Betreiber rüsten auf

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Wie ein Klischee liest sich die Polizeimeldung von Ende März: Die Ermittlungsgruppe (EG) „Helios“ hat eine mutmaßliche Diebesbande aus Polen festgenommen. Die sechs Täter waren im Schutz der Dunkelheit dabei, 24 gestohlene Wechselrichter im Gesamtwert von etwa 50.000 Euro aus einem hessischen Solarpark abzutransportieren. Die Polizei spricht von einer organisierten Bande, der mindestens 22 Raubzüge in Brandenburg, Bayern und Hessen zur Last gelegt werden.
Diebstähle in Solarparks in Deutschland erleben derzeit wieder eine Renaissance. Besonders betroffen sind dabei Anlagen im Nordosten der Republik, und die Schadenssummen gehen in die Millionen, wie die Polizeistatistiken zeigen. Allein in Mecklenburg-Vorpommern gab es zwischen März und Mai dieses Jahres drei schwere Diebstähle, bei denen Solarmodule und Wechselrichter im Gesamtwert von mehr als 500.000 Euro entwendet wurden. Bis Ende Mai beläuft sich der Gesamtschaden durch Diebstähle in dem Land auf 1,25 Millionen Euro. Ähnlich ist nach Polizeiangaben die Lage in Brandenburg. Dort gab es bereits in den ersten drei Monaten des Jahres mindestens 21 Diebstähle in Solarparks, bei denen die Täter Schäden von jeweils 50.000 Euro und mehr verursachten.
Brandenburg hat auf die erneute Zunahme der Diebstähle mit der Gründung der EG „Helios“ im August 2015 reagiert. Die Ermittler arbeiten eng mit polnischen Behörden zusammen, um den Tätern auf die Spur zu kommen. In ihren Meldungen macht die Polizei oftmals keinen Hehl aus der Herkunft vieler Diebesbanden: „Die Täter haben sich nicht viel Mühe gegeben, um ihre Spuren zu verwischen. Sie ließen Handschuhe, eine leere Werkzeugpackung mit polnischer Aufschrift sowie Zigarettenkippen zurück.“ Nach vorliegenden Erkenntnissen gibt es mehrere organisierte Täterbanden in Polen, die sich auf das Abernten von Solarmodulen und Wechselrichtern in Deutschland spezialisiert haben. Auch rumänische Täter seien bereits ermittelt worden, erklärt eine Sprecherin vom Polizeipräsidium des Landes Brandenburg.
Zugleich gibt die Herkunft der Diebesbanden die Richtung vor, wo die gestohlenen Produkte letztendlich landen. „Das Diebesgut wird dann über Hehler zum Teil in Polen, aber auch weiter in Richtung Osteuropa verkauft“, erklärt eine Polizeisprecherin. Die Solarmodule mit einem Neupreis von 180 bis 200 Euro würden in Polen für 60 bis 120 Euro weiterverkauft. Bei Wechselrichtern habe die Polizei derzeit noch „keine Erkenntnisse zu Verkaufspreisen“. Allerdings sei festzustellen, dass das Diebesgut aufgrund der Kennzeichnung der Solarmodule mit Seriennummern oder der Hinterlegung der Seriennummer in der Software der Wechselrichter „möglichst nicht mehr in Westeuropa angeboten“ werden, erklärt die Polizeisprecherin.
Stärker über Registrierung nachdenken
Beim Neckarsulmer Hersteller Kaco setzt man neben der mechanischen Sicherung der Wechselrichter, etwa durch Ketten oder Schlösser am Untergestell, auf diese eindeutige Zuweisung des Geräts durch die in der Software hinterlegte Seriennummer. Diese sei nicht leicht „hackbar“ – also manipulierbar – und könne zur Identifizierung von Diebesgut beitragen, betont Kaco-Sprecher Andreas Schlumberger. Er ist der Ansicht, die Branche sollte daher wieder stärker über die Registrierung der Geräte nachdenken.
Konkurrent SMA präferiert die diebstahlsichere Verschraubung. „SMA setzt hier auf die im Markt am weitesten verbreitete Lösung der diebstahlsicheren Verschraubungen, da diese einfach in der Anwendung, kostengünstig und wirksam sind. Bei unseren Sunny Boy TL-21 gibt es zusätzlich ein Bügelschloss am Gerät“, erklärt Sprecherin Susanne Henkel. Modulhersteller Solarworld empfiehlt zur Diebstahlsicherung ebenfalls die Befestigung der Module am Gestell mit Abrissschrauben.
