Die Europäische Kommission hat ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Es solle eingehend untersucht werden, ob die geplante Kapazitätsreserve im Einklang mit den EU-Vorschriften stünden, hieß es am Freitag aus Brüssel. Die Kommission habe Bedenken, dass die Maßnahme den Wettbewerb verfälschen und Kraftwerksbetreiber gegenüber Lastmanagern begünstigen könnte. „Unsere Aufgabe besteht darin sicherzustellen, dass die Unternehmen nur dann staatliche Beihilfen erhalten, wenn dies wirklich erforderlich ist, und dass die Beihilfen den Wettbewerb nicht verfälschen. Wir haben derzeit Zweifel an der Erforderlichkeit dieser Maßnahme und Bedenken bezüglich ihrer Ausgestaltung“, erklärte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
Konkret geht es um die geplante strategische Reserve, für die die Netzbetreiber in Deutschland Kapazitäten von insgesamt zwei Gigawatt außerhalb des Marktes vorhalten müssten. Deutschland rechne allerdings nicht mit strukturellen Knappheiten und wolle diese Kapazitätsreserve zur Absicherung gegen unvorhergesehene Entwicklungen oder Extremsituationen im Zuge der Energiewende vorhalten.
Die Kommission wiederum genehmige einen Kapazitätsmechanismus allerdings nur dann nach den EU Beihilfevorschriften von 2014, wenn der Mitgliedstaat nachgewiesen habe, dass eine solche Maßnahme erforderlich und zur Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sei. Zudem müsse der Mechanismus allen Kapazitätsanbietern offenstehen, hieß es von der EU-Kommission. Sie habe Zweifel an der Bewertung, die Deutschland in Bezug auf die Erforderlichkeit der Maßnahme vorgenommen habe. Daher werde sich Brüssel nun detailliert mit den Annahmen und Szenarien auseinandersetzen, die die Bundesregierung bei der Berechnung der Entwicklung von Angebot und Nachfrage im Stromsektor zugrunde gelegt habe. Ein weiterer Grund für das Beihilfeverfahren sei, dass die EU-Kommission nicht in Einfruck habe, dass die Auflösung der Kapazitätsreserve geplant sei, sobald, die Reformen auf dem deutschen Strommarkt greifen würden. Die Regelung soll ab Winter 2018/2019 zunächst zwei Jahre lang gelten. Danach könnte die ursprüngliche Reserve von zwei Gigawatt verlängert und aufgestockt werden.
Die Kommission stellte ferner fest, dass Voraussetzungen für die Teilnahme an der Kapazitätsreserve für regelbare Lasten – also für Kunden, die zur Einstellung oder Verringerung ihres Stromverbrauchs bereit sind, um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen – möglicherweise nicht offen genug sind. Auch ausländische Kapazitätsanbieter seien von der Teilnahme ausgeschlossen, moniert Brüssel.
Auf Grundlage dieser Erkenntnisse schlussfolgere die EU-Kommission derzeit, dass Deutschland vielleicht nicht alle möglichen Marktreformen durchgeführt habe, die den Markt dazu in die Lage versetzen würden, die Versorgungssicherheit zu möglichst geringen Kosten und ohne staatliche Eingriffe zu gewährleisten. Selbst gut konzipierte Kapazitätsmechanismen könnten jedoch entscheidende Reformen des Strommarkts nicht ersetzen. Die EU-Kommission werde nun ihre anfänglichen Bedenken in dem eingeleiteten Verfahren prüfen, das ergebnisoffen geführt werden solle.
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