Schlimmer geht immer – ein Liebesbrief an (fast) alle Wechselrichterhersteller

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Bei diesem Artikel musste ich mich immer wieder bremsen, um meinen Unmut so gemäßigt zu formulieren, dass vielleicht auch der ein oder andere Verantwortliche eines Wechselrichterherstellers nicht gleich schon beim Vorwort dieses Artikels abbrechen würde. Es geht um die DC Anschlussräume von Solarwechselrichtern und die Frage was Wechselrichterhersteller eigentlich bei deren Design so denken mögen? Ein offener Brief eines leidenden Sachverständigen an die Zunft der Wechselrichterproduzenten.

Liebe Wechselrichterhersteller,

es gibt schon seit Jahren eine Norm, die DIN EN 62446, die genaue Aussagen darüber macht, welche Überprüfungen an einer Photovoltaik-Anlage bei der Inbetriebnahme und anschließend bei den Wiederholungsprüfungen durchgeführt werden müssen. Wiederholungsprüfungen werden bei großen PV-Anlagen über 100 Kilowatt (kW) in der Regel jährlich, bei kleineren Anlagen auch im zweijährigen Turnus durchgeführt. Auf der DC – also der Gleichspannungsseite – wird normativ gefordert, dass die Leerlaufspannungen aller Solarmodulstränge, deren Kurzschlussstrom, sowie der Isolationswiderstand aller Modulstränge gemessen werden muss. Bei allen Untersuchungen an PV-Anlagen, die das Ziel haben, Fehler an den Solarmodulen zu finden, muss ebenfalls auf Strangebene gemessen werden. Das gilt sowohl für Kennlinienmessungen, zur Bestimmung der STC Leistung eines Modulstranges als auch für Elektrolumineszenzprüfungen, Rückstromthermographie oder für die Suche nach Leitungsunterbrechungen z.B. mit Hilfe unseres pvTectors.

In all den genannten Fällen ist zur Durchführung der Untersuchungen ein Zugang zu den einzelnen Modulsträngen des Solargenerators notwendig. Man muss also entweder am Gleichstromanschlusskasten (GAK) oder wie es bei Stringwechselrichtern üblich ist, direkt am Wechselrichter an die einzelnen Modulstränge herankommen und zwar – wie erwähnt – nicht nur einmal bei der Inbetriebnahme der PV-Anlage, sondern im Jahres- oder Zweijahresturnus. Schaut man sich angesichts dieser Tatsache das Design vieler Wechselrichterhersteller in Bezug auf die Zugänglichkeit des DC Anschlussraumes ihrer Geräte an, so drängt sich der Verdacht auf, dass sich die oben beschriebene Tatsache zu vielen Wechselrichterherstellern noch nicht herumgesprochen zu haben scheint.

Ist es denn wirklich so schwierig, ein Design zu machen, wo man die DC-Seite zunächst an einem gut zugänglichen DC-Schalter freischaltet, wo man dann mit wenigen Handgriffen und gerne auch unter Zuhilfenahme eines nur für Fachpersonal zugänglichen Werkzeugs Zugang zu dem DC-Anschlussraum des Gerätes erlangt, anschließend mit wenigen Handgriffen die Parallelschaltung mehrerer Modulstränge am Wechselrichtereingang aufhebt, dann elegant das Messgerät an die dafür vorgesehenen Prüfklemmen anschließt und innerhalb weniger Minuten die geforderten Messungen durchführen kann?

Einbaustecker viel zu dicht nebeneinander montiert: Schlimmer geht immer
Einbaustecker viel zu dicht nebeneinander montiert: Schlimmer geht immer (Foto: photovoltaikbuero)

O.K. das war nur ein Traum. Die Realität sieht leider so aus, dass man sich zunächst an kaum zugängliche Einbaustecker (Multicontact (Stäubli), Phönix Contact oder was auch immer) herankämpfen muss. Die Stecker sind schwer zugänglich, die Stecker sind viel zu dicht nebeneinander montiert, oft so bekloppt angeordnet, dass man nicht einmal mit dem Originalwerkzeug vernünftig dran kommt und einer der Stecker ist in der Regel so verdreckt oder deformiert, dass er sich auch mit roher Gewalt nicht mehr lösen lässt.

Einbaustecker viel zu dicht nebeneinander montiert: Schlimmer geht immer
Einbaustecker viel zu dicht nebeneinander montiert: Schlimmer geht immer (Foto: photovoltaikbuero)

Denn in der Praxis hängt der Wechselrichter eben nicht in Reinsträumen, sondern auch mal in Kuhställen, Lager- und Maschinenhallen, Werkstätten und natürlich auch im Außenbereich.

(Foto: photovoltaikbuero)

Stichwort “rohe Gewalt”: Sollte schon ein Installateur oder Servicetechniker mit weniger Geduld vorher an der Anlage gewesen sein, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass einer der Einbaustecker bereits abgebrochen ist und nur noch locker am Gehäuse herumbaumelt. Oft auch an dem dadurch ausgelösten Isolationsfehler zu erkennen, wenn das Innenleben des Steckers mit dem Wechselrichtergehäuse Bekanntschaft macht.

abgebrochener MC Einbaustecker
abgebrochener MC Einbaustecker (Foto: photovoltaikbuero)

Es gehört daher leider zum Standard einer Wiederholungsprüfung, zunächst mal diese Stecker zu reparieren. Wenn man denn entsprechende Ersatzteile dabei hat und wenn es nach Öffnen des Gehäusedeckels überhaupt möglich ist, einen neuen Einbaustecker einzusetzen.

