Deutschland galt einst als Vorreiter der Energiewende. Doch die Bundesregierung hat sich schon länger davon verabschiedet und droht nun nach dem Trendszenario des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) auch sein gegenüber der EU-Kommission gegebenes verbindliches Ausbauziel bei den Erneuerbaren zu verfehlen. Bei der Fortsetzung des derzeitigen Ausbautempos werde Deutschland den Anteil von Photovoltaik, Windkraft und Biomasse bis 2020 von derzeit 14,6 auf 16,7 Prozent steigern können, heißt es in dem am Samstag veröffentlichten Trendprognose des BEE. Die Bundesregierung habe Brüssel allerdings zugesagt, den Anteil auf 18 Prozent Erneuerbare am gesamten Energieverbrauch bis dahin zu steigern. Dies umfasst die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr.
Der BEE hat ein Zielszenario entworfen, wie Deutschland sei verbindliches Erneuerbaren-Ausbauziel doch noch erreichen könnte. Um die Lücke zu füllen sei gegenüber 2015 ein Anstieg um etwa 111 Terawattstunden erneuerbare Energien notwendig. Dies bedeute einen Zubau von rund 22 Terawattstunden jährlich. Gut 70 Terawattstunden sollten nach dem BEE-Zielszenario bis 2020 im Stromsektor hinzukommen, 16,4 Terawattstunden entfallen demnach auf den Wärmesektor und knapp 24,6 Terawattstunden auf den Verkehrsbereich. Nach der Trendprognose wird deutlich in den drei Sektoren allerdings nur 75 Terawattstunden erneuerbare Energien zubauen und damit das Ziel verfehlen.
Bei den Trendprognosen im Strombereich hat der BEE die aktuellen Ausbauentwicklungen und Ausschreibungskorridore des EEG berücksichtigt: So geht er bei der Photovoltaik für dieses Jahr von einer neu installierten Leistung von 1750 Megawatt aus. Für die kommenden Jahre wird ein Anwachsen über 2000 und 2500 Megawatt auf schließlich 3000 Megawatt Zubau 2020 angenommen. Damit Deutschland seine Ziele allerdings noch erreichen kann, wären deutlichere Sprünge notwendig. Nach einem Photovoltaik-Zubau von 1750 Megawatt in diesem Jahr müssten es 2018 dann 3000 Megawatt, 2019 etwa 5000 Megawatt und 2020 gar 7000 Megawatt neu installierte Photovoltaik-Leistung in Deutschland geben.
Neben Deutschland drohen voraussichtlich nur Irland, die Niederlande, Großbritannien und Luxemburg ihre verbindlichen Zusagen zu verfehlen. „Während 23 EU-Mitgliedsstaaten ihre Ziele beim Ausbau erneuerbarer Energie erreichen oder sogar übertreffen, gehört Deutschland zu den wenigen Staaten, die das Ziel verfehlen, wenn die Politik nicht rasch reagiert“, sagt Harald Uphoff, kommissarischer BEE-Geschäftsführer, mit Blick auf die Ergebnisse. Im vergangenen Jahr war der Anteil bei erneuerbaren Energien lediglich im Stromsektor von 31,5 auf 31,7 Prozent leicht gestiegen. Im Wärme- und Verkehrssektor sank er dem BEE zufolge um jeweils 0,2 Prozent auf 13,3 respektive 5,2 Prozent ab. Gerechnet auf den Bruttoendenergieverbrauch waren dies dann 14,6 Prozent. „Anstatt die Energiewende nach dem Klimavertrag von Paris zu beschleunigen, wurde der Ausbau erneuerbarer Energien im Strombereich kräftig gedrosselt und der jahrelange Stillstand bei der Wärme- und Verkehrswende nur verwaltet“, so Uphoff weiter.