Der Vorteil dieser Lösung ist, die Diebe können Module und Wechselrichter nur mit „schwerem Gerät“ wie einem Trennschleifer entfernen. Das kann die Produkte beschädigen, erzeugt Lärm und nachts sichtbare Funken, was einen Diebstahl potenziell unattraktiv macht. „Der konsequente diebstahlsichere Verbau der Solarmodule erscheint am wichtigsten“, so die Polizeisprecherin. „Einige Fälle haben gezeigt, dass die Täter von einem Diebstahl absehen, wenn ersichtlich ist, dass die Solarmodule bei Demontage durch die Täter beschädigt werden. Es sollte hierbei, möglichst schon bei der Erstinstallation, auf eine nicht ohne Weiteres zu lösende Verbindung mit dem Untergestell geachtet werden.“ Nachteil dieser Art des Diebstahlschutzes ist: Im Schadensfall – also wenn die Solarmodule oder Wechselrichter wegen Defekten getauscht werden müssen – machen die diebstahlsicheren Verschraubungen die technische Betriebsführung der Anlagen teurer. Denn auch in diesem Fall bleibt nur die aufwendige Demontage mit der Flex.
Nicht in die Karten schauen lassen
Zu Hochzeiten sind gerade im Nordosten viele Konversionsflächen mit Solarparks versehen worden. Oftmals liegen diese fernab jeglicher Zivilisation, handelt es sich doch beispielsweise um alte Truppenübungsplätze. Eine natürliche Sicherung durch die Umweltgegebenheiten ist nur sehr selten vorhanden. Projektierer und Investoren müssen daher individuell bei jeder Anlage entscheiden, welche Schutzmaßnahmen sinnvoll und angebracht sind. Allerdings scheinen einige nicht gern darüber zu reden. IBC Solar etwa will sich beim Thema Sicherung der Solarparks nicht in die Karten schauen lassen. „Auch um den Dieben keine Anleitung zu geben“, sagt Sprecherin Iris Meyer.
Auskunftsfreudiger ist Uwe Czypiorski von F&S Solar, das bislang rund 2.000 große und kleine Anlagen in Deutschland gebaut hat und O&M-Services für mehrere Hundert Megawatt hierzulande leistet. „Solarparks in Deutschland bauen wir grundsätzlich nur mit Zentralwechselrichter“, sagt der technische Geschäftsführer. Diese wiegen in der Regel mehrere Tonnen und seien damit von Dieben nicht einfach abzutransportieren. Versicherungen würden beim Bau von Solarparks in Deutschland heutzutage die diebstahlschutzsichere Verschraubung fordern. Viele Gestellhersteller lieferten entsprechende Materialien bereits serienmäßig mit, sagt Czypiorski.
Zudem setze F&S Solar bei seinen Anlagen in Deutschland in der Regel auf Stabgitterzäune mit Übersteigschutz. Diese ließen sich zusätzlich auch mit Reiß- oder Mikrofondraht ausstatten, um den Dieben das Eindringen zu erschweren. Auch die Installation von festen oder schwenkbaren Kameras sei eine Option zur Überwachung der Anlagen, erklärt Czypiorski. Bei seinen eigenen Solarparks nehme F&S Solar häufig zur Absicherung Wachdienste in Anspruch. „Das Wachpersonal kommt zu unterschiedlichen Zeiten und auf verschiedenen Wegen zum Solarpark, auch dreimal in der Nacht“, so Czypiorski. Aus seiner Sicht ist dies ein sehr effektiver Schutz vor Dieben. Die Kosten dafür seien auf die Betriebszeit der Anlage gesehen vergleichbar mit einer Absicherung durch Reißdrahtzaun und Kameraüberwachung. Bislang ging das Konzept von F&S Solar auf ,und der Projektierer blieb von Diebstählen weitgehend verschont.
Andere Unternehmen haben da weniger Glück, etwa die Recap Global Investors AG. Der Schweizer Anlageberater betreibt für einen luxemburgischen Spezialfonds ein großes Portfolio an Solarparks in Deutschland. Ein größeres Kraftwerk in Brandenburg ist dabei schon mehrfach von Diebesbanden heimgesucht worden, sodass Recap entsprechend reagieren musste, auch um den umfassend bestehenden Versicherungsschutz nicht zu gefährden.
