juni gemeinsam mit dem BVES und dem ZAE in Neumarkt in der Oberpfalz durchgeführt haben. Das Ganze wird nun hier in Düsseldorf mit den anderen Technologien zusammengeführt.
Sie sind aber nicht nur auf Deutschland konzentriert. Richtig?
Wir sind eine sehr internationale Plattform. Durch das Netzwerk der Messe Düsseldorf haben wir Zugriff auf 134 Länder, in denen muttersprachliche Kollegen vor Ort für uns tätig sind. Dazu sind wir in vielen anderen Industrien aktiv. Diese Großindustrien wie Druck und Papier, Plastikindustrie, Kabel und Röhren werden für die Optimierung ihrer Energieeffizienz Speicher brauchen. Im Umfeld der weltgrößten Medizinmesse „Medica“ sprechen wir etwa Krankenhäuser an. Sie benötigen eine besonders stabile und sichere Energieversorgung, dazu gehört auch zuverlässiger Notstrom.
Aber sehen Sie, dass da das Thema Speicher dort wirklich schon angekommen ist? Oder scheut man da noch ein bisschen die Investition in diese neuen Technologien?
Scheu trifft es aus meiner Sicht nicht ganz. Es ist einfach so, dass das auch das Management erst einmal evaluieren muss, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um in Speicher zu investieren. Entscheidend ist dabei unter anderem, wie alt die bestehenden Systeme sind. Es gibt aber viele spannende Konzepte, die bereits laufen. Wir versuchen Unternehmen davon zu überzeugen, dass Speicher relevant sind und dass man auf der Energy Storage die entsprechenden Aussteller mit den richtigen Lösungen dazu findet.
Es gibt unglaublich viele Speicheranbieter aus Deutschland. Kommen die Aussteller weiterhin vorwiegend aus Deutschland, oder tut sich da im Ausland einiges?
Ja, auch im Ausland tut sich einiges. Die portugiesische EFACEC, ein Weltkonzern, der nicht auf den heimischen Markt angewiesen ist, agiert zum Beispiel global. Wir merken, dass die ganz großen Player immer mehr Fahrt aufnehmen. Sie sind weltweit unterwegs und befassen sich nun auch mit Speichern.
Ist das der größte Unterschied, wenn Sie jetzt zurückblicken auf die erste Energy Storage, die Sie veranstaltet haben? Oder gibt’s noch andere große Unterschiede, die Sie sehen?
Der größte Unterschied ist sicherlich, dass wir als Fachkonferenz angefangen haben als das Thema Speicher noch in den Kinderschuhen steckte. Wir mussten erst einmal die Akteure zusammenbringen, die sich um die Grundlagenforschung kümmerten. Das hat schon damals dank unserer Partnerschaften mit der Fraunhofer Energieallianz und Fraunhofer ISE wunderbar funktioniert. Damit haben wir dem Thema erst mal eine Basis gegeben. Und dann entwickelte sich die Energy Storage immer weiter. Später kamen nicht mehr nur die Grundlagenforscher, sondern auch Unternehmen mit ihrer Research-Development-Einheit. In der Folge entstanden Produkte, die nun marktreif sind.
Die Konferenz steht nun aber nicht mehr so im Fokus, sondern eher die Messe, oder?
Das stimmt teilweise. Wir haben uns von einer reinen Energy-Storage-Europe-Konferenz wegbewegt. Nun gibt es einen Dreiklang. Die IRES beleuchtet hauptthematisch die wissenschaftlichen Aspekte von Speichern. Die Energy-Storage-Europa-Konferenz ist quasi das Bindeglied zwischen der Grundlagenarbeit der wissenschaftlichen Innovation und den marktreifen Produkten, die dann auf der Messe ausgestellt werden. Das ist die klassische Entwicklung von einer Konferenz hin zur Messe. Die Konferenz bildet das Fundament, die Messe bringt die entscheidenden Experten, Anbieter und Anwender tatsächlich zusammen.
Wenn wir jetzt politisch nach Deutschland schauen, haben wir da gerade eine kleine Hängepartie. Wirkt sich das irgendwie aus?
