Weitreichende Kritik an EU-Plänen zur Abschaffung des Einspeisevorrangs

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"Wichtiger Schritt um europäischen Energierahmen neu zu gestalten, aber noch kein ganz großer Wurf!" Das ist die offizielle Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zumumfassenden Legislativpaket, dass die EU-Kommission in Brüssel am Mittwoch präsentierte. Er begrüßte, dass mehr Koordinierung und Konvergenz der nationalen Energiepolitiken basierend auf einem gestärkten europäischen Binnenmarkt geplant sei. „Das neue europäische Strommarktdesign greift die deutsche Richtungsentscheidung für einen Strommarkt 2.0 auf und stellt so die richtigen Weichen“, so Gabriel weiter. Zudem sei es richtig, dass die Versorgungssicherheit künftig nicht mehr allein national, sondern grenzüberschreitend betrachtet werde. Bei anderen Themen fehle allerdings noch der ganz große Wurf. „Der Vorschlag für die Erneuerbaren-Richtlinie verpasst die Chance, konkrete Rahmenvorgaben für die nationalen Fördersysteme zu setzen. Mit einem Flickenteppich aus Einzelfallgenehmigungen werden wir nicht zur Nummer Eins im internationalen Rennen um die Arbeitsplätze von morgen“, so Gabriel weiter.

Auf das eigentliche Reizthema, das von fast allen Photovoltaik-, Erneuerbaren- und Umweltorganisationen aufgegriffen wird, geht Gabriel allerdings nicht ein. Allerdings kündigte er an, dass im Rat und Europäischen Parlament nun offen diskutiert und politisch entschieden werde. „Hier werden wir im Laufe des Verfahrens noch nacharbeiten müssen", so Gabriel weiter. Vielleicht findet in diesem Zuge die weitreichende Kritik der Erneuerbaren-Branche dann auch noch Gehör.

Genau darauf setzt etwa die Photovoltaik-Hersteller-Vereinigung EU Prosun, um doch noch eine „richtige Energiewende“ in der EU zu erreichen. „Mit der nahezu vollständigen Abschaffung des Einspeisevorrangs für erneuerbare Energien wird dem Umstieg auf erneuerbare Energien ein Bärendienst geleistet. Außerdem hat sich – im Vergleich zu früheren Leaks – die Generaldirektion Wettbewerb die Kompetenz zur Ausgestaltung der Erneuerbaren-Energien-Fördersysteme endgültig gesichert“, erklärt Heiko Stubner von EU Prosun auf Nachfrage von pv magazine. Der „Schatten“ der Vorschläge befinde sich vor allem in den Legislativvorschlägen der Kommission. Er sieht daher die Gefahr, dass künftig nur noch einige EU-Beamte über die Erneuerbaren-Förderung in den einzelnen Mitgliedsstaaten entscheiden werden. „Über diese Nackenschläge können Vorschläge für erste zaghafte Ansätze einer europäischen Industriepolitik für erneuerbare Energien oder die mögliche Unterstützung regionaler Kohle-Ausstiegspläne nicht hinwegtäuschen“, so Stubner weiter.

Auch Solarpower Europe sieht einige gute Ansätze in dem Winterpaket der EU-Kommission, aber zugleich Nachbesserungsbedarf. „Die Maßnahmen zum Marktdesign, die die Kommission vorschlägt, gehen in die richtige Richtung, sind aber nicht stark genug, um auf Kohle und Atom auszusteigen“, erklärt Oliver Schäfer, Präsident von Solarpower Europe. Er fürchtet, dass die Energiewende ausgebremst werde, wenn der Ausstieg aus diesen fossilen Energieträgern nicht gelinge. „Dies sind Technologien der Vergangenheit und wir endlich müssen einen Markt schaffen, der auf Erneuerbaren aufbaut.“ Alexandre Rosch, Politikdirektor von Solarpower Europe, ergänzte, dass es nun starke Aktionen brauche, um den Einspeisevorrang für erneuerbare Energien zu erhalten. Der europäische Photovoltaik-Verband begrüßte zugleich, dass die EU-Kommission mit der neuen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie das Recht aller Europäer auf Selbstverbrauch und -erzeugung einräumen wolle.

Deutliche Worte zum Winterpaket findet Greenpeace. „Das Paket legt die deutsche Energiewende in Ketten und tritt das Pariser Klimaabkommen mit Füßen. Die noch immer mächtige Kohle- und Atomlobby will sich mit Kapazitätsmärkten eine Lebensversicherung für ihre schmutzigen und gefährlichen Meiler erschleichen“, erklärt Greenpeace-Energieexperte Niklas Schinerl. Er kritisiert damit die Pläne der EU-Kommission, den Einspeisevorrang für Photovoltaik und Windkraft abschaffen zu wollen. „Es ist fahrlässig, die garantierte Vergütung für Erneuerbare zu kippen, bevor nicht Kohlekraftwerke die hohen Folgekosten ihres schmutzigen Stroms über einen funktionierenden Emissionshandel übernehmen.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert, dass die Bundesregierung bereits vorab „„kampflos Eckpfeiler der deutschen Energiewende preisgegeben“ habe. „Der generelle Einspeisevorrang für erneuerbare Energien soll abgeschafft werden. Er würde in Deutschland künftig nur noch für sehr kleine Anlagen gelten. Das bringt Kohle- und Atomstrom weitere Vorteile und führt zu mehr klimaschädlichen Emissionen“, sagte Tina Löffelsend, Energieexpertin des BUND. Sie forderte von der Bundesregierung, dies nicht zuzulassen. Zwar würden die Belange von Bürgerenergie-Projekten künftig bei der Förderung besser berücksichtigt. Der praktische Nutzen bleibe aber abzuwarten, da es auf die Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten ankomme. „Deutschland hat mit der EEG-Reform gerade vorgemacht wie ein falsches Fördersystem Energieprojekte von Bürgern kaltstellt. Der künftige Wegfall des Einspeisevorrangs bedroht gerade kleine Bürgerenergie-Anlagen", sagte Löffelsend weiter. Zudem sei es „hanebüchen“, dass die EU die nationalen Förderungen für Erneuerbare unter einen Beihilfe-Vorbehalt gestellt werden sollen. „Gegen dieses undemokratische Verfahren müssen sich die nationalen Regierungen wehren. Es muss zudem gewährleistet werden, dass die Förderung Erneuerbarer-Energien-Anlagen künftig nicht nur über Ausschreibungen stattfindet“, forderte die BUND-Energieexpertin.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) spricht von einer verpassten Chance. Mit ihrem Paket werde die EU-Kommission nicht zum Vorreiter, sondern verlangsame die europäische Energiewende. „Durch die jetzigen Rahmenbedingungen für Fördersysteme fehlen Investoren Investitions- und Rechtssicherheit“, Rainer Hinrichs-Rahlwes, Europaexperte im BEE-Vorstand. Mit seinen Vorgaben zu Einspeisevorrang und der Verpflichtung zu grenzüberschreitenden Ausschreibungen greife die EU-Kommission zu sehr in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten ein. Nach dem Willen von Brüssel sollen die Erneuerbaren nicht mehr in vollem Umfang bevorzugt einspeisen dürfen, sondern nur Anlagen mit einer Leistung unter 250 Kilowatt, wenn gleichzeitig Ökostrom einen Anteil von 15 Prozent an der Stromerzeugung erreicht hat. „Das verlangsamt die Energiewende, konterkariert die Klimaschutzziele und verunsichert Investoren“, so Hinrichs-Rahlwes. (Sandra Enkhardt)

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