Zertifizierte Solarkabel reichen oft nicht

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Wenn die Isolation von Solarkabeln beschädigt ist, kann das nicht nur empfindlich die Stromerträge schmälern. Im schlimmsten Fall können dadurch auch Anlagenteile unkontrolliert unter Strom geraten oder Brände ausgelöst werden. Im vergangenen Jahr berichteten wir über einen Fall, bei dem angeblich erdverlegbare Kabel in der Erde verwitterten und der Hersteller dafür nicht die Verantwortung übernehmen wollte. Mehrere Leser haben uns daraufhin von ähnlichen Fällen berichtet.

Aber nicht nur erdverlegbare Kabel scheinen öfters von frühzeitiger Verwitterung betroffen zu sein. Auch gewöhnliche PV1-F-zertifizierte Solarkabel, die von Installateuren oberirdisch und entsprechend den Installationsanweisungen des Herstellers verlegt wurden, weisen oft eine frühzeitige Verwitterung auf. Michael Blödner kennt solche Fälle nur allzu gut aus seinem Alltag, sagt er. Der Experte von den Eon-Solarprofis hat mittlerweile knapp 1.000 Anlagenchecks koordiniert und ausgewertet. Gerade bei fachlich komplexen Sachverhalten nimmt er die Fehleranalyse im Austausch mit Eckhard Fleiß vom Ingenieurbüro Fleiß vor. Der Sachverständige steht Anlagenbetreibern, Installateuren, EPCs und Herstellern beratend zur

5. Quality Roundtable am 2. Tag auf der Intersolar

Dort diskutieren wir anhand von Beispielen unter anderem Modulauswahl, Garantiesituationen, Performance-Kontrolle.

Zu folgenden Fällen können Sie Ansprechpartner auf dem Roundtable treffen:
Hoffen auf ein blaues Auge
Regen in Dosen 

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Nach den Erfahrungen der beiden Experten treten Schwachstellen in der Isolation der Kabel vor allem an Punkten mit einem Erdpotenzial in unmittelbarer Nähe auf, also zum Beispiel bei Modulkabeln, die an geerdeten Montagegestellen befestigt werden. Zudem vermuten die Experten, dass eine dauerhafte oder zumindest regelmäßige Umgebungsfeuchte vorhanden sein muss, damit der Degradationseffekt auftritt beziehungsweise beschleunigt wird. „Dann scheint es bei einigen Kabeln zu einer Schwächung der Isolation zu kommen“, sagt Fleiß. „Das führt dann irgendwann zum Durchschlag.“

Auch eine Verlegung in Gitterrinnen ist keine Garantie dafür, dass Solarkabel über 20 Jahre durchhalten. Im Bild eine Installation in der Karibik, wo meist eine höhere Luftfeuchte vorherrscht.

Foto: Ing.-Büro Fleiß

Solche Fälle haben die beiden auch an Stellen gefunden, an denen sich kaum Wasser ansammeln kann, zum Beispiel wenn Kabel auf Gitterrinnen verlegt werden. Dann sei die Isolation oft an den Kontaktpunkten von Kabel und Gitterrinne geschwächt. In Klimazonen mit hoher Luftfeuchtigkeit und hohen Temperaturen könnten solche Probleme bis hin zum Durchschlag zudem bereits nach wenigen Betriebsjahren auftreten (siehe Foto). Ein weiterer Faktor sei mög­licherweise der Salzgehalt in der Atmosphäre, sagt Fleiß, denn nach seinen Beobachtungen häufen sich solche Fälle in Küstennähe.

Probleme bei der Fehlersuche

Eine besondere Schwierigkeit ist in diesen Fällen, dass man der Fehlerursache nur schwer auf die Schliche kommt. „Es gibt dann immer wieder kurzfristige Betriebsunterbrechungen aufgrund eines zu niedrigen Isolationswiderstands“, sagt Fleiß. „Und sobald man dann bei Trockenheit zum Messen kommt, findet man den Fehler nicht mehr.“ Zwischen den ersten kurzzeitigen Ausfällen und den ersten sichtbaren und messbaren Überschlägen könne viel Zeit vergehen. Je nach Standort und Material zwischen 10 und 30 Monaten, schätzt Fleiß.

Wie negativ sich ein solcher Fall für einen Betreiber entwickeln kann, beschreibt Michael Blödner an einem Praxisbeispiel. Bei einer Photovoltaikanlage mit rund einem Megawatt Leistung, die im Jahr 2010 installiert wurde, meldeten die 500-Kilowatt-Zentralwechselrichter bereits nach einem Jahr Betrieb regelmäßig Isolationsprobleme auf der Generatorseite. Es folgte eine lange Suche nach den Fehlerursachen aufgrund des unklaren Fehlerbilds. „Auch wenn man herausgefunden hat, dass es sich um einen Isolationsfehler handelt, können die Ursachen dafür vielfältig sein“, sagt Blödner.

