Kommunalpolitiker mögen sie, Kleinanleger anscheinend auch. Bürgerenergiegenossenschaften sind in der Regel positiv besetzt und so auch die Energiegenossenschaft Salzach-Inn, kurz Egis. Das zeigt die Aussage von Hubert Böse. „Ich finde es sehr gut, dass die Bürgerenergiegenossenschaft den Solarpark übernommen hat“, sagt der Bürgermeister der thüringischen Kleinstadt Themar. Dort liegt der Solarpark Wachenbrunn, ein Kraftwerk mit 8,7 Megawatt Leistung. Auf der steinigen Kuppe stand früher ein Sender des Rundfunks der DDR. Landwirte wollten die Fläche nach der Sprengung nicht. Damit war der Weg frei für die Energiegenossen.
Die Egis hat den pv magazine award gewonnen, der von einer unabhängigen Jury vergeben wird.
Die kommen von 300 Kilometer weiter südlich, aus dem bayerischen Neuötting. Elmar Wibmer ist einer der Mitinitiatoren und jetzt im Vorstand. Er war früher Vorstand der örtlichen Raiffeisenbank und bezeichnet sich selbst als „politisch engagiert“. Er ist außerdem Schatzmeister des Ortsvereins und des Kreisverbands von Altötting der Freien Wähler. „Wir haben 2012 zu einer Veranstaltung eingeladen, um zu diskutieren, wie eine solche Energiegenossenschaft aussehen könnte“, sagt er. 50 bis 60 Teilnehmer hätten sie erwartet, über 100 seien gekommen. Das habe sie ermuntert weiterzumachen. Im Januar 2013 haben sie die Energiegenossenschaft gegründet. Gleich zu Beginn seien 145 Menschen beigetreten. „Werbung haben wir eigentlich nicht gemacht“, sagt Wibmer.
Überregional und online abgewickelt
Christoph Strasser, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft, sieht – im Vergleich zu etlichen anderen Energiegenossenschaften – einige Besonderheiten ihrer Gründung, die es erlaubten, auch in den schwierigen heutigen Zeiten zu investieren. Der erste Unterschied betrifft die Regionalität. Viele Bürgerenergiegenossenschaften haben den regionalen Bezug in ihrer Satzung festgeschrieben, da Regionalität ein Zeichen von Bürgernähe ist. Davon haben sich die Neuöttinger verabschiedet. „Wir haben von vornherein gesagt, dass man sich, egal wo man wohnt, beteiligen kann“, sagt Strasser. Damit einher geht der zweite Unterschied, dass die Genossenschaft ein umfassendes Tool zur Online-Abwicklung nutzt, durch das Bürger schnell Anteile zeichnen können. Ohne diese beiden Elemente hätte ein 8,7-Megawatt-Solarpark wie in Wachenbrunn nie abgewickelt werden können, ist sich Strasser sicher.
Er stellt die Verbindung zum Projektierer Maxsolar dar, dessen Vertrieb er leitet. 82 Prozent der Investitionssumme von fast neun Millionen Euro von Wachenbrunn hat die Umweltbank als Kredit gegeben, der Rest wurde von dem Projektierer vorfinanziert. Die Genossenschaft übernahm dann sukzessive die Projektgesellschaft und hat zur Refinanzierung neue Anteile ausgegeben, „Das muss schnell gehen und darf nicht ein Jahr dauern“, sagt Strasser. Dafür war es nötig, überregional mit dem Online-Portal und wenig Verwaltungsaufwand einwerben zu können. Das Kooperationsmodell erlaubt seiner Einschätzung nach, auch mit Ausschreibungen große Anlagen umzusetzen. „Eine Genossenschaft alleine hätte es schwer, das Risiko zu übernehmen“, sagt er. Wenn etwas schiefgeht, geht zum Beispiel die Zweitsicherheit verloren. Bei einem Solarpark wie Wachenbrunn wäre es da um mindestens 200.000 Euro gegangen. Das Risiko könne kein Genossenschaftsvorstand auf sich nehmen.
Beteiligung der Anteilseigner
Dass die Egis eine Genossenschaft ist, bedeutet, dass die Anteilseigner Einsicht in die Geschäftsunterlagen haben können und über die Geschäftsleitung abstimmen. Dabei hat jeder Anteilszeichner nur eine Stimme, unabhängig von der Höhe der Einlage. „Das ist für uns Basisdemokratie“, sagt Strasser. Dreimal gab es schon eine Generalversammlung, in der diskutiert wurde, welchen Weg sie einschlagen solle. „Bei einem Fonds ist das anders“, sagt Wibmer, „da hat man kein Mitspracherecht.“
Die Genossenschaft ist nicht rein gewinnorientiert, sondern hat sich zum Ziel gesetzt, auf die Einlagen drei bis vier Prozent Rendite zu geben. Die Projekte werden vermutlich einige Prozentpunkte mehr erwirtschaften. Intern wird daher mit einer höheren Rendite kalkuliert. Wie das Geld verwendet wird, wird dann aber unter den Mitgliedern abgestimmt. Einmal im Jahr wird sie vom Genossenschaftsverband kontrolliert.
100-prozentige Anlagesicherheit kann auch eine Genossenschaft nicht bieten. Thomas Pfister von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen betont daher, dass es auch bei Genossenschaften ein Totalverlustrisiko gibt. Das liegt daran, dass sich die Banken entsprechend der Kredithöhe Zugriff auf die Einnahmen sichern. Wenn etwas schiefgeht, bleibt den Besitzern, also den Anteilszeichnern, nichts mehr übrig. Pfister bestätigt aber auch, dass sich Genossenschaften als „eine robuste Gesellschaftsform“ erwiesen hätten und die Insolvenzquote gering sei (siehe pv magazine, Juni 2015, „Fragen und Antworten zu Crowdfunding-Plattformen“).
Die Genossenschaft will auch Projekte machen, die klassische Investoren nicht umsetzen würden, vorausgesetzt sie dienen der Energiewende. Derzeit realisiert sie etwa eine Photovoltaikanlage an einer Lärmschutzwand, einen Carport mit Elektrotankstelle beim örtlichen Freibad und ein Wasserkraftwerk in der Region. Dazu gibt es auch einen eigenen regionalen Stromtarif, den sie über die Bürgerwerke in Heidelberg abwickelt. Im April sind die Stadtwerke von Meerane, 400 Kilometer nördlich in Sachsen gelegen, auf Maxsolar zugekommen und haben angefragt, ob nicht ein Bürgerenergiepark umgesetzt werden kann. Dort geht es jetzt weiter. (Michael Fuhs)
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