Dass Deutschland sein Klimaziel 2020 nicht erreicht wird, ist inzwischen keine Überraschung mehr – dafür umso mehr, dass ein drastisches Verfehlen der selbst gesteckten Ziele droht. Das geht aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Mittwoch hervor. Offiziell hält die Bundesregierung daran fest, klimaschädliche Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken. Unter Berufung auf ein internes Papier des Bundesumweltministerium meldet jedoch das Blatt, dass die Lücke zu diesem Ziel jedoch größer ist als bisher angenommen: Dem Papier zufolge sei ohne Nachsteuern bis 2020 bestenfalls ein Minus von 32,5 Prozent machbar, und schlimmstenfalls würden die Emissionen nur um 31,7 Prozent sinken. „Eine Zielverfehlung in einer solchen Größenordnung wäre für die Klimaschutzpolitik Deutschlands ein erheblicher Rückschlag“, zitiert die SZ aus dem Papier. Und weiter: „Zudem wäre dies in Bezug auf das internationale Ansehen Deutschlands als Klimaschutzvorreiter verheerend. Als Grund für die drohende Zielverfehlung werden laut SZ vielfältig Faktoren genannt, die den CO2-Ausstoß erhöhen: Kohlekraftwerke, Wachstum bei Bevölkerung und Wirtschaftsproduktion, Zunahmen bei Verkehr und Gebäuden.
„Nun ist das klimapolitische Versagen regierungsamtlich“, kommentiert BUND-Vorsitzender Hubert Weiger das Papier. Immerhin halte so beim Klimaschutz endlich mehr Realismus Einzug. Angesichts der drohenden deutlichen Zielverfehlung müsse die neue Bundesregierung auf dieses dramatische Versagen Antworten geben. Was zu tun ist, liegt für Weiger auf der Hand: „Es geht um das kurzfristige Abschalten aller alten Kohlekraftwerke, die vor 1990 ans Netz gegangen sind, damit das Klimaziel 2020 noch zu erreichen ist. Die neue Koalition wird daran gemessen, ob sie den Kohleausstieg schafft und Deutschland wieder auf einen klimapolitisch wirksamen Pfad bringt.“
Für den Greenpeace-Klimaexperten Karsten Smid wird der Klimaschutz die erste Bewährungsprobe der nächsten Bundesregierung. Die unübersehbare Klimalücke zeige, dass die Jamaika-Koalition sehr schnell möglichst viele schmutzige Kohlekraftwerke vom Netz nehmen müsse. „Jamaika muss die Energiewende zu ihrem eigentlichen Ziel führen, nämlich den Ausstoß an Treibhausgase so rasch zu senken, dass Deutschland einen fairen Beitrag zum Schutz des Planeten leistet“, so Smid: „Gelingen wird das nur, wenn der Ausstieg aus der Kohle und der Abschied vom Verbrennungsmotor nicht weiter verschleppt, sondern schon heute organisiert werden.“
Das BMUB bekräftigte derweil auf seiner Facebook-Seite, an den Klimaschutzzielen für 2020 festhalten zu wollen. Daran zu rütteln bezeichnete das Ministerium als „fatales Signal“. Und weiter heißt es: „Die gute Nachricht: Wir kennen die Instrumente, die zur Erreichung des Ziels führen. Die erneuerbaren Energien sind inzwischen so günstig, dass ein stärkerer Zubau nicht die Welt kostet. Wir haben so hohe Stromüberschüsse, dass unser Land einen großen Schritt beim Kohleausstieg verkraften kann. Und wir sind optimistisch, dass die Elektromobilität auch den Verkehr klimaverträglicher machen kann.“
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Ob das „mehr Realismus“ ist, wenn Herr Weigel fordert, außer den Kernkraftwerken sollten gleichzeitig noch ältere Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, scheint mir doch sehr zweifelhaft.
Natürlich hätte man in dem Augenblick, in dem der Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen war, gleichzeitig überlegen müssen, wie man den daraus durch vermehrten Einsatz von Kohlekraftwerken folgenden CO2-Anstieg kompensiert. Es hätte ja auch reichlich Möglichkeiten gegeben: Auf dem Verkehrs- und Wärmesektor herrschte in dieser Zeit praktisch Stillstand. Alle Einsparungen durch mehr Effizienz wurden durch mehr Wohnraum pro Person und stärkere Motoren überkompensiert.
Wie kann man unsere Mitbürger dazu bringen, mehr auf Subsistenz (nur das verbrauchen, was man braucht) zu achten? Es wird nur übers Geld gehen: Energie verteuern, Straßenbenutzung verteuern, Wohnraum verteuern. Das trifft dann wieder die Ärmeren überproportional, aber die Alternative wären Verbote über Verbote, von denen wir auch schon reichlich haben. Und eine Wohnraumbewirtschaftung wie nach dem Krieg wird ja ernsthaft keiner haben wollen.