Es gibt gefühlt keinen großen Unterschied. Unser Partnerverband BVES sitzt in Berlin und arbeitet politisch intensiv daran, Speicher besser zu positionieren. Der BVES hat hervorragende Kontakte und auch Unterstützer in der Politik. Letztes Jahr hat Torsten Herdan aus dem Bundeswirtschaftsministerium bei uns die Eröffnungsrede mitgehalten sowie die damalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Beide haben ein sehr gutes Verständnis von der Situation und können sie auch differenziert betrachten. Ich hoffe, dass wir die richtigen Leute in der Regierung und Verwaltung haben werden, die Speichern einen ebenso diskriminierungsfreien Marktzutritt gewähren wie allen anderen Technologien im Energiesystem.
Was erwarten Sie denn, wenn das wirklich demnächst kommen sollte, dass Speicher gleichgestellt sind und keine Nachteile mehr haben? Haben Sie eine Prognose, wie sich das auf den Markt auswirken könnte?
Ich wünsche mir natürlich, dass die Entwicklung den Prognosen von Bloomberg New Energy Finance entsprechen wird, dann würde sich der globale Markt bis 2030 sechsmal verdoppelt. Das wäre das Optimum für den Markt und auch für uns als Messe. Aber das ist aus Messe-Sicht natürlich schwer vorauszusehen. Wir sehen uns als Spiegelbild des Marktes, deshalb streben wir kurzfristig auch kein exzessives Wachstum an, indem wir Aussteller zu größer, schneller, weiter verpflichten. Stattdessen gehen wir bewusst die Marktentwicklung mit. Wenn der Markt sich sprunghaft entwickeln sollte, sind wir als Messegesellschaft sehr flexibel und können uns anpassen.
Können Sie vielleicht noch mal sagen, was Sie in etwa an Aussteller- und Besucherzahlen erwarten für nächstes Jahr?
Das ist bei so jungen Industrien schwer vorhersehbar. Im letzten Jahr hatten wir rund 4.200 Besucher, davon 99,8 Prozent Fachbesucher. Für nächstes Jahr gehe ich von einem guten Zuwachs gerade im Besucherbereich aus, da wir verschiedene Zielgruppen expliziter angehen werden. Wir sind auch international unterwegs, um Unternehmen davon zu überzeugen, wie wichtig Speicher sind und bereiten so auch selber Lead-Generierung für unsere Aussteller vor.
Wie sind Sie denn international aufgestellt?
Mit unserem Portfolio sind wir in den Top-Fünf-Märkten unterwegs, die BNEF aufgezeigt hat. Das sind die USA, China, Indien, Japan und Deutschland. Die Veranstaltung in den USA entwickelt sich ähnlich gut wie in Deutschland und deckt den süd- und nordamerikanischen Kontinent ab. In Indien sind wir Mitte Januar mit einer Messe präsent. Dort ist die Entwicklung rasant. Ein Kollege sagt, das fühlt sich an wie China vor 15 Jahren – gerade wenn man die Entwicklung von Photovoltaik und Windkraft anschaut. In China sind wir Ende März in Peking. Dort arbeiten wir mit China Clean Energy als Messe zusammen. Es werden nicht nur Speicher beleuchtet, sondern auch die kompletten erneuerbaren Energien sowie Energieeffizienz. Anfang November hatten wir die Veranstaltung in Japan.
Genau diese Märkte werden Sie auch weiterhin mit Messen im Blick haben?
Die auf jeden Fall.
Gibt es sonst noch konkrete Pläne für das nächste Jahr?
Wir haben eine neue Kooperation mit dem Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband vereinbart. Gemeinsam versuchen wir, den deutschen und europäischen Markt weiterzuentwickeln und die internationale Bedeutung der deutschen Technologie und Forschung hervorzuheben. Noch mehr Power2X-Experten sollen mit Hilfe der Energy Storage Projekte anschieben und Geschäft im Ausland generieren. Dafür arbeiten wir in den anderen Märkten zusätzlich mit lokalen Verbänden zusammen.
Das Interview führte Sandra Enkhardt.
Die Energy Storage Europe 2018 finden vom 13.-15. März in Düsseldorf statt. Mehr dazu unter https://www.energy-storage-online.de/
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