Wenn sich Module braun färben, lässt das die Herzen der Investoren nicht gerade frohlocken. Wäre der Modul- oder der Anschlussdosenhersteller des diskutierten Falls auf dem 3. Roundtable anwesend gewesen, hätte er sich besser weggeduckt. Bei der Abstimmung hoben die meisten Teilnehmer die „Schwarze Schaf“-Karte – das heißt so viel wie schuldig. Zum EPC war die Stimmung ausgewogener und das Pendel schlug eher in Richtung „grau“. Die Abstimmungen waren dabei nur der unterhaltsame Aspekt des Workshops. Auf der sachlichen Ebene zeigte dieser Fall, welche Konfliktthemen es bei diesem Fehler gibt. Genaugenommen könnte in diesem Beispiel – eines der drei auf dem Roundtable verhandelten – jeder der Beteiligten der Verantwortliche sein. In der Diskussion stellte sich heraus, was man eigentlich wissen müsste, um sich eine Meinung zu bilden. „Die Untersuchungen zu diesem Fall dauern noch an“, sagte Andreas Kleefisch, Rechtsanwalt der Kanzlei Baumeister, der die Diskussion über diesen Fall anregte. Ein paar Zwischenergebnisse gebe es aber schon.
Der Fall: 2.000 von 4.000 Modulen verfärbt
Eine Photovoltaikanlage mit mehr als einem Megawatt Leistung, die ein Installationsunternehmen im Jahr 2010 errichtet hatte, wurde vor Ablauf der fünfjährigen Gewährleistungsfrist im Jahr 2015 routinemäßig geprüft. Dabei fiel auf, dass rund die Hälfte der mehr als 4.000 Module braune Verfärbungen der Rückseitenfolie aufwiesen, die auch an der Modulvorderseite zu sehen waren. Die Verfärbungen traten genau an den Stellen auf, an denen auf der Rückseite die Anschlussdosen befestigt waren. Bei einer stichprobenartigen Kennlinienmessung wiesen mehrere Module eine zu geringe Leerlaufspannung auf. Der Gutachter vermutete, dass dies auf eine oder mehrere aktivierte oder ausgefallene Bypass-Dioden hindeutete. An einigen Modulen waren die Anschlussdosen auch geschmolzen.
Auf der diesjährigen Intersolar in München diskutierten 110 Experten und Akteure der Photovoltaik-Industrie auf dem 3. pv magazine Quality Roundtable über Problemfälle aus dem Modul- und BOS-Bereich. Entsprechende Fälle stellen wir regelmäßig in unseren Artikeln aus der „Schwarze-Schafe“-Serie vor. Diese gibt es auch in den USA. Mehr Informationen zu unseren Quality Roundtables finden Sie hier und in unserem Info-Flyer.
Initiativpartner: Sponsorpartner:
Der Großhändler, der die Module Jahre zuvor an den Installateur verkauft hatte, war mittlerweile insolvent. Daher hat sich der Installateur mit dem Problem direkt an den Modulhersteller gewendet. Dieser erklärte daraufhin, dass es sich bei den Verfärbungen aus seiner Sicht um rein optische Mängel handele, die keinerlei Einfluss auf die Langlebigkeit und Leistungsfähigkeit der Module haben. Entschädigung zu zahlen oder Ersatzmodule zu liefern lehnte der Hersteller daher ab. Auch die Anfertigung eines Schiedsgutachtens sei für ihn nicht in Frage gekommen, so die Beteiligten.
Hersteller sieht keinen Zusammenhang
Daraufhin ließ der Betreiber auf eigene Kosten zwei betroffene Module in einem Prüflabor untersuchen und öffnete selbst die Anschlussdose eines dritten Moduls. In der geöffneten Anschlussdose zeigten sich nach Aussage des Rechtsanwalts Kleefisch massive Verschmelzungen der Bypass-Dioden. Die noch nicht vollständig abgeschlossenen Untersuchungen des Prüflabors ergaben in einem Zwischenergebnis, dass erstens die Anschlussdosen und deren Komponenten dem zertifizierten Typ entsprechen und zweitens in einem Modul zwei Bypass-Dioden kaputt und auf Durchlass geschaltet waren, im anderen Modul alle drei Dioden.
