pv magazine: Im November hat das Sonnenhaus-Institut eine Neuausrichtung bekannt gegeben. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen und was steckt dahinter?
Georg Dasch (Foto): Das Sonnenhaus-Institut war schon immer einer der Vorreiter des solaren Bauens. Verschiedene Techniken der Energiegewinnung aus Sonnenstrahlen sind unser Thema. Viele Jahre stand die Solarthermie für hohe solare Deckungsgrade in der Wärmeversorgung bei uns im Mittelpunkt. Jetzt haben wir andere Technologien, vor allem die Photovoltaik, in unsere Standards aufgenommen. Allerdings waren die Kriterien des Sonnenhauses schon immer technologieoffen. Mit neuen technischen Möglichkeiten passen wir unsere Kriterien an die Randbedingungen an.
Sie haben neue Kategorien entwickelt. Können Sie kurz erklären, welche es nun gibt und was sich dahinter verbirgt?
Ursprünglich haben wir unsere Kriterien an der Wärmeversorgung des Hauses orientiert. Die Photovoltaik war schon immer Teil des Energiekonzepts der Sonnenhäuser, fand sich aber nicht in den Standards. Schon mein erstes Sonnenhaus 1998 hatte eine Indach-Photovoltaik-Anlage mit 2 Kilowatt. Nun versuchen wir, unsere Kriterien an die KfW-Effizienzhäuser anzulehnen, um einen normierten Nachweis zu ermöglichen. Dadurch soll es Energieberatern und Planern möglich sein, mit Zusatzkenntnissen in Solarsimulation die Nachweise zu führen. Unsere neuen Kategorien heißen Sonnenhaus Standard, Sonnenhaus Plus und Sonnenhaus Autark. Zusätzlich gibt es das Sonnenhaus im Bestand: Die erst genannten technischen Optionen können auch bei bestehenden Gebäuden umgesetzt werden.Die genauen Definitionen sind auf unserer Internetseite erläutert.
Was hat sie bewogen, neben der Solarthermie nun stärker auch auf Photovoltaik für ihre Sonnenhäuser zu setzen?
Wir wollten schon immer die Bewohner mit Wärme, Strom und Mobilität von der Sonne versorgen. Es gibt zahlreiche Sonnenhäuser mit großen Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen auch aus den Anfangsjahren. Wenn es Platz auf dem Dach gab und die Bauherren es wollten, haben wir Photovoltaik mit gebaut. Damals waren es natürlich Volleinspeiseanlagen, heute sind es Eigenverbrauchsanlagen. Unser Ziel ist ein hoher Autarkiegrad mit geringen Folgekosten, auch als nachhaltige Anlagestrategie und Altersvorsorge.
Auch Wärmepumpen können nun in Sonnenhäusern eingebaut werden. Das ist überraschend, da Sie doch eher als Kritiker von Wärmepumpen bekannt sind. Wie kam es zu diesem Sinneswandel und sehen Sie Wärmepumpen noch immer kritisch?
Die Technologie der Wärmepumpe betrachte ich neutral. Kritisch betrachte ich die Aussagen zur Technologie. Meiner Erfahrung nach halten Wärmepumpen in der Praxis nie die vorhergesagten Arbeitszahlen ein. Auch die Primärenergiefaktoren für Strom entsprechen nicht den realen Heizstromverbräuchen. Wir rechnen uns da Ökologie schön, das wird uns auf dem Weg der Energiewende wieder einholen. Der verstärkte Ausbau der Wärmepumpenheizungen wird auch die Laufzeiten der Kohlekraftwerke deutlich verlängern, insbesondere die Luftwärmepumpen in Kombination mit Photovoltaik-Anlagen.
Wird es also in Richtung Heizen mit Solarstrom und Wärmepumpe gehen oder denken Sie, dass die Solarthermie aus ihrem Tief herauskommen wird?
Für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende werden wir einen Energiemix aus allen erneuerbaren Energien brauchen. Der Anteil der Solarthermie wird gerade stark unterbewertet. Sie kann zum Beispiel auch helfen, die Effizienz von Wärmepumpen extrem zu verbessern und den Autarkiegrad der Eigenstromversorgung zu erhöhen. Das haben wir in dem Effizienzhaus Plus von Schlagmann und Baywa in Burghausen bewiesen. Hier haben wir eine Kombination von Solarthermie, Wärmepumpe und Photovoltaik installiert. Im Messjahr Februar 2014 bis Januar 2015 lag die Jahresarbeitszahl für das Solarwärmesystem bei 10,7!
Wie erreichen Sie diese Zahl?
