Wenn Florian Meyer-Delpho zu seinen Kunden fährt, treffen zwei Kulturen aufeinander. Auf der einen Seite das Start-up, das inzwischen Finanzierungen im siebenstelligen Bereich eingeworben hat, auf der anderen Seite die doch eher gediegene Welt der Stadtwerke.
Am Ende haben beide etwas davon. Florian Meyer-Delpho und seine Gründerkollegen, die zusammen vor drei Jahren in Bielefeld Greenergetic ins Leben gerufen haben, kommen aus der Solarbranche und können über ein Handwerkernetzwerk bundesweit Photovoltaikanlagen installieren. Die Stadtwerke haben den Kontakt zum Endkunden, der die Solaranlagen kaufen oder mieten soll, und ein großes Interesse an den Beziehungen zu ihnen. Zusammen können sie stark sein.
Greenergetic hat den pv magazine award gewonnen, der von einer unabhängigen Jury vergeben wird.
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Die Idee: Greenergetic bietet ein webbasiertes Portal an, das Stadtwerke auf ihrer Website einbinden und über das die Endkunden Kontakt aufnehmen können. Was Greenergetic darüber hinaus übernimmt, können die Stadtwerke frei wählen. Im Angebot sind Vertriebsprozesse, Marketing und Logistik. Im Prinzip kann das Start-up die gesamte Abwicklung inklusive eines Photovoltaik-Pachtmodells übernehmen. Der Clou ist, dass der Endkunde das nicht merkt, da die Greenergetic-Produkte und -Leistungen „White-Label-Produkte“ sind, also unter dem Namen der Stadtwerke vermarktet werden.
Steiles Wachstum im schrumpfenden Markt
In absoluten Zahlen ist das auf diese Weise an die Hausbesitzer gebrachte Volumen an Solaranlagen noch nicht riesig. Im Sommer hatte Greenergetic pv magazine mitgeteilt, dass „die Megawatt-Schwelle überschritten“ sei. Ein Megawatt entspräche 200 Anlagen mit einer durchschnittlichen Größe von fünf Kilowatt und einem kaum messbaren Marktanteil.
Doch das Wachstum ist steil. „Einer unserer Lizenznehmer hat innerhalb von 18 Monaten in seiner Region einen Marktanteil von rund 15 Prozent erreicht“, sagt Florian Meyer-Delpho, „und das in einem schrumpfenden Markt.“ Das von Greenergetic insgesamt verbaute Volumen habe sich bisher jedes Jahr verdreifacht und diese Geschwindigkeit sei auch das Ziel für die Zukunft. Inzwischen werden bereits 20 bis 30 Anlagen pro Woche bestellt. Das wären hochgerechnet auf ein Jahr schon gut 1.000 Anlagen.
Auch auf Seiten der Stadtwerke hat sich in der letzten Zeit viel getan, was ein weiteres Wachstum erwarten lässt. „In den letzten zwei Jahren haben die meisten erkannt, dass sie Photovoltaik als einfachem Einstieg in den breiten Markt der Energiedienstleistungsprodukte anbieten müssen“, so Meyer-Delpho, obwohl es ihnen wirtschaftlich oft nicht gut gehe.
Die Referenzliste von Greenergetic kann sich sehen lassen. Unter den mittlerweile fast 60 Kunden, davon gut 20 bereits als online gelistet und verlinkt, sind zum Beispiel N-ergie aus Nürnberg, die Stadtwerke Kiel, die Dortmunder Energie- und Wasserversorgung und die zu RWE gehörenden Lechwerke.
Für Investoren ist Greenergetic interessant, da das Unternehmen ein skalierbares Geschäftsmodell hat. „Das hat sich in der kurzen Unternehmenshistorie bereits bestätigt“, sagt Marcel Vonnahme, Investmentmanager bei dem Hauptinvestors E-Capital aus Münster. „Der Ansatz grenzt sich von den bisherigen Geschäftsmodellen im Photovoltaikmarkt ab und deckt doch einen großen Teil der Wertschöpfungskette ab.“ Der onlinebasierte Vertriebsansatz sei sehr effizient. Wenn Greenergetic einen großen Marktanteil erreicht, sei das „strategisch wertvoll“.
Das zeigt ein Blick in die USA. Dort räumen Unternehmen wie Sunrun, Solarcity und Sungevity mit Online-Portalen und Mietmodellen für Solaranlagen mit sehr hohen Wachstumsraten den Markt auf. Ein Grundstein für den Erfolg in den USA ist die Finanzierung mit enormen Summen, die den Aufbau eines starken Vertriebs erlauben, und die Vorfinanzierung von Anlagen, die an Kunden vermietet werden. „Wir sind das amerikanische Modell, übertragen auf den fragmentierten deutschen EVU-Markt“, sagt Meyer-Delpho, der sich selbst als langjährigen Fan dieser Geschäftsmodelle bezeichnet. Allerdings ist Greenergetic nicht das erste Unternehmen, das versucht, es zu übertragen.
Allerdings ist Greenergetic nicht das erst Unternehmen, das versucht, es zu übertragen. Ähnliches hat beispielsweise DZ-4 vor, das auch schon den pv magazine Award erhalten hat. Im Unterschied zu Greenergetic richtet sich DZ-4 direkt an Endkunden, wodurch es zum Wettbewerber der EVUs wird.
Mietanlagen von Banken mitfinanziert
Die EVU-Kunden von Greenergetic können frei wählen, ob sie Teile der Auftragsabwicklung selbst übernehmen. Ein großer Kunde habe das jetzt ausprobiert und sei wieder davon abgekehrt, sagt Meyer-Delpho hörbar stolz. Greenergetic sei in der Abwicklung vermutlich effizienter, als es viele im Solargeschäft unerfahrene Stadtwerke können. Außerdem hat das Unternehmen einen Skaleneffekt, weil es höhere Volumen umsetzen kann. In der Regel baut also formal gesehen Greenergetic und verkauft die Anlage dann an das EVU. Dieses verkauft es mit einer einstelligen Marge weiter an den Endkunden.
Auch bei dem Mietmodell hat Greenergetic laut Meyer-Delpho Vorteile. Sie würden die Anlagen in einem Tochterunternehmen bündeln, eine Bank würde einen beträchtlichen Anteil über Kredite refinanzieren, und sie könnten mit einer geringeren Rendite leben als EVUs heute immer noch erwarten.
Inzwischen ist Greenergetic allerdings nicht mehr allein mit dem Angebot. So bieten etwa Eon Solar und Trianel ähnliche White-Label-Produkte an. In Zukunft will Greenergetic nicht nur bezüglich der unters Volk gebrachten Solaranlagen expandieren, sondern auch bezüglich der Produkte. Derzeit bauen die Entwickler in Bielefeld eine Art Energiedienstleistungsportal auf, in dem sie nach dem gleichen Modell nicht nur Photovoltaikanlagen, sondern auch Speicher, Wärmepumpen und Smart-Home-Produkte als White-Label-Portal verkaufen und einbauen. (Michael Fuhs)
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