Mit den Verschmelzungen in manchen Anschlussdosen konfrontiert, bot der Hersteller an, die davon betroffenen Module auszutauschen. Einen Zusammenhang zwischen den braunen Verfärbungen der Rückseitenfolien und der Hitzentwicklung in den Dosen will der Hersteller aber immer noch nicht sehen. Er lehnt weiterhin einen Austausch von nur verfärbten Modulen ab. „Wenn ein Zusammenhang zwischen den braunen Verfärbungen und der Überhitzung der Anschlussdosen besteht“, sagt Kleefisch, „ist der Ausfall der restlichen Module absehbar“. Dann Monat für Monat erneut über die Regulierung des Schadens zu verhandeln sei keine zufriedenstellende Lösung. „Das würde sehr hohe Kosten für den Installateur bedeuten.“
Videoreport vom 4. pv magazine Quality Roundtable in Las Vegas auf der SPI 2016 (englisch)
Auf dem Roundtable führte dieser Fall zu heftigen Diskussionen. Dass die Ursache für die braune Verfärbung an den Modulen sehr wahrscheinlich in einer Erhitzung der Anschlussdosen zu finden ist, war ziemlich unstrittig. Warum sich die Anschlussdosen aber übermäßig erhitzen und wer für den Fehler verantwortlich ist, lässt sich bei dem Stand der Analyse aber noch nicht sagen.
Das Technische: Warum Bypass-Dioden aktiv werden
Jeweils eine Bypass-Diode schaltet einen der drei Zellstrings im Photovoltaikmodul kurz. Im Normalbetrieb ist die Polung so, dass die Diode sperrt – es ist, als sei sie nicht da. Wenn eine temporäre Verschattung, eine Verschmutzung einzelner Solarzellen, Zellbrüche oder andere Mängel vorliegen, die die Leistung des Strings beeinträchtigen, ändern sich jedoch die Spannungsniveaus am Zellstring. Dann schaltet die Diode auf Durchlass und schließt den jeweiligen Zellstring kurz, damit die restlichen Zellen in den anderen in Reihe geschalteten Strings ihre Leistung erbringen können. In diesem Fall fließt der gesamte Strom des Modulstrings durch die aktivierte Diode. Die auf Durchlass geschalteten Bypass-Dioden werden durch den Stromfluss naturgemäß warm. Diese Belastung hält während des gesamten Tages an, solange Solarstrom produziert wird. Da der Zellstring, der von der Bypass-Diode kurzgeschlossen ist, ausfällt, bricht in diesem Fall die Modulleistung um ein Drittel ein. Erst nachts kühlen die Dioden wieder ab.
Es gibt auch noch den Fehler, dass eine Bypass-Diode selbst kaputt geht. Dann ist sie entweder durchgehend auf Durchlass geschaltet oder durchgehend auf Isolation. Ist sie durchgehend auf Durchlass geschaltet, gilt das gleiche wie beim verschmutzten Zellstring.
Wer für die Aktivierung verantwortlich ist
Der Fall zeigt, was wer falsch machen kann. Die Frage nach der Verantwortung spaltet sich in zwei Fragen auf. Wer ist verantwortlich dafür, dass die Dioden so viel aktiviert sind. Und: Ist jemand dafür verantwortlich dafür, dass die Rückseitenfolien der Module dadurch so stark erhitzten, dass sie sich verfärbten. Und dann gibt es noch die Frage nach der Wirkung: Ist es überhaupt schlimm, wenn sich Folien braun verfärben?
Für die übermäßige Aktivierung der Dioden könnten alle Beteiligte verantwortlich sein, je nach Schadensursache. Wenn der Grund in Zellbrüchen liegt, hat entweder der Modulhersteller schlechte Arbeit geleistet, weil er die Zellen oder Module während der Produktion nicht ausreichend vorsichtig behandelt hat. Zellbrüche könnten aber auch während des Transports oder der Installation entstehen. Dann hätten das Logistikunternehmen oder der Installateur Fehler gemacht.
Es kann aber auch sein, dass die Dioden durch eine regelmäßige oder dauerhafte Verschattung aktiviert wurden. Das fiele es vielleicht in den Verantwortungsbereich des Projektiers, weil dieser eine Verschattung durch Strukturen in der Umgebung in der Planung nicht ausgeschlossen hat. Vielleicht hat aber auch der Betreiber vergessen, die Wiese zu mähen oder angrenzende Bäume zurückzuschneiden. Wenn eine Verschmutzung, zum Beispiel durch Vogelkot die Ursache für die aktiven Dioden ist, könnte man dafür ebenfalls den Betreiber verantwortlich machen, der die Module hätte reinigen müssen.