Der Wärmeverbrauch lag in dem Zeitraum bei 12.045 Kilowattstunden, der Stromverbrauch für die Wärmeerzeugung bei 1.126 Kilowattstunden. Davon lieferte die PV-Anlage noch circa ein Drittel. 743 Kilowattstunden wurden aus dem Netz bezogen, damit erreicht die Arbeitszahl Wärmeerzeugung zu Netzstrombezug 16,2. Das ist sensationell! Eine Luftwärmepumpe mit Photovoltaik-Eigenstrom hat eine Jahresarbeitszahl von etwa 5. Wir haben außerdem einen Autarkiegrad von 61 Prozent bei der Stromversorgung in dem Effizienzhaus Plus inklusive Haushaltsstrom, Heizung und Elektromobilität.
Einige stören sich an den meterhohen Wärmespeichern, die in Sonnenhäusern aufgestellt werden. Bauen Sie die noch ein?
Mir ist kein Fall bekannt, wo ein meterhoher Speicher in ein Haus eingebaut wurde und der Bauherr sich daran gestört hat. Wer sich mit Solararchitektur beschäftigt, der hat verschiedene Möglichkeiten. Mit großen Speichern sind Deckungsraten von 60 bis 100 Prozent für die Wärmeversorgung möglich. Wo die Grenze erreicht ist, was sinnvoll erscheint, kann jeder für sich entscheiden. Ein gut gedämmtes Haus kann ich mit einem Speicher ab etwa 1000 Liter Größe zum Sonnenhaus machen. Die Größe des Speichers hat also mit den persönlichen Wünschen des Bauherrn zu tun. Ein viel veröffentlichtes Sonnenhaus mit großem Speicher hat halt in zehn Jahren nur 15 Raummeter Scheitholz verbraucht. Das sind jährliche Brennstoffkosten von 120 Euro. Das heißt, pro Monat braucht die Bewohner zehn Euro Brennstoffe für Heizung, Warmwasser und Schwimmbadheizung. Im Vergleich zu einem Tesla ist das auch noch sehr preiswert. Beim Solarwärmespeicher rechnen wir mit einer Lebensdauer von mehr als 50 Jahren.
Es ist überraschend, dass ein Verband, der bisher auf Solarthermie und Biomasse fokussiert hat, mit der Kategorie „Sonnenhaus f“ nun auch auf Öl und Gas setzt. Wieso?
Als Verband setzen wir überhaupt nicht auf Öl und Gas. Unsere Absicht ist es, den Öl- und Gasverbrauch durch den Einsatz von Solarthermie um mehr als die Hälfte zu reduzieren. Allerdings ist es schon richtig, dass wir vor der Einführung der neuen Kategorien die Kombination von Sonne und Holz in den Mittelpunkt gestellt haben, welche wir immer noch priorisieren. Aber es gibt eben Bauherren, die mit einer Gastherme nachheizen möchten, und das wollen wir ihnen ermöglichen. Gas betrachten wir als Brückentechnologie. Deshalb gibt es die Kategorie „Sonnenhaus f“, was für fossile Nachheizung steht. Wenn die Infrastruktur, also das Gasnetz, vorhanden ist, ist es akzeptabel. Außerdem soll die Gasversorgung auch noch ökologischer gestaltet werden, zum Beispiel mit Biogas oder Power-to-Gas. Sonnenhäuser mit Ölheizungen haben wir nicht gebaut, und das wollen wir auch nicht.
Wodurch erreichen Sie den extrem niedrigen Primärenergiebedarf bei Sonnenhäusern?
Sonnenhäuser sind sehr sparsam, die Anlagentechnik ist auf einen sehr geringen Stromverbrauch optimiert und die Wärme wird überwiegend von der Sonne geliefert. Unsere Mindestanforderung an den Primärenergiebedarf lautet jährlich maximal 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Neubau. Im Reigen der Niedrigenergiehäuser ist das sehr wenig. Ein Sonderfall sind neu gebaute Sonnenhäuser mit einer fossilen Zusatzheizung, wobei wir auch an Strom aus dem öffentlichen Netz als Antriebsenergie für Wärmepumpen denken. Hier darf der Primärenergiebedarf zwischen 15 und 30 Kilowattstunden pro Quadratmeter pro Jahrliegen.
Wo steht das Sonnenhaus bei den gängigen Energiesparhaus-Konzepten, also Passivhaus, Plusenergiehaus, KfW-Effizienzhaus oder ähnliches?
Ein gut gemachtes Sonnenhaus ist das sparsamste in der Praxis bewährte Konzept. Es kann dabei durchaus auch andere Kriterien wie Passivhaus oder Effizienzhaus Plus erfüllen. Wir betrachten das Sonnenhaus als Schulterschluss. Die gute Dämmung, das Hauptmerkmal von Passivhäusern, ist die Voraussetzung, um einen niedrigen Wärmebedarf im Sonnenhaus zu bekommen. Photovoltaik, Charakteristikum von Plusenergiehäusern, integrieren wir für die Eigenversorgung mit Solarstrom für den Haushalt und Elektromobilität. Und die große Solarthermie-Anlage, das Kennzeichen von Sonnenhäusern, erzeugt einen Großteil des Heizenergiebedarfs umweltfreundlich mit Sonnenenergie. Dabei ist unser Ziel ein hoher Autarkiegrad bei Wärme und Strom.