Und noch etwas, zum „Realismus“, diesmal des BMUB: Wenn wir unsere Stromüberschüsse abbauen, dann wird der in den Nachbarländern ausbleibende Exportstrom kompensiert werden. Wodurch? Kern- und Kohlekraftwerke, vielleicht auch ein wenig Gas, praktisch nichts durch vermehrte Nutzung von Erneuerbaren. Was ist dann gewonnen? Nichts, nur unser System wird teurer. Langfristig ist dieser Abbau zwar notwendig, um auch in den Nachbarländern die vermehrte Nutzung von Erneuerbaren zu ermöglichen, aber kurzfristig ist er sinnlos.
Es ist wirklich traurig, wie bei der Energiewende immer nur an Strom gedacht wird, und dann unrealistische Hoffnungen in einen baldigen Anstieg des Strombedarfs für Heizungen und Verkehr gesetzt werden. Dabei könnte man so schön gemeinsam mit PV-Modulen auch noch riesige Wärmemengen gewinnen – ohne zusätzlichen Flächenverbrauch, ohne Probleme im Stromnetz zu verursachen, und mit mehr eingespartem CO2 pro investiertem Euro.
JCW sagt:
Und noch etwas, zum „Realismus“, diesmal des BMUB: Wenn wir unsere Stromüberschüsse abbauen, dann wird der in den Nachbarländern ausbleibende Exportstrom kompensiert werden. Wodurch? Kern- und Kohlekraftwerke, vielleicht auch ein wenig Gas, praktisch nichts durch vermehrte Nutzung von Erneuerbaren. Was ist dann gewonnen? Nichts, nur unser System wird teurer
@ JWC
Was da gewonnen wird ??
Das Energiewendeland Deutschland muss sich nicht ständig vorhalten lassen sie würden trotz Energiewende die Klimaziele nicht erreichen. Die Nachbarländer werden dann selbst sehen müssen wie sie ihre Klimaziele erreichen, und den ausbleibenden Exportstrom nicht so einfach mit Kohlestrom kompensieren können.
Und warum soll unser System teurer werden. ???
Der kontinuierliche Kohlestromüberschuss seit 2010 macht doch unser System erst teuer, zumindest für den nicht privilegierten Verbraucher.
Die EEG Umlage hätte wahrscheinlich weniger als eine „3“ vorm Komma wenn wir noch das System von vor 2010 hätten, wo EEG Strom zwingend den Versorgern zugeteilt wurde, und Kohle angepasst werden musste. Überschüsse waren damals allenfalls Prognoseabweichungen. Mit zunehmenden Erneuerbaren, hätte immer weniger Kohle angepasst werden müssen.
Ganz im Sinne der Erfinder der Energiewende, und dem erreichen der Klimaziele.
Schauen Sie sich mal das folgende Video vom Ex- Fraunhofer Chef an, warum die Umlage ab 2010 so rapide nach oben geht.
Zur Erinnerung, ab 2010 gilt, je niedriger die Börsenpreise, desto höher die Umlage.
Mit anderen Worten, je billiger sich ein Versorger Strom beschaffen kann, desto höhere Umlage muss sein Kunde zahlen.
Man kann dieses von Lobbyisten mit dem EEG Konto geschickt vernebelte „Paradoxon“ nicht oft genug deutlich machen.
Hier das erwähnte Video:
Die vielen Fragezeichen sind schon berechtigt, wenn man so Schwierigkeiten mit dem Denken hat. Bisher ist es so, dass, wenn die Erneuerbaren nichts oder wenig liefern, unser Strom aus Kohle- und anderen Kraftwerken kommt. Wenn die EE etwas liefern, laufen die vor allem die Braunkohlekraftwerke weiter, und verkaufen den dabei produzierten Strom ins Ausland. Könnten Sie das nicht, müsste abgeregelt werden. Ob jetzt EE oder Kohle abgeregelt wird, bleibt sich gleich – Abregelung kostet Geld, weil der Einnahme-Ausfall dem Erzeuger erstattet werden muss (EE explizit, andere z.T. nur implizit). Da diesen Kosten keine Einnahmen aus einem Verkauf (ins Ausland) gegengerechnet werden können, wird es für alle teurer, den Kleinsten werden i.a. die Hunde beißen, d.h. die Zeche wird der Kleinverbraucher zahlen müssen. So schwierig, zu verstehen?
Natürlich ist es so, dass wir zur Zeit Volatilität ins Ausland exportieren. Wenn dort die gleichen EE-Leistungen wie bei uns installiert wären, könnten wir nicht mehr so viel exportieren und müssten mehr abregeln – dann entstehen auch bei uns die oben skizzierten Kosten. Aber vielleicht sind bis dahin ja Speichertechnologien weiterentwickelt, so dass die Abregelung begrenzt werden kann. Auch wird es vielleicht mehr steuerbare Lasten im Netz geben, so dass die Bedarfskurve besser an das Angebot angepasst werden kann. Angesichts der langen Zeit, die schon vergangen ist, seit diese Lösungsansätze diskutiert werden, befürchte ich allerdings, dass es noch wesentlich länger dauern wird, als uns allen lieb ist, bis beides im großtechnischen Maßstab zur Verfügung steht.