Was Bypass-Dioden leisten müssen
Dass die Dioden aktiviert werden, ist im hier beschriebenen Fall aber gar nicht das grundlegende Problem. Bypass-Dioden sind schließlich dazu da, im Störfall zu reagieren und größere Ertragsausfälle im Modulstrang zu vermeiden. Wenn die Dioden der Belastung allerdings nicht dauerhaft standhalten, können die Module beschädigt werden. Das ist hier anscheinend der Fall.
Heribert Schmidt, Experte am Fraunhofer ISE unter anderem für Bypass-Dioden, erklärt, dass es keine normative Aussage dazu gibt, ob Bypass-Dioden einer Dauerbelastung über mehrere Jahre standhalten müssen. Er ist trotzdem der Meinung, dass sie dieses können sollten. Das wäre zum Beispiel bei einem vollständigen Zellbruch oder nach dem Abriss aller Verbindungsbändchen in einem Zellstring nötig.
Eine dauerhaft aktivierte Bypass-Diode ist definitiv ein Mangel, der behoben werden sollte, meint Schmidt. Und das nicht nur wegen der Ertragsminderung. Die permanente thermische Belastung könnte zum systematischen Ausfall der Diode durch Kurzschluss oder Unterbrechung führen. Und auch die umgebenden Materialien werden auf die Dauer „mürbe“. Letztlich könnte es im schlimmsten Fall zu einem „bruzelnden Wackelkontakt“ oder zu einem Lichtbogen kommen. Das wäre dann ein ernsthaftes Sicherheitsproblem.
Zunächst wäre es natürlich naheliegend, die Schuld beim Modulhersteller oder seinen Zulieferern, also dem Anschlussdosen- oder dem Diodenhersteller, zu suchen. Angenommen der Modulhersteller hat darauf geachtet, dass die einzelnen Bauteile mit der Belastung auch von dauerhaft aktivierten Bypass-Dioden zurechtkommen, dann liegt zumindest kein grundlegendes Konstruktionsproblem vor.
Trotzdem kann der Modulhersteller den Schaden verursacht haben. „Es kommt auch vor, dass die Rohstoffe oder vorgefertigten Bauteile falsch gelagert wurden, bevor sie der Hersteller in das Modul einbaut“, sagte ein Roundtable-Teilnehmer. „Wenn man sie unter schlechten Bedingungen lagert, zum Beispiel bei zu hohen Temperaturen oder zu hoher Luftfeuchte, dann können solche Fehler entstehen.“
Untersuchungskosten teilen, Gesamtkosten reduzieren
Eine der wichtigsten Fragen für die anwesenden Besucher war, ob es sich um einen Serienschaden handelt oder um einen einmaligen Schaden. Entsprechend gelte es, dies im vorliegenden Fall herauszufinden. Dazu müsse man als erstes die Dioden genau untersuchen, meinte einer der Teilnehmer. Wenn man wüsste, ob alle Dioden im Modulfeld betroffen sind oder nicht, wäre das schon eine Hilfe.
Ein generelles Problem dabei, sah ein anderer Teilnehmer: Zeit und Kosten für solche Untersuchungen müsste in der Regel der Anlagenbesitzer bezahlen. „Das kann aber sehr teuer werden, je nachdem welche Untersuchungen und welche Statistiken für die Beweisführung nötig sind.“ Aus seiner Sicht sollte es daher gängig werden, dass sich bei unklaren Fällen wie dem hier beschriebenen, alle Parteien an den Kosten für die Untersuchung beteiligen, also zum Beispiel Hersteller, Händler, Installateur und Betreiber gemeinsam. Bei der Regulierung des Schadens könne man im Übrigen auch darüber nachdenken, wie man solche Module reparieren könnte, statt sie auszutauschen. Das sei insgesamt schließlich billiger, als das gesamte Modul wegzuschmeißen, obwohl nur die Anschlussdose defekt ist. Aus seiner Sicht sollte die Branche hierfür – trotz des sich daraus ergebenden Garantieproblems – Wege und Lösungen finden.