Neben klassischen Sicherungsmaßnahmen entschied sich die Gesellschaft auch für die Lösung von Secondsol. Das Thüringer Unternehmen hat mit PV-Diebstahl.de eine Datenbank aufgebaut, worin derzeit rund 500 Megawatt an Solarmodulen und Wechselrichtern registriert sind. Zusätzlich werden Plaketten für Module und Warnschilder für Solarparks angeboten, die potenzielle Diebe abschrecken sollen. „Wir haben bislang rund 120.000 Etiketten und rund 2.000 Schilder verkauft“, sagt Secondsol-Geschäftsführer Frank Fiedler. Die Preise der mit QR-Codes ausgestatteten Aufkleber sind mengenabhängig und bewegen sich zwischen 8 und 30 Cent pro Stück. Die Kosten für die Sicherheitsschilder liegen je nach Abnahmemenge zwischen 18 und 30 Euro.
Da die Plaketten und Schilder in erster Linie zur Abschreckung gedacht sind, hat Recap nicht alle seine Solarmodule mit den Aufklebern versehen und registriert. „Die Abschreckung und die Kennzeichnung der Module, die nicht rückstandsfrei entfernt werden kann, stellt eine deutliche Erschwerung des Wiederverkaufs dar und hat uns auch zu dieser Maßnahme bewogen“, sagt Anja Spannaus, Prokuristin der von Recap betreuten Solarparks. Sie bezeichnet diese als „Baustein einer kostengünstigen Variante eines präventiven Diebstahlschutzes“.
Potpourri aus weiteren Maßnahmen
Recap setzt auf ein „Potpourri aus weiteren Maßnahmen“, um seine Solarparks langfristig vor Raubzügen zu sichern, wie es Spannaus ausdrückt. Dafür habe das Unternehmen auch Kontakt zur EG „Helios“ gesucht. „Die Einschätzung und Erfahrung der Sonderermittlungsgruppe hat uns sehr geholfen, wirksame Maßnahmen zu identifizieren sowie die rechtlichen, sicherheitstechnischen Implikationen zu kennen“, erzählt sie. Es habe sich dabei auch gezeigt, dass für jede einzelne Anlage eine separate Gefährdungsbeurteilung notwendig sei.
Spannaus zeigt sich überrascht, dass das Thema Diebstahl seit diesem Jahr eine solche Renaissance erlebt. „Ich würde erwarten, dass Module und Wechselrichter, die älter als zwei bis drei Jahre sind, eigentlich unattraktiv für Diebstähle sind“, sagt die Recap-Prokuristin mit Blick auf die gesunkenen Preise. Besonders nachteilig bei Bestandsanlagen sei, dass eine nachträgliche Nachrüstung von Maßnahmen zum Diebstahlschutz sehr teuer werden kann. Wären diese bereits bei der Anlagenplanung berücksichtigt worden, dann wären sie weitaus kostengünstiger zu realisieren gewesen. Eine kostenintensive Nachrüstung bleibe dann auch nicht ohne Auswirkungen auf die Rendite. Daher müssten sich gerade diese Maßnahmen nach Ansicht von Spannaus für die Betreiber und Investoren wirklich bezahlt machen und den erhofften Schutz bringen.
Polizei hat Zugriff auf Datenbank
Bei Secondsol hat die Polizei Zugriff auf die Datenbank mit den registrierten Modulen und Wechselrichtern. Im Falle, dass sie einen Transporter mit gestohlenen Modulen stoppt, könne sie anhand der Seriennummern den Besitzer der Module ermitteln, sodass der Diebstahl dadurch aufgedeckt und der Geschädigte auch konkret zugeordnet werden könne, erklärt Spannaus. Zudem habe der Dieb einen „kostenerhöhenden“ Aufwand, wie es Fiedler ausdrückt, da er vor Ort oder im Lager die Etiketten aufwendig entfernen müsse, wenn er die Module weiterverkaufen wolle. „Seine Beute ist so auch gegebenenfalls im Ausland weniger wert und nur in einem eingeschränkten Käuferkreis abzusetzen. Alles in allem geht es darum, den Diebstahl der Module unrentabel zu machen“, sagt Fiedler.
Technisch ausgeklügelter ist, was Viamon 2014 auf den Markt gebracht hat. Es handelt sich um eine selbst entwickelte und patentierte Monitoringlösung, die mit ihrem GPS-basierten Geofencing eine integrierte Diebstahlsicherung für Solarmodule und Wechselrichter darstellt. Viamon setzt dafür auf eine „smarte Anschlussdose“, sagt Bas Zapf von dem Pfälzer Unternehmen. Sie enthalte GSM sowie ein globales Ortungssystem und Akku. „Die Lösung kostet für Parkbetreiber zwischen einem und drei Cent pro Watt je nach Größe der Anlage“, so Zapf. Neben der Größe seien auch das Layout und die Umweltgegebenheiten maßgeblich für die Höhe der Kosten. Das Servicepersonal von Adler Solar, mit denen Viamon eng zusammenarbeitet, könne mittlerweile mehrere Hundert Anschlussdosen am Tag nachrüsten.
