Sonnen hat eine Finanzierungsrunde über 76 Millionen Euro abgeschlossen, an der sich neben den bisherigen Investoren der Technologie-Konzern Envision Energy und Thomas Pütter beteiligt haben, ehemaliger CEO von Allianz Capital Partners. Bereits im Juni hat sich GE Ventures an Sonnen beteiligt und gemeinsam mit bestehenden Investoren einen „zweistelligen Millionenbetrag“ investiert. Sonnen-Vertriebsgeschäftsführer Philipp Schröder erklärt im Interview, was das für die Strategie des Unternehmens bedeutet.
pv magazine: Sie sind in glücklichen Lage, so viel Geld zu haben wie sonst vermutlich kein anderer Speichersystemanbieter. Was können Sie mit dem vielen Geld machen?
Philipp Schröder: Die Menge an Geld ist viel und viel mehr als bei allen anderen Unternehmen in dem Sektor. Das stimmt. Aber wir wollen auch nicht nur in Deutschland, sondern auf vielen verschiedenen Märkten tätig werden. Wir haben den Anspruch, weltweit in allen Märkten, in denen Energiespeicher eine Rolle spielen, eine führende Position nicht nur zu behaupten, sondern auch auszubauen. Jetzt haben wir die Mittel, um diese Vision nachhaltig umsetzen zu können. Das heißt, ja, das ist viel Geld, aber wir haben auch viel vor. Insofern steht das in einer Relation, die Sinn macht.
In welche Märkte wollen Sie vor allem gehen?
Der wichtigste Markt für uns ist die DACH-Region, also Deutschland, Österreich, Schweiz. Dorthin wird auch der größte Teil des Investments gehen. Wir werden auch weiterhin sehr viel in Forschung und Entwicklung investieren und vor allem die Hardware weiterentwickeln. Wir werden zum Anbieter von AC- und DC-Systemen und für Systeme im Gewerbesektor. Und wir wollen das Servicegeschäft ausbauen. Wir wollen vor allem Topservices anbieten im Bereich Energiedienstleistung. Das ist zum einen die Sonnen-Flatrate. Wir wollen aber auch unsere Möglichkeiten ständig weiterentwickeln.
Sie kaufen ja bisher Wechselrichter bei Steca. Wenn Sie jetzt die Hardware weiterentwickeln, werden Sie mehr selbst machen?
Wir sind immer schon viel in die Hardware gegangen, denn in der Entwicklungspartnerschaft sind auch die Wechselrichter angepasst worden. Aber, ja, wir wollen in der Hardware noch besser werden und auch noch mehr investieren. Das gilt aber auch für die Software, ein Bereich, in dem wir schon heute sehr aktiv sind. Investitionen sehen wir zum Beispiel für das Webportal, für die Steuerung von Wechselrichterhardware, für das Zusammenspiel mit anderen Energieerzeugern, für Schnittstellen zu sinnvollen Ladebuchsen für E-Mobility. Es geht also nicht darum, einen Zulieferer auszutauschen, sondern es geht darum, die Hardware noch mehr zu enabeln. Wir wollen ein System konstruieren, mit dem wir ganzheitlich für den Kunden eine Lösung bieten können, die nicht bei der Solarstromversorgung aufhört.
Wir haben in der letzten Zeit viel über die Energiedienstleistungen und damit über Vernetzung im Stromnetz gesprochen. Jetzt sprechen Sie den anderen Pol der derzeitigen Entwicklungen an, den Smart-Home-Bereich. Werden wir in diesem Bereich mehr sehen?
Ja, am Ende ist das ein Dreiklang: Wir haben einmal die aggregierten Services, die Primärregelleistung, und Direktvermarktung beinhalten. Das haben wir mit der Community begonnen. Zum zweiten sind das die typischen Hardwarethemen. Es geht darum, einen Energiespeicher zu liefern, der nicht nur gut ist, sondern der beste in seiner Klasse. Der dritte Punkt ist, dass wir diese Hardware und diese aggregierten Leistungen auch in das Smart Home bringen. Wir wollen, dass der Kunde nur uns braucht, um sein Haus in allen Themen der Energie, also Wärme und Strom, zu optimieren. Das soll ihm ermöglichen, Geld zu sparen, und dazu beitragen, dass wir dezentrale erneuerbare Energien vermehrt nutzen.
Um das plastisch zu machen: Wie viele Leute arbeiten bei Ihnen in der Entwicklung?
Wir sind momentan am Standort in Wildpoldsried und an unserem Entwicklungsstandort in Atlanta, wo wir für die amerikanisch dominierten Märkte entwickeln, bei ungefähr 45 Entwicklern.
Was wird bei den Energiedienstleistungen noch dazu kommen?
Wir wollen noch flexiblere Tarifstrukturen anbieten. Ich denke ein bisschen an die Mobilfunkanbieter. Es geht auch darum, welche Angebote wir den Kunden in der Sonnen-Community noch machen können Dabei stellt sich die Frage, welche Hardwarekomponenten wir den Kunden noch anbieten können, die außerhalb des Energiespeichers liegen. Das sind Cross-Selling-Aspekte. Alles was wir anbieten muss in Pakete gegossen werden, denn wir wollen ja immer eine vertragliche Beziehung mit dem Kunden und diese langfristig aufrecht erhalten. Unser Anspruch ist es, über die nächsten zwanzig Jahre mit dem Kunden seine Energiethemen zu gestalten. Egal ob Wärme oder Strom. Es geht also darum, auch wärmeseitig Tarife zu entwickeln. Wir müssen also noch mehr lernen, wie ein Telekommunikationsunternehmen zu denken und wie man dem Kunden noch mehr Mehrwert bieten kann, um auch langfristig in der Vertragsbeziehung zu bleiben. Und wir müssen verstehen, welche Teile der Energiedienstleistungen wir selber machen wollen und wo wir uns also so aufstellen wollen, dass wir nicht auf Dienstleister angewiesen sind. Wir werden dabei immer mehr wegkommen von dem reinen Hardwarelieferanten, der wir lange Zeit waren. Das ist die große Aufgabe.