Ein Garantieproblem gibt es sowieso bei den Modulen mit verfärbten Folien. Die Frage ist, ob verfärbte Module einen Schaden darstellen, der unter die Produktgarantie fällt, die nach fünf Jahren ausläuft. Etliche Experten gehen davon aus, dass unabhängig von der Ursache und den Bypassdioden, verfärbte Folien auf eine Alterung hindeuten, durch die Module vielleicht nicht sofort, aber innerhalb der anvisierten Betriebsdauer von 20 bis 30 Jahren ausfallen. Wenn vertraglich nichts Entsprechendes vereinbart wurde, muss der Betreiber in der Regel warten, bis das Modul tatsächlich ausfällt. Wenn die Produktgarantie dann abgelaufen ist, greift nur die Leistungsgarantie. Und diese setzt voraus, dass das Modul stark degradiert ist und greift zum Beispiel überhaupt nicht bei Isolationsfehlern. Dass die anwesenden Experten das für eine nicht zufriedenstellende Situation halten, war offensichtlich.
Dioden im Vorfeld prüfen
Deutlich leichter wäre der Fall übrigens zu beurteilen, wenn Hersteller oder Händler Waren-Ein- und -Ausgangskontrollen durchführen würden. Hätte der Modulhersteller vor der Auslieferung alle Dioden geprüft, könnte er einem Gericht oder dem Kunden gegenüber beweisen, dass die Dioden zu diesem Zeitpunkt in Ordnung waren. „Modulhersteller machen in der Regel keine systematische Prüfung der Bypass-Dioden“, erklärt der ISE-Wissenschaftler Heribert Schmidt. Die Dioden würden aber beim Vorlieferanten, also dem Lieferanten der Anschlussdose, zu 100 Prozent getestet – und zwar in Sperr- und in Durchlassrichtung. Wenn dann auf dem Weg zum fertigen Modul nichts mehr mit den Dioden passiert, könne man davon ausgehen, dass sie zu 100 Prozent funktionieren.
Schmidt kennt aber auch Fälle, wo beim Zusammenfügen von Modul und Anschlussdose nahezu systematisch Dioden durch elektrostatische Entladung (engl. electrostatic discharge, ESD) geschädigt wurden. Diese Fehler wurden dann aber beim Flashen der Module oder beim Elektrolumineszenz-Test gefunden. Abhilfe könne in einem solchen Fall eine konsequente Beachtung von ESD-Schutzmaßnahmen bringen, zum Beispiel durch ableitende Bürsten und Erdungen im Produktionsprozess. Aufgrund der Prüfung beim Vorlieferanten, hält Schmidt eine weitere Prüfung der Dioden beim Modulhersteller im Grunde für unnötig. Ein Kurzzeit-Test könnte aber auch in der Modulproduktion ohne großen Aufwand integriert werden, zum Beispiel beim Flashen, da die Module dabei ohnehin kontaktiert werden.
Videoreport vom 3. pv magazine Roundtabe auf der Intersolar Europe 2016 (englisch)
Das Abstimmungsergebnis am Ende des Roundtables lässt sich leicht erklären. „Um die tatsächlichen Ursachen für die Probleme mit den Anschlussdosen zu finden, sind weitere Untersuchungen notwendig“, sagte einer der Experten. „Nach der bisherigen Betrachtung scheint es sich aber um die üblichen Verdächtigen zu handeln“. In seinem Unternehmen habe man es schon mit ähnlichen Fällen zu tun gehabt. Dort sei der Fehler am Ende in den Fabriken zu finden gewesen. Dass auch der EPC sein Fett abbekam ist ebenfalls klar. Er ist der Vertragspartner des Investors. „Im Zweifel hat er bei der Wahl des Modulherstellers danebengegriffen.“
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Mit dem Absenden dieses Formulars stimmen Sie zu, dass das pv magazine Ihre Daten für die Veröffentlichung Ihres Kommentars verwendet.
Ihre persönlichen Daten werden nur zum Zwecke der Spam-Filterung an Dritte weitergegeben oder wenn dies für die technische Wartung der Website notwendig ist. Eine darüber hinausgehende Weitergabe an Dritte findet nicht statt, es sei denn, dies ist aufgrund anwendbarer Datenschutzbestimmungen gerechtfertigt oder ist die pv magazine gesetzlich dazu verpflichtet.
Sie können diese Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. In diesem Fall werden Ihre personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht. Andernfalls werden Ihre Daten gelöscht, wenn das pv magazine Ihre Anfrage bearbeitet oder der Zweck der Datenspeicherung erfüllt ist.
Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.