Leinen los für den Ausbau der Erneuerbaren

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pv magazine: COP21 in Paris steht vor der Tür. Was wünschen Sie sich dort für ein Ergebnis?
Hermann Falk (Foto): Wir wünschen uns verbindliche C02-Reduktionen, die nicht nur auf dem Papier stehen und bei nächster Gelegenheit aufgeweicht werden. Die Reduktionen müssen so weit gehen, dass die Erderwärmung unter zwei Grad bleibt. Zwei Grad wären bereits eine enorme Belastung für das Leben auf der Erde. Die Weltwirtschaft muss dekarbonisiert werden und benötigt dafür klare, verpflichtende und langfristig verlässliche Weichenstellungen in jedem einzelnen Land. Das kann nur mit konkreten und rechtlich verankerten nationalen Plänen funktionieren. Ich betone: die Unternehmen brauchen eine verlässliche Politik, die langfristig angelegt ist, also im besten Sinne nachhaltig wirkt.Der einzige Weg zu mehr Klimaschutz bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum führt über den Ausbau der erneuerbaren Energien, und das weltweit und übergreifend in den drei Bereichen Strom, Wärme und Mobilität. Die COP21 muss somit einiges bringen: ein tragfähiges Klimaschutzabkommen mit verlässlichen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien.

Glauben Sie, dass dieses Ergebnis wirklich erreicht wird? Die Klimagipfel der vergangenen Jahre waren doch nur wenig erfolgreich.

Sagen wir: Ich bin vorsichtig optimistisch. Einige Voraussetzungen sind deutlich besser. Vor allem sind die Kosten für die Wind- und Solartechnologie nochmals deutlich gesunken, was ihnen international einen regelrechten Boom beschert hat und inzwischen auch von immer mehr Politikern und global tätigen Unternehmen wahrgenommen wird. Dazu kommt, dass sich mit den USA unter Präsident Obama ein relevanter Player Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat und dass zum Beispiel die chinesische Bevölkerung mehrheitlich nach mehr Klimaschutz ruft. Das sind wichtige und erfreuliche Signale.

Drängt nicht auch die Zeit?
Die Frage nach einer erfolgreichen Klimaschutzpolitik ist drängender geworden. Gerade China leidet vielfach unter der extremen Smog-Belastung durch die Kohleverbrennung. Folgen der Klimaerwärmung wie extreme Wetterkapriolen mit Dürren oder Überschwemmungen sind seit einigen Jahren verstärkt spürbar.

In Deutschland ist die Energiewende derzeit etwas ins Stocken geraten. Die Bundesregierung droht ihre eigenen Klimaschutzziele zu verfehlen. Was sollte die Bundesregierung unternehmen, dass es nicht soweit kommt?

Runter von der Bremse, auf der die Politik seit drei Jahren steht! Der Ausbau der Photovoltaik wird seit 2012 und der der Bioenergie seit 2015 systematisch von der Politik der Bundesregierung ausgebremst. Auch die dringend notwendige Rahmensetzung für eine echte Wärmewende lässt auf sich warten.

Aber in der Vergangenheit gab es auch einige Erfolge?

Die Energiewende war in Deutschland eine einzigartige Erfolgsgeschichte, doch wurde sie in den vergangenen Jahren von interessierter Seite schlecht geredet. Leider rückte damit die notwendige Thematisierung der Kosten für Atom und Kohle in den Hintergrund. Dadurch könnte auch die Erreichung der Klimaschutz- und Energieziele scheitern. Deutschland droht nicht nur eine Verfehlung des nationalen Klimaschutzziels für 2020, sondern auch eine Verfehlung des Erneuerbaren-Anteils von 18 Prozent, zum dem sich Deutschland deutlich vor Fukushima gegenüber der Europäischen Union verpflichtet hat. Deutschland benötigt deshalb einen verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien, einen angemessenen Mix von Energie aus Wind, Photovoltaik, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie sowie eine viel bessere Verzahnung der Bereiche Strom, Wärme und Mobilität. Das aktuelle Ausschreibungsdesign weist in die falsche Richtung, nämlich zurück in die Zentralisierung der Energieversorgung und eine rigorose Deckelung unseres dynamischen, innovativen Wirtschaftszweiges.

Verlieren wir international den Anschluss?
Wenn die Bundesregierung jetzt nicht Gas gibt und den Ausbau der erneuerbaren Energien puscht, fallen wir bei der Photovoltaik und Bioenergie noch weiter zurück. Das Problem ist ja, dass wir schon auf einem viel besseren Weg waren. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass 2015 Erneuerbaren-Strom rund ein Drittel unseres gesamten Stromverbrauchs stellt? Die Losung muss deshalb lauten: ambitionierte Ziele einhalten, Marktkräften und Effizienzgewinnen der erneuerbaren Energien vertrauen, den Markt mit dem passenden Rahmen nur flankieren. Leinen los statt Leinen an.