Daher habe sein Team versucht, das Problem mit Isolationsmessungen in nebeligen Morgenstunden an einzelnen Modulen und Kabelsträngen einzugrenzen. „Dass Isolationsfehler an den Kabeln verantwortlich waren, konnten wir aber erst sicher sagen, als sich im Jahr 2013 die ersten Durchschläge ereigneten und dadurch auch optische Veränderungen an den Kabeln erkennbar wurden.“

Zusatzkosten für Betreiber

Im Jahr 2014 begann dann der Rechtsstreit mit dem Kabelhersteller, der zunächst die Verantwortung von sich wies. Nachdem sich die Parteien in einem längeren Hin und Her auf einen gerichtlich eingesetzten Gutachter geeinigt hatten, kam dieser im Jahr 2016 in einem Gutachten zu dem Schluss, dass es sich um einen Materialfehler handelt. Somit wurde der Hersteller aufgrund der Produktgewährleistung dazu verdonnert, Ersatzkabel zu liefern und die Kosten für den Austausch zu übernehmen. In diesem Jahr wurden dann die Anlagensanierung und damit auch der Rechtsstreit abgeschlossen.

Auf den ersten Blick sieht das nach einem Sieg für den Betreiber aus. Blödner gibt aber zu bedenken: „In den Jahren 2013 bis 2017 gab es unzählige Serviceeinsätze und Betriebsunterbrechungen. Diese wurden nicht vom Hersteller kompensiert.“ Der Betreiber habe also trotz des gewonnenen Rechtsstreits hohe Verluste erlitten. Und ein weiterer Punkt kommt noch hinzu. Die ursprünglich verbauten Kabel machten Probleme, obwohl sie eine Zertifizierung erhalten hatten. Das Gleiche könnte auch für die neuen Kabel gelten. Wenn der Hersteller das Materialproblem inzwischen also nicht gelöst hat, schalten vielleicht in Kürze erneut die ersten Wechselrichter ab.

Diese Problemstelle an einem PV1-F-Kabel zeigt die Vorstufe einer wahrscheinlich später durchschlagenden Fehlerstelle. Das Kabel lag auf dem Rand des Kunststoff-Schutzrohrs auf. In der Kehle der Kontaktstelle kann sich Nässe länger halten, und trotz des nichtleitenden Schutzrohres besteht dort durch leitfähigen Feuchtigkeitsbelag gegebenenfalls auch Erdpotenzial.

Foto: Ing.-Büro Fleiß

Auch wenn die Austauschkabel der neuen, etwas verschärften Norm DIN EN 50618 entsprechen, könne man nicht sicher ausschließen, dass sich die Probleme wiederholen, meint Fleiß. Sorge bereite ihm in dieser Hinsicht auch die Tendenz zu höheren Betriebsspannungen bis 1.500 Volt. Seiner Ansicht nach bilden die beschleunigten Alterungstests während der normgerechten Zertifizierung (zehn Tage im Wasserbad bei 85 Grad Celsius unter Spannung ohne Durchschlag) nur bedingt die tatsächlichen Belastungen von Solarkabeln im Feld ab. Daher könne man grundsätzlich darüber streiten, ob Hersteller, deren zertifizierte Produkte allen Normungskriterien entsprechen, in solchen Fällen überhaupt schuld an der Misere sind. Das könne man eigentlich nur behaupten, wenn es Fehler im Produktionsprozess gibt, die die Qualität des Produkts von den Anforderungen der Zertifizierung abweichen lassen.

Ertragsausfällen vorbeugen

Um potenziellen negativen Auswirkungen von Solarkabeln mit Isolationsfehlern vorzubeugen, können Betreiber aus Sicht von Blödner und Fleiß verschiedene Maßnahmen ergreifen. Bei Neuanlagen sollten sich Betreiber zum Beispiel nicht grundsätzlich für die billigsten Kabel entscheiden. „Es gibt Preisunterschiede auch unter den zertifizierten Kabeln. Dafür gibt es zum Teil gute Gründe“, sagt Fleiß.

Wer heute eine neue Solaranlage baut, sollte außerdem beim Design darauf achten, dass die Anlage einfach zu warten ist. Nur so könnten Fehler schnell eingegrenzt und beseitigt werden. Das umfasse neben einer vernünftigen Dokumentation auch die Planung von ausreichend großen Wartungsgängen. Die Solarkabel sollten zudem nur oberirdisch und gut erreichbar verlegt werden. Um sich im Verdachtsfall mittels Messungen einfacher an die Fehlerursache herantasten zu können, sollten die Anschlussstellen außerdem allpolig trennbar sein – zum Beispiel mit Trennklemmen im Generatoranschlusskasten.

Sowohl für Bestandsanlagen als auch für Neuanlagen gilt, dass ein kompetentes Wartungsteam die Anlage im Auge behalten sollte. Wenn dann zum Beispiel ein Wechselrichter in den Morgenstunden später anspringt als die anderen, sollte man das Problem nicht ignorieren, sondern ihm mit Messungen auf den Grund gehen, meint Fleiß. Während der regelmäßigen Anlagenwartungen sollten zudem auch die Isolationswiderstände der einzelnen Stränge durchgemessen werden. „Wenn man diese Messung nicht nur bei Trockenheit durchführt, sondern zum Beispiel auch in den Morgenstunden bei hoher Luftfeuchte, dann fallen Ausreißer auf“, sagt Blödner. Ein guter Wartungsbetrieb sollte daher in jedem Fall in der Lage sein, solche Fehler zu erkennen und frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten.

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