Reparatur eines MC4 Einbausteckers oft nicht möglich
Reparatur eines MC4 Einbausteckers oft nicht möglich (Foto: photovoltaikbuero)

Es klingt mir ständig im Ohr, wie der nette Mitarbeiter eines Steckerherstellers mir auf der Intersolar gezeigt hat, wie einfach man doch die Stecker lösen kann. Ja klar, am Messestand bekomme ich das auch hin. In einer Anlage mit 60 Steckverbindern in 3 Metern Höhe auf einer Leiter lassen sich 56 Stück auch meistens problemlos lösen, aber da sind halt immer noch die verbleibenden 4 Stecker, die ums Verrecken nicht ab zu bekommen sind, einen systematisch in den Wahnsinn treiben und die letztlich auch dazu geführt haben, dass es jetzt diesen Artikel gibt.

Also nochmal klar und deutlich und für alle:

  • Die Einbaustecker müssen am Wechselrichter in einem ausreichenden Abstand montiert werden.
  • Die Einbaustecker müssen gut zugänglich sein und nicht erst nach dem Lösen von 6 Schrauben, von denen eine garantiert schon rund gedreht ist, wenn man zur Fehlerbehebung gerufen wird.
  • Die Einbaustecker dürfen nicht schräg nach hinten abgewinkelt am Gehäuse montiert sein, wo kein Mensch mehr das Werkzeug zum Lösen ansetzen kann.
  • An die Installateure geht die Botschaft, dass nicht direkt unter dem Wechselrichter ein Kabelkanal liegen darf. Man kommt sonst an die Stecker nicht mehr dran.
  • Es muss möglich sein, Strang 8 zu lösen, ohne vorher auch schon Strang 1-8 gelöst haben zu müssen.
  • Am Schönsten wäre es, wie oben bereits beschrieben, wenn man gar keine Stecker mehr lösen müsste um die notwendigen Messungen durchführen zu können.
  • Man sollte an den Anschlussraum herankommen, ohne vorher einen Handbesen oder einen Zollstock zu benötigen (siehe Foto unten).
  • Und auch noch eine weitere Botschaft an die Installateure: Man muss an die Anschlüsse öfter mal dran kommen und man freut sich, wenn man dabei nicht im Matsch liegt oder im Dreck rumkriecht und auch auf einer 5 Meter hohen Leiter flucht es sich viel ungemütlicher, wenn der verdammte Stecker mal wieder nicht zu lösen ist, als auf ebener Erde.
Anlagenüberprüfung nur mit Handbesen möglich...
Anlagenüberprüfung nur mit Handbesen möglich… (Foto: photovoltaikbuero)

Also liebe Wechselrichterhersteller, bitte nehmt es nicht persönlich, redet einfach mal mit Euren Installateuren und lasst Euch die schlimmsten Steckergeschichten erzählen. Lasst euch die blutigen, aufgerissenen Finger zeigen, die zum dauerhaften Alltag jedes Servicetechnikers gehören, der immer dann gerufen wird, wenn etwas nicht funktioniert und erneut in den Nahkampf mit Wechselrichtersteckern gehen darf.

Dann geht ganz tief in Euch. Ich bin sicher, ihr findet eine Lösung wie man den oben geäußerten Traum in Erfüllung gehen lassen könnte. Auf dass die Wiederholungsprüfungen in Zukunft ein Klacks für jeden Installateur und jeden Gutachter werden und dass sich die Mitarbeiter bereits auf die nächste Prüfung freuen.
Und wenn Ihr ganz clever sein wollt, dann schaut mal, was die Jungs aus Asien da Schönes machen. Die können mit Ihren Wechselrichtern bereits ganze Kennlinien messen.
Warum also nicht in Zukunft Wechselrichter bauen, die man in einen Servicemodus versetzen kann, am Besten per Fernsteuerung. Der Wechselrichter führt dann automatisch die Messungen durch und sendet die Messergebnisse aller Modulstränge ans Datenportal. Dann müssen wir nie mehr Stecker lösen und fluchend auf Leitern rumstehen…

Viele Grüße, Euer schwer genervter Gutachter mit wieder mal völlig aufgerissenen Fingern.

Matthias Diehl

P.S. Und wagt es bitte nicht noch einmal, ein Gerät, dass den oben geäußerten Traum nicht auch nur im Ansatz erfüllt, für einen Innovationspreis vorzuschlagen. Danke.
P.P.S. Falls Leidensgenossen die Lust verspüren Ihre Steckergeschichte auch loszuwerden oder falls Wechselrichterhersteller mir mitteilen möchten, dass ich einfach nur zu blöd bin die Stecker fachgerecht zu lösen, bietet der Kommentarbereich unter diesem Artikel dafür die Möglichkeit. Die Diskussion ist eröffnet.

— Der Autor Matthias Diehl hat sich bereits in seinem Elektrotechnikstudium auf die Entwicklung von Leistungselektronik für solare Energiesysteme spezialisiert. Danach war der Diplom-Ingenieur bei der Firma Sun Power Solarztechnik GmbH, Frankfurt a. M. in der Entwicklung von Solarwechselrichtern tätig. Nach der Tätigkeit in der Elektronikentwicklung war er bei der inek GmbH in Rüsselsheim verantwortlich für die Projektierung und Ausführung netzgekoppelter Photovoltaikanlagen. Seit dem 01.08.2008 führt er zusammen mit Tina Ternus das Ingenieurbüro „photovoltaikbuero“, das sich neben Beratung und Gutachten vor allem auf Fehleranalysen in der Photovoltaik spezialisiert hat. Seit dem 30.4.2013 ist Matthias Diehl vereidigter Sachverständiger für Photovoltaik und Photovoltaische Anlagentechnik, bestellt von der IHK Darmstadt. Außerdem ist Matthias Diehl vom TÜV Rheinland zertifizierter Gutachter für Photovoltaik. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.

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