Bundesregierung und EU-Kommission sind sich einig: Langfristig müssen erneuerbare Energien am Markt bestehen. Deutschland hat erst kürzlich einen großen Schritt in Richtung Marktintegration getan: Die erste Auktion für Photovoltaik-Freiflächenanlagen wurde erfolgreich abgeschlossen.
Doch das allein wird nicht reichen, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Denn zur größten Herausforderung für den Solar-Ausbau im großen Stil könnte der Wertverlust von Solarstrom an der Börse werden. Seit 2006 hat Solarenergie sechs Prozent Marktanteil erobert. Gleichzeitig hat Solarstrom fast ein Drittel seines Wertes an der Börse verloren. Dies sind Kernergebnisse der neuen Studie „The Economics of Wind and Solar Variability“. Für die Zukunft zeigen Modellergebnisse, dass jede Megawattstunde Strom aus Photovoltaik-Anlagen bei 15 Prozent Sonnenanteil im Netz nur noch halb so viel Wert ist.
Der Preisverfall ist schon jetzt an den Strombörsen Europas zu beobachten. Vor wenigen Jahren war der Strompreis in den Mittagsstunden besonders hoch, heute ist er oft gerade dann sehr niedrig – weil mittags viel Solarstrom erzeugt wird. Setzt sich diese Selbstkannibalisierung der Erneuerbaren in gleichem Maße fort, werden Solarzellen wohl noch lange nicht wettbewerbsfähig sein. Der Marktwertverlust von Solarstrom bedeutet, dass diese Technologien länger gefördert werden müssen, als viele hoffen. Dieser Effekt tritt auch bei Windkraft auf, jedoch in geringerem Maße. Der Grund ist, dass solare Stromerzeugung auf weniger Stunden im Jahr konzentriert ist als die durch Wind.
Der Marktwert von Solarstrom an der deutschen Strombörse ist seit 2006 um fast ein Drittel gefallen. Der „Wertigkeitsfaktor“ ist definiert als der Erlös je MWh Solarstrom geteilt durch den durchschnittlichen Strompreis (base-Preis). Quelle: Hirth (2014)
Die Szenarien für den Wertverlust des Solarstroms basieren auf einer Modellierung des europäischen Stromsystems mit dem Strommarktmodell „EMMA“. Darin ist eine Vielzahl von Faktoren mit eingeflossen, wie etwa die Zusammensetzung des konventionellen Kraftwerksparks, die Existenz von Stromspeichern, der großflächige Netzausbau oder die Import- und Exportmöglichkeiten in Nachbarländer. Die Kernergebnisse: Speisen die Erneuerbaren zu einer bestimmten Stunde Strom ein, sinkt die Netto-Nachfrage und damit der Preis. Solarerzeuger machen sich also selbst den Preis kaputt.
Modellergebnisse zeigen: steigt der Anteil von Solarstrom auf 15 Prozent, sinkt der Wert einer MWh Solarstrom um die Hälfte. Quelle: Hirth (2015)
Einige Kritiker hoffen zwar, ein anderes Strommarktdesign könne das Problem beheben. Der heute existierende Strommarkt müsse anders gestaltet werden müsse, um den Wertverlust aufzuhalten. Ein anderes „Strommarktdesign“ müsse her, so dass Windstrom sein „wahrer Wert“ beigemessen wird.
Hier wird jedoch übersehen, dass der Strompreis nicht beliebig definiert werden kann, sondern eine fundamentale ökonomische Interpretation hat. Der Strompreis verdeutlicht die marginal Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für elektrische Energie und gleichzeitig die Grenzkosten der Erzeugung. Der Marktwertverlust kann nicht einfach durch ein alternatives Strommarktdesign „wegdefiniert“ werden.
Dieser Wertverlust kann laut der Studie nicht vollständig aufgehalten werden. Allerdings existieren verschiedene Rezepte, die den Wertverlust abmindern könnten: mehr Speicher, mehr Netze, flexiblere konventionelle Kraftwerke. Windenergie profitiert zwar nur wenig von Stromspeichern wie Pumpspeicherkraftwerke. Solarenergie aber, die inhärenten Tag-Nacht-Schwankungen unterliegt, könnte ein Ausbau solcher kurzfristigen Speicher deutlich helfen.
— Lion Hirth ist promovierter Researcher amMercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft „neon neue energieökonomik“. Von 2011 bis 2014 arbeitete Hirth als Analyst für erneuerbare Energien für den schwedischen Energiekonzern Vattenfall mit einem Schwerpunkt auf der Modellierung langfristiger Strompreise. Kürzlich hat er seine Doktorarbeit am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) unter Ottmar Edenhofer abgeschlossen, dieser Beitrag basiert auf den Forschungsergebnissen. —
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