Nicht nur in Europa auch international rutsche Deutschland in der Rangliste beim Ausbau der erneuerbaren Energien immer weiter ab. Daher müsse die Bundesregierung ihre Energiepolitik dringend anpassen, damit sie sich „auf der internationalen Bühne nicht vollständig blamiert“, fordert Uphoff. Innenpolitisch dürften zudem Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung nicht länger gegeneinander ausgespielt werden. „Der Umstieg auf saubere Energie ist entscheidend, um zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen und den Wirtschaftsstandort Deutschland fit für die Zukunft zu machen.“
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„Nach einem Photovoltaik-Zubau von 1750 Megawatt in diesem Jahr müssten es 2018 dann 3000 Megawatt, 2019 etwa 5000 Megawatt und 2020 gar 7000 Megawatt neu installierte Photovoltaik-Leistung in Deutschland geben.“
Gut, dass der BEE dies ermittelt. Soweit die Theorie. Wie sieht aber die Praxis aus? Wenn es um den PV-Ausbau gehen soll, fallen als allererstes die riesigen, brach liegenden Dachflächen in den Städten auf. Hier schlummert über 3,8 Millionen Mietswohnungen ein ungenutztes Potential von pro Jahr rund 14 Terawattstunden Sonnenstrom, wie das Wirtschaftsministerium in einer Studie selber mitteilte.
Doch der BEE schlummert auch. Es gibt (oder genauer: gab) im EEG 2017 ja einen einzigen winzigen Lichtpunkt: die Verordnungsermächtigung zur Absenkung der EEG-Umlage auf Mieterstrom von 100 auf 40%. Vermutlich hoffte die Bundesregierung, dass im Tumult über all die sonstigen Verschlechterungen in der neuerlichen EEG-„Deform“ diese Verbesserung nicht auffallen und in Vergessenheit geraten würde. Doch etliche Energiewende-Akteure erkannten die in ihr liegenden Möglichkeiten: Am 13.01.2017 richteten
Bündnis Bürgerenergie e.V.
Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V.
EUROSOLAR e.V.
Solarenergie-Förderverein Deutschland. e.V.
Die Freunde von Prokon e.V.
Landesverband Erneuerbare Energie Sachsen-Anhalt e.V.
MetropolSolar RheinNeckar e.V.
Solarverein Goldene Meile e.V. und
E-W-Nord
gemeinsam ein Schreiben an Wirtschaftsministerin Zypries, in dem sie die zeitnahe Umsetzung der Verordnungsermächtigung forderten.
Nun aber stellte sich heraus, dass die Verordnungsermächtigung fürs Auge, aber nicht für die Umsetzung gedacht war: Die Absenkung der EEG-Umlage erhielt ein Begräbnis 4. Klasse. Die Umlage bleibt also zu 100% erhalten und wird ersetzt durch ein System von „Förderungen“, welches in einem über 20 Seiten starken und auch für Fachspezialisten nur eingeschränkt durchschaubaren „Mieterstromgesetz“ dargestellt wird.
Als der Referentenentwurf vorlag, veröffentlichte der o.g. Kreis, vermehrt um den Bund der Energieverbraucher e.V., die Bürgerwerke eG, die Heidelberger EnergieGenossenschaft eG und Sonnenkraft Freising e.V. am 30.03.2017 eine Stellungnahme. Hierin wurden einige Einzelpunkte im Entwurf kritisiert, aber hauptsächlich erneut darauf hingewiesen, dass die EEG-Umlage zur Förderung und nicht zur Bremsung erneuerbarer Stromerzeugung erfunden wurde, so dass es sich um einen Missbrauch handelt, wenn Eigenverbrauch und Mieterstrom mit ihr belastet werden. Die in der VO-Ermächtigung vorgesehene Absenkung ist wenigstens ein Teilschritt in die richtige Richtung.
Vermutlich aus einer „realpolitischen“ Einschätzung heraus haben
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
Bundesverband Solarwirtschaft (BSW)
Bundesverband Energiespeicher (BVES)
Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften (DGRV)
Deutscher Mieterbund (DMB)
Bundesverband Verbraucherzentrale
LichtBlick
Greenpeace Energy
Naturstrom
Polarstern
das Gesetzesvorhaben begrüßt.
Bei genauerem Durchrechnen der im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen hat sich herausgestellt, dass unter der Annahme, dass die PV-Ausbaudeckelung von 2500 MW erreicht wird und bei Gegenrechnung der bei der Installation der Mieterstromeinrichtungen (Zählerwechsel, ggf. Umbau der kompletten Hauselektrik) erheblichen Investitionen die Mieterstromförderung aufgrund der eingebauten Degression nach 2 Jahren bei Null ankommt.
Offensichtlich handelt es sich bei dem geplanten Mieterstromgesetz um eine Mogelpackung par excellance. Dass der BEE dies begrüßen wollte, darf bezweifelt werden. Gerade angesichts seiner zutreffenden Berechnung des wesentlich zu steigernden PV-Ausbaues ist das Mieterstrom-Potential doch ein, wenn nicht der entscheidende Hebel.