Kann nach der Stromflat auch die Wärmeflat kommen?
Ich will es jetzt nicht vorwegnehmen, aber ich glaube, die Stromflat zeigt unsere Art zu denken. Die möchten wir gerne ganzheitlich anwenden. Ja, in die Richtung wollen wir gehen. Unser Grundgedanke ist, dass sich das Pricing und unser Geschäftsmodell absolut unterscheiden werden von den anderen konventionellen Anbietern. Warum? Weil unsere Kunden immer schon die Wärme- und Stromgenerationen selbst vor Ort haben.
Ihre beiden neuen Investoren – sind das Finanzinvestoren, denen vor allem an der Wertsteigerung von Sonnen liegt, oder haben sie strategische Ziele?
Der eine neue Investor, Thomas Pütter ist ja eine sehr bekannte und auch sehr angesehene Person, die man als Finanzinvestor beschreiben kann. Er glaubt, dass sich der Markt ändert und dass es in dem Umbruch, in dem wir uns gerade befinden, große Chancen gibt. Deshalb investiert er. Der andere Investor, Envision, beteiligt sich an Firmen, die Potenzial haben bei der Disruption in der Dekarbonisierung, egal ob im Auto-Motor-Bereich oder im Energiebereich. Envision hat aber auch operatives Geschäft, in Hamburg ist seit diesem Jahr der Hauptsitz für Europa angesiedelt. Für uns ist es übrigens auch wichtig, Finanzinvestoren zu haben. Wir möchten weiterhin in der Lage sein, ohne Einschränkungen unsere Strategie umsetzen zu können, die ja auch auf den Installateur zugeschnitten ist, ohne dass wir uns einen Tanker reinholen, der eigene konkrete strategische Interessen hat. Wir wollen also Investoren, die uns die Freiheit geben in den nächsten zwei oder drei Jahren in Ruhe zusammen mit unseren Partnern an dem Modell, an das wir glauben, arbeiten zu können.
Wo wird das Ganze enden – irgendwann müssen Sie ja auch eine Exit-Strategie haben? Ist das der Börsengang und wie lange haben Sie dafür Zeit?
Unser Ziel ist nicht ein Börsengang oder irgendeine besondere Exitstrategie. Das Ziel der Firma ist es, in den nächsten zehn Jahren zu einem der dominierenden Anbieter im Neuen-Energien-Geschäft zu werden. Wir sehen uns ganz klar in Konkurrenz zu den klassischen Energieversorgern. Unser Anspruch ist nicht, in 18 Monaten an die Börse zu gehen, sondern, dass wir uns selber in die Lage versetzen möchten, unseren Businessplan erfolgreich umzusetzen. Wir werden entlang des Weges immer wieder schauen müssen, wie finanzieren wir das und was ist die beste Strategie, um diesen Geschäftsplan auch umzusetzen. Wenn wir dafür einen Börsengang brauchen, dann ist das eine Option. Wir sind aber froh, dass wir unseren Finanzbedarf jetzt mit Investoren decken können. Wir sind also extrem gesund unterwegs. Zu unserer Strategie gehört übrigens auch, dass sich an unserem zweistufigen Vertriebs und der Einbindung unserer Partner nichts ändert. In den anderen Ländern, in Italien oder den USA, arbeiten wir genauso.
Wann wird denn der Heimspeicher-Markt in den USA richtig losgehen?
Das ist eine sehr komplexe Frage. Wir gehen davon aus, dass er in den nächsten 12 bis 18 Monaten richtig losläuft. Das liegt sehr daran, wie die einzelnen Bundestaaten ihre Energiepolitik gestalten. Es gibt Staaten wie Arizona oder Nevada, die so viel Solarstrom im Netz haben, dass es kein Net-Metering mehr gibt. In diesen Märkten ist Solar ohne Speicher nicht mehr möglich. Hawaii ist auch so ein Markt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis einer der großen Bundesstaaten wie Kalifornien nachzieht. Daher glauben wir, dass spätestens in den nächsten 12 bis 18 Monaten der Residential-Bereich sehr stark zulegen wird und dann auch größer sein wird als der deutsche Markt.
Wie groß ist zum Beispiel in Hawaii Ihr Marktanteil bei Speichersystemen?
Das müsse Sie jemanden fragen, der weiß, was die anderen verbauen. Wir haben dieses Jahr unter anderem an über 120 Installateure in den USA ausgeliefert. Wir sehen uns aber in der marktführenden Position. Auf den Prozentpunkt kann ich es Ihnen aber nicht sagen. Wir haben in den USA ein Residential-Produkt, bei dem die Backupfunktion wirklich funktioniert, und das acht Kilowatt Leistung für Notstrom bereitstellt. Andere Anbieter haben höchstens 2 oder 3 Kilowatt Leistung. Wir haben auch jetzt bei unseren Kunden in Florida gesehen, die den Hurrikan Mathew erlebt haben, dass die Backupfunktion einer der Must-haves ist, bis der wirtschaftliche Aspekt so stark ist, dass für die Kunden Notstrom auch in den USA nicht mehr so wichtig ist.
Das Gespräch führte Michael Fuhs
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