Ähnlich wie bei der Lösung von Secondsol ist es nicht sinnvoll und schon gar nicht wirtschaftlich, alle Module eines Solarparks auszustatten. Daher setzt Viamon auf ein vierstufiges Modell zur Absicherung von Freiflächenanlagen. Mittels Risikoanalyse und -bewertung wird bestimmt, welche Areale des Solarparks besonders gut zugänglich für Diebe sind und sich zum Abtransport der gestohlenen Waren eignen. Nach den Ergebnissen richte sich dann, welche Bereiche mit der smarten Anschlussdose aus- oder nachgerüstet werden. Zum Risikomanagement gehöre auch, das Sicherheitskonzept regelmäßig zu überprüfen, erklärt Zapf.
Insgesamt hat Viamon bislang 22 Solarparks mit mehr als 200 Megawatt Leistung mit seinem GPS-basierten Diebstahlschutz ausgestattet, darunter viele Anlagen in Deutschland. Hinzu kommen einige große Dachanlagen. „Wir waren überrascht, dass wir einen so großen Heimatmarkt für unsere Lösung vorgefunden haben“, sagt Zapf, der bei Viamon im Business Development arbeitet. Wirtschaftlich sei die Lösung eigentlich erst für Anlagen ab einem Megawatt; es seien aber schon wesentlich kleinere Systeme mit seinen Anschlussdosen ausgestattet worden. Dabei handele es sich um Spezialanlagen wie Offgrid-Systeme in den Alpen oder für Wasserpumpen in Chile, wo die Solarstromerzeugung essenziell sei, erzählt Zapf. Mit Baywa setzt ein erfahrener Projektierer, vor allem für seine Solarparks in Großbritannien, auf das System von Viamon. Es gebe zudem Gespräche mit Modulherstellern, die Anschlussdosen bereits bei der Fertigung zu integrieren, sagt Zapf.
Bei der Lösung von Viamon melden sich die Sensoren in den Anschlussdosen regelmäßig bei einem Server. Dies könne individuell festgelegt werden – etwa zu bestimmten Uhrzeiten oder auch beim Wechsel von Funkzellen. Die Sensoren seien dabei äußerst sensitiv eingestellt, sodass jede Meldung geprüft werde, um Fehlalarme zu verhindern, erklärt Zapf das Prinzip. Eine verifizierte Alarmmeldung werde dann an die Leitstellen des betreffenden Sicherheitsdienstes oder Betreibers weitergegeben, der dann einen Alarm auf der Anlage auslöse oder sich direkt vor Ort begebe.
Weltweites Tracking
Das System sei auch noch hilfreich, wenn die Ware bereits aus der Anlage gestohlen sei. „Die Sensoren geben weiter regelmäßig ihre GPS-basierten Meldungen ab“, sagt Zapf. Der Weg des Diebesguts könne so verfolgt werden. Für die Polizei sei die Viamon-Lösung damit eine zugriffsunterstützende Maßnahme. Wie lange die Sensoren ihre Signale noch aussendeten, hänge von der individuellen Einstellung ab. Theoretisch seien ein bis zwei Monate möglich, sagt er. Das GPS-Signal funktioniert über Landesgrenzen hinweg und ermöglicht somit ein weltweites Tracking. Nach Einschätzung der Polizei ist es für Betreiber durchaus lohnenswert, über die Viamon-Lösung nachzudenken. Die Installation von GPS-Modulen zur Diebstahlerkennung und Wiederauffindung von Diebesgut scheine „erfolgversprechend“, so die Brandenburger Polizeisprecherin.
Letztendlich müssen Projektierer und Investoren individuell entscheiden, auf welche Schutzmaßnahmen sie für ihre Anlagen setzen und wie viel Geld sie dafür ausgeben wollen. Einigkeit besteht darüber, dass sich eine Diebstahlsicherung, die bereits bei der Planung der Anlage mitbedacht wird, lohnt. Eine Nachrüstung ist immer mit deutlichen Mehrkosten verbunden.
Ob die Strafen die Diebe abschrecken können, darf angesichts des zu erzielenden Profits aus den Raubzügen bezweifelt werden. Die polnische Diebesbande, die die EG „Helios“ in Hessen festgenommen hat, wartet in der Justizvollzugsanstalt Gießen auf ihren Prozess. Gegen die sechs Beschuldigten sei Haftbefehl wegen schweren Bandendiebstahls erlassen worden. Damit drohen ihnen Freiheitsstrafen zwischen einem und zehn Jahren.

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