Angenommen in Deutschland würde der Klimaschutz Priorität bekommen, wie schnell können die erneuerbaren Energien ihrer Meinung nach in Deutschland ausgebaut werden?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die erneuerbaren Energien sehr viel schneller wachsen können, als in den Szenarien erwartet wurde. Wichtig ist der politische Wille: Ist die Ambition eher niedrig, werden wir erst 2050 eine völlige Umstellung des Stromsektors auf 100 Prozent erreichen. Nimmt man den Klimaschutz wirklich ernst und erhält die Technologieführerschaft deutscher Unternehmen, halten wir auch 2030 für erreichbar. Die erforderlichen Speicher- und Flexibilitätstechnologien sind vorhanden und werden in den nächsten Jahren noch besser und günstiger. Die Kosten sind damit zu beherrschen. Am Ende hängt es davon ab, wie mutig die Politik die Rahmenbedingungen setzt.

Aber wie sieht das im Wärme- und Verkehrssektor aus?
Im Wärme- und Verkehrssektor wird die Umstellung länger dauern. Aber auch hier denken wir, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien vor 2050 möglich ist. Die Elektrifizierung des Verkehrs bietet umfassende Möglichkeiten, Biokraftstoffe runden das Angebot ab. Der internationale Flugverkehr wird allerdings schwierig umzustellen sein. Die Sektoren besser zu koppeln und die Energieversorgung übergreifend zu denken, wird künftig eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Politik wird dieses Thema in den nächsten Jahren stärker angehen müssen. Der Energiesektor ist der Hauptemittent der schädlichen Treibhausgase – und gleichzeitig der Sektor, der am leichtesten umgestellt werden kann. Besonders vor dem Hintergrund, dass die Dekarbonisierung anderer Bereiche vermutlich schwieriger werden wird, ist klar: Ein CO2-freier Energiesektor muss vor 2050 erreicht werden. Dann können auch die Klimaschutzziele bis 2050 erreicht werden.

Fürchten Sie im Stromsektor einen rückläufigen Zubau von erneuerbaren Energien, wenn wie geplant die Förderung nach der nächsten EEG-Novelle weitgehend auf Ausschreibungen umgestellt wird?
Wir sehen eine Menge Risiken bei Ausschreibungen, vor allem hinsichtlich der Akteursvielfalt, dem weiteren Ausbau in den erforderlichen Mengen sowie der Kostenentwicklung. Die Ausschreibungspläne sehen für Windenergie einen Netto-Ausbau von 2,5 Gigawatt im Jahr 2017 vor. Im Vergleich zu der für 2015 prognostizierten Menge von 4 bis 4,5 Gigawatt netto wird das ein deutlicher Rückgang. Bei Photovoltaik und Bioenergie findet in Folge der vergangenen EEG-Novellen bereits kein nennenswerter Ausbau mehr statt. Auch die ersten Pilotausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen haben angesichts der zu kleinen Mengen keine Erholung bewirkt. Wie viele der in den Ausschreibungen bezuschlagten Projekte am Ende tatsächlich umgesetzt werden, ist noch nicht absehbar.

Der deutsche Photovoltaik-Zubau wird in diesem Jahr voraussichtlich nicht einmal 1,5 Gigawatt erreichen. Was sind die Gründe aus Ihrer Sicht dafür?
Mit dem EEG 2012 begann der Zusammenbruch des Photovoltaik-Marktes, die EEG-Novelle von 2014 und die Schlechterstellung des Eigenverbrauchs haben die Entwicklung noch beschleunigt.

International steigt die Photovoltaik-Nachfrage weiter stark an. Droht Deutschland den Anschluss zu verlieren?
In Deutschland findet durch die politischen Reglementierungen bereits kein nennenswerter Ausbau mehr statt. Die Politik kann und muss daher auf das Ausschreibungssystem bei Dachanlagen und die Belastungen des Eigenverbrauchs verzichten, um den Photovoltaik-Markt wiederzubeleben, damit er gegenüber anderen Märkten nicht noch stärker ins Hintertreffen gerät. Der Weltmarkt profitiert von den stark gesunkenen Preisen. Der technologische Fortschritt hat der Photovoltaik eine unvergleichliche Kostendegression beschert, die sie unter verschiedensten Voraussetzungen rentabel macht. Sie ist zudem eine gute Möglichkeit, um als Einzelbürger bei der Energiewende mitmachen zu können und selbst Verbraucher und Produzent von Energie zu werden. Voraussetzung ist und bleibt aber: die Politik schafft geeignete Rahmenbedingungen. In Deutschland hat das mit dem EEG funktioniert und von hier aus ist der Funke übergesprungen, so dass mittlerweile in 145 Ländern der Boden für den Siegeszug der erneuerbaren Energien bereitet wurde – mit entsprechendem Erfolg.

Die Fragen stellte Sandra Enkhardt.

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