Lange Zeit schien es so, als ob sich die Vertreter von Passivhaus und Sonnenhaus „behaken“ würden. Suchen Sie nun eine Annäherung?
In der Diskussion um Konzepte hat sich das Sonnenhaus etabliert. Die Passivhaus-Bewegung hat die Technologien des energieeffizienten Bauens vorangetrieben. Sie sind genauso Vorreiter wie das Sonnenhaus-Institut auch. Der Schwerpunkt des Sonnenhauses lag eben auf der Technik für die solare Wärmeerzeugung, der des Passivhauses auf der Dämmung und der Lüftungstechnik. Aus diesem Baukasten kann sich der Planer bedienen und gute Häuser planen. Die Zertifizierung ist nicht so wichtig. Die Menschen sollen es in Zukunft warm haben und mit Strom versorgt werden, ohne das Ökosystem Erde so stark zu verändern, dass menschliches Leben auf der Erde schwierig wird. Leider sind wir momentan auf einem anderen Pfad.
Wie hoch ist die Nachfrage nach Sonnenhäusern und sind Sie damit zufrieden?
Die Nachfrage nach Technologien des solaren Bauens ist viel zu niedrig. Damit kann keiner zufrieden sein.
Inwiefern können Sonnenhäuser Geschäftschancen für Wohnungsunternehmen, Banken oder Energieversorger bieten?
Wohnungsunternehmen können mit niedrigen Nebenkosten, die durch die Sonnenhaus-Technik erzielt werden, Immobilien für Käufer und Mieter attraktiver machen. Das hat zum Beispiel unser Mitglied, das Chemnitzer Bauunternehmen FASA AG, sehr schön gezeigt, indem es ziemlich heruntergekommene Gründerzeithäuser zu Sonnenhäusern saniert. Auch im Neubau sind niedrige Energiekosten natürlich ein Argument.
Banken können ihren Kunden eine sinnvolle Altersvorsorge erleichtern, indem sie günstige Kredite für den Bau eines Sonnenhauses bieten. Energiekosten, die im Ruhestand nicht gezahlt werden müssen, sind bares Geld wert. Ein Vorreiter ist hier die VR-Bank Altenburger Land, die mit Unterstützung unseres Vorstandsmitglieds Timo Leukefeld ein energieautarkes Haus baut. Das Projekt zeigt auch, wie Energieversorger profitieren können. Bei diesem Haus wird der Energieversorger EnviaM den Wärmespeicher nutzen, um darin überschüssigen Wind- und PV-Strom einzulagern.
Ein Kritikpunkt am Sonnenhaus waren bislang die höheren Kosten. Die große Solarthermie-Anlage schlägt mit Mehrkosten zu Buche. Spielt das bei den Kunden eine Rolle?
Meine Kunden wollen ein Sonnenhaus. Für sie stellt sich die Frage: Ist es leistbar, können sie es zahlen? Ich denke, der Vergleich zu Autos und luxuriösen Bädern, bei denen auch niemand nach Wirtschaftlichkeit fragt, wurde schon oft bemüht. Die Technologie rechnet sich, denn wir gehen von langen Lebensdauern aus, beim Wärmespeicher zum Beispiel von über 50 Jahren. Durch die jahrzehntelange Energieeinsparung amortisieren sich die Mehrkosten im Laufe der Zeit. Aber noch einmal: Unsere Kunden wollen CO2 einsparen, sie wollen Unabhängigkeit und Wohnkomfort, ohne sich einschränken zu müssen, und sie können es sich leisten.
Seit 2015 gibt es die Innovationsförderung für weitgehend solar beheizte Gebäude im Marktanreizprogramm, außerdem die Möglichkeit, nach Kollektorfläche oder Ertrag fördern zu lassen. Können Bauherren dies beim Sonnenhaus nutzen?
Die Förderung für Sonnenhäuser ist gut. Die Innovationsförderung des BAFA hat ja ein eigenes Programm für Sonnenhäuser aufgelegt. In Bayern können Sie momentan für ein Zweifamilienhaus im Sonnenhausstandard und dem Effizienzhaus 40 Standard bis zu 40.000 Euro Förderung erhalten. Das ist wirtschaftlich. Eine Chance, die man sich eigentlich nicht entgehen lassen sollte.
Das Interview führte Sandra Enkhardt.
Zusatzinfos:
Beispielrechnungen für die Förderung:www.sonnenhaus-institut.de/wp-content/uploads/solarfoerderung_beispiele.pdfSonnenhaus-Institut e.V.:www.sonnenhaus-institut.de
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