Volker Quaschning, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, ist als Vorkämpfer für die Energiewende und auch die Photovoltaik in Deutschland bekannt. Am Montag präsentierte er in Berlin nun seine neueste Studie „Sektorenkopplung durch die Energiewende“. Es geht darin, um die Anforderungen an den Ausbau erneuerbarer Energien zum Erreichen der Klimaschutzziele von Paris unter Berücksichtigung der Sektorenkoppelung. Die aktuelle Politik tue dafür zu wenig. Mit den geringen Zubaukorridoren des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist ein Einhalten der Paris-Ziele praktisch unmöglich. Entweder fehlt den politisch Verantwortlichen der nötige Sachverstand oder sie beabsichtigen das Klimaschutzabkommen gar nicht einzuhalten“, so Quaschnings bitteres Fazit angesichts der derzeitigen EEG-Pläne der Bundesregierung. Möglicherweise spekuliere die Politik darauf, teuer nachzujustieren.
In der Studie zeigen die Wissenschaftler der HTW Berlin haben erstmals neben dem Stromsektor auch den Energiebedarf von Verkehr, Wärmeversorgung und Industrie einrechnet, um bis 2040 einen kompletten Umstieg auf erneuerbaren Strom zu erreichen und damit auch eine Chance zu haben, die Klimaschutzzusagen aus Paris einzuhalten. Der Bedarf liege dann jährlich bei 1320 Terawattstunden – doppelt soviel wie heute. Dieser deutlich erhöhte Strombedarf ergibt sich aus der Sektorenkoppelung, da auch bei Verkehr, Wärme und Industrie deutlich mehr erneuerbar erzeugt werden müsse.
Die vorgesehenen Ausbauziele der Bundesregierung bei Photovoltaik, Windkraft und Biomasse aus dem EEG-Gesetzentwurf 2016 reichten dafür bei weitem nicht aus. Die Bundesregierung wolle den Anteil Erneuerbarer auf 45 Prozent bis 2025 begrenzen. Das ist angesichts von bereits erreichten mehr als 30 Prozent quasi eine Ausbaubremse in den kommenden zehn Jahren. „Wir müssen die Wind- und Solarenergie drei bis sechs Mal schneller ausbauen als von der Bundesregierung geplant“, präzisierte Volker Quaschning die Ergebnisse seiner Forschungsgruppe Solarspeichersysteme.
Er setzt dabei vor allem auf die Photovoltaik. Bis 2040 müsse die kumulierte Leistung quasi verzehnfacht werden – von derzeit 40 auf dann 400 Gigawatt Photovoltaik. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten jährlich Photovoltaik-Anlagen mit 15 Gigawatt in Deutschland neu installiert werden – nicht die derzeit vorgesehenen 2,5 Gigawatt jährlich. Etwa die Hälfte der 400 Gigawatt könnte auch Dächern in Deutschland installiert werden. Dafür sollte jedoch eine Pflicht zur Nutzung von Solarenergie bei Sanierungen und Neubauten geben, so Quasching weiter. Er verweist darauf, dass andere Länder diesen Weg bereits gingen. Für die restliche Photovoltaik-Leistung müssten Freiflächenanlagen gebaut werden, was aber auch nur rund ein Prozent der Fläche in Deutschland beanspruchen würde. Die Onshore-Windkraft müsse pro Jahr um 6,3 Gigawatt netto ausgebaut werden statt um 2,8 GW brutto, wie im EEG 2016 anvisiert.
Neben dem Ausbau der Erneuerbaren ist aber auch der Aufbau von Speicherkapazitäten notwendig. Nur so sei es möglich, längere Flauten und Dunkelphasen zu überbrücken. Greenpeace Energy warb in diesem Zusammenhang mit der Vorstellung der HTW-Studie für einen schnellen Einstieg in Power-to-Gas-Technologien, speziell Windgas. „Die im vorhandenen Gasnetz speicherbaren Windgas-Mengen reichen aus, um die Stromversorgung für bis zu drei Monate zu sichern“, erklärte Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation von Greenpeace Energy. Dies ermögliche auch einen Kohleausstieg bis 2030. Um ohne Kohlestrom die nötige Versorgungssicherheit zu gewährleisten, brauchen wir Langzeitspeicher für erneuerbare Energien“, sagte Keiffenheim. „Dieses wichtige Thema ignoriert die Bundesregierung im EEG 2016 aber komplett.“ Nach Berechnungen von Greenpeace Energy sind für das HTW-Szenario eine Elektrolyseur-Leistung von mindestens 80 Gigawatt notwendig, um genug Wasserstoff erzeugen zu können.
Neben der Verstromung von Erneuerbaren und dem Ausbau von Speichern wie etwa Power-to-Gas-Technologien oder auch Batteriespeichern sind bei der Sektorenkoppelung natürlich Wärme und Verkehr zu berücksichtigen. Im Wärmebereich sieht Volker Quaschning die Zukunft in der Wärmepumpe. Kraft-Wärme-Technologien sind nach seiner Ansicht aufgrund der mangelnden Effizienz nur Übergangstechnologien. Im Verkehrssektor sollten ab 2035, spätestens aber ab 2030 keine Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Einige europäische Länder hätten eine solche Maßnahme bereits beschlossen. Ob das Autoland Deutschland den Mut dazu habe, müsse sich zeigen, so Quaschning weiter.
Die im Zusammenhang mit der Energiewende immer aufkommende Kostendiskussion ist Volker Quaschning leid. Auch die fossile Energieversorgung sei nicht umsonst zu haben. Marcel Keiffenheim verweist auf eine Studie seiner Organisation, bei der eine Umlage für die fossilen Brennstoffe erstellt wurde – quasi als Gegenstück zu EEG-Umlage. Er ist daher auch überzeugt, dass das Szenario der HTW Berlin auf lange Sicht günstiger sein werde, da weder Ewigkeitskosten noch Importkosten anfielen. (Sandra Enkhardt)
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Mit dem Absenden dieses Formulars stimmen Sie zu, dass das pv magazine Ihre Daten für die Veröffentlichung Ihres Kommentars verwendet.
Ihre persönlichen Daten werden nur zum Zwecke der Spam-Filterung an Dritte weitergegeben oder wenn dies für die technische Wartung der Website notwendig ist. Eine darüber hinausgehende Weitergabe an Dritte findet nicht statt, es sei denn, dies ist aufgrund anwendbarer Datenschutzbestimmungen gerechtfertigt oder ist die pv magazine gesetzlich dazu verpflichtet.
Sie können diese Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. In diesem Fall werden Ihre personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht. Andernfalls werden Ihre Daten gelöscht, wenn das pv magazine Ihre Anfrage bearbeitet oder der Zweck der Datenspeicherung erfüllt ist.
Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.