JCW sagt:
Die vielen Fragezeichen sind schon berechtigt, wenn man so Schwierigkeiten mit dem Denken hat. Bisher ist es so, dass, wenn die Erneuerbaren nichts oder wenig liefern, unser Strom aus Kohle- und anderen Kraftwerken kommt.
@ JWC
Das war aber vor 2010 anders wie ich Ihnen schon mal erklärt habe.
Als die Erneuerbaren noch zwingend zugewiesen wurden, war schon prognostiziert ob oder wie viel die Erneuerbaren liefern konnten, und die Kohle musste sich anpassen.
Wenn Sie aus Kostengründen trotzdem am Netz blieben ging das auf ihre Kosten.
Nach dem die EE nicht mehr zugewiesen werden, sondern zum Vermarkten an die Börse verpflichtet wurden, kann Kohle wieder unbeschadet ( Kosten sparend ) am Netz bleiben, drückt mit Überschussstrom die Börsenpreise, die nicht privilegierten Verbraucher, zahlen deshalb höhere Umlage, und mit den niedrigen Börsenpreisen werden lukrative Exportgeschäfte getätigt. Das ist die Realität
JCW sagt:
Ob jetzt EE oder Kohle abgeregelt wird, bleibt sich gleich – Abregelung kostet Geld, weil der Einnahme-Ausfall dem Erzeuger erstattet werden muss.
@JWC
So sieht das aber keiner im Sinne der Energiewende.
IWC sagt:
den Kleinsten werden i.a. die Hunde beißen, d.h. die Zeche wird der Kleinverbraucher zahlen müssen. So schwierig, zu verstehen?
@ JWC
Wo habe ich was nicht verstanden Oder wo habe ich Schwierigkeiten mit dem Denken ????
Ich habe doch gerade weiter oben zum Wiedeholtenmale erklärt, warum der Kleinverbraucher die Zeche bezahlt.
Eindeutig seit der EEG Neuordnung 2010. Eine gravierende Änderung zum Nachteil des EEG und der gesamten Energiewende, die Sie offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Im Folgenden eindeutig dargestellt.
http://www.iwr-institut.de/de/presse/presseinfos-energiewende/erneuerbare-energien-werden-subventioniert-staat-zahlt-keinen-cent
Der steigende Anteil erneuerbarer Energien hat am Spot- und Terminmarkt zu immer niedrigeren Strom-Einkaufspreisen geführt. Grund ist ein von der Politik beschlossener Wechsel der EEG-Lieferung ab 2010 (Wälzungsmechanismus). Bis 2009 erhielten die Stadtwerke den EEG-Strom als sog. EEG-Stromband monatlich tatsächlich physisch geliefert, so dass die großen Vorlieferanten (RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW, etc.) auch faktisch weniger an die Stadtwerke liefern konnten. Seit 2010 muss der EEG-Strom an der Börse verkauft werden und das hat weitreichende Folgen: RWE, E.ON & Co. beliefern Stadtwerke seit 2010 wieder weitgehend vollständig mit konventionellem Strom, der EEG-Strom an der Börse kommt zusätzlich auf den Markt und drückt auf die Preise. Weil die Börsen-Strompreise durch den Verkauf des EEG-Stroms teilweise auf Rekordtiefs sinken, profitieren zwar die Großabnehmer und die Industrie, gleichzeitig steigen die Differenzkosten zu den Vergütungspreisen und letztendlich steigt dadurch die EEG-Umlage
Hallo JWC
Hier ein aktuelles Beispiel warum es nicht gleich ist ob EE oder Kohle ab geregelt wird, wie Sie geschrieben haben.
https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/schlechtes-zeugnis-fuer-die-klimakanzlerin/
Das zentrale Ziel der Energiewende, den CO2-Ausstoß zu senken, wird verfehlt. Seit 2009 stagnieren die Emissionen bei ca. 900 Millionen Tonnen pro Jahr. Zitat Ende.
Fakt ist, wir produzieren Kohlestrom im Überschuss, verdrängen mit dem Export in unseren Nachbarländern deren Dreckschleudern, der Dreck bleibt bei uns, wir bieten den EEG Kritikern Angriffsfläche, weil wir als Energiewendeland die Klimaziele nicht erfüllen können.
Dazu kommt noch, dass wegen dem Stromüberschuss, und in Folge dessen niedrigen Börsenpreisen die Umlage steigt, was wieder zu einer Angriffsfläche wegen der hohen Strompreise bei uns führt.