Was möglich ist, wenn Handytechnologie, neue Bezahlsysteme und Photovoltaik zusammenkommen, führt das Berliner Startup Mobisol vor. Im Handumdrehen hat es viele Probleme mit den Solar-Home-Systemen in stromnetzfernen Regionen Afrikas gelöst, die viele Entwicklungshilfeprojekte in der Vergangenheit zum Scheitern gebracht haben.
Mobisol hat den pv magazine award gewonnen, der von einer unabhängigen Jury vergeben wird.
Angefangen hat es im Jahr 2010. Ein Bekannter hatte dem Gründer Thomas Gottschalk damals vom Trend zum „mobile money“, also zum Bezahlen via Mobiltelefon, in Afrika erzählt. Daraus entwickelten die beiden die Geschäftsidee, Solar-Home- Systeme per Mikrofinanzierung in Ostafrika anzubieten. Mit durchschlagendem Erfolg. Nicht die superneue Photovoltaiktechnologie hat Mobisol innerhalb der vier Jahre zu einem Unternehmen mit rund 400 Mitarbeitern gemacht, sondern das dank moderner IT-Infrastruktur mögliche neue Geschäftsmodell. Rund 12.000 Systeme hat das Start-up mit Hauptsitz in Berlin nach eigenen Angaben bereits in den ostafrikanischen Ländern Ruanda und Tansania verkauft. Oder besser: verleast. Denn der Kern des Geschäftskonzepts ist der Mietkauf.
Die Technik ist schnell erzählt. Zum Paket gehören einerseits Komponenten wie Module, Wechselrichter, Montagegestell und ein Batteriesystem. Die Erzeugungsleistung liegt dabei je nach Anforderung zwischen 30 und 200 Watt. Zum anderen werden auch Stromverbraucher wie LED-Lampen, Fernsehgeräte oder Ladestationen für Mobilfunkgeräte mitgeliefert. „Das hängt davon ab, wofür der Kunde den Strom braucht“, sagt Thomas Gottschalk, Mitgründer und Geschäftsführer von Mobisol. „Wir bieten zum Beispiel auch eine Ausrüstung für einen kleinen Friseursalon mit elektrischen Rasierern und entsprechenden Ladestationen an.“
Mikrofinanzierung mit geringer Ausfallquote
Das Besondere am Konzept von Mobisol ist die Art der Finanzierung dieser Anlagen. Kunden können im Rahmen eines Mietkaufs mit einer geringen Anfangsinvestition einsteigen und die Anlage in bis zu 36 monatlichen Raten abbezahlen. Dafür ist nicht wie sonst üblich ein eigenes Bankkonto nötig, sondern nur ein Mobiltelefon. Die Zahlungen werden per SMS abgewickelt, über ein System für den bargeldlosen Geldtransfer namens M-Pesa, das von den Mobilfunkfirmen Safaricom und Vodafone entwickelt wurde. Dieses wird auch in Ruanda und Tansania genutzt. Nachdem das Solarsystem abbezahlt ist, geht es in den Besitz des Kunden über.
Für ein 80-Watt-System mit allen BOS-Komponenten, drei LED-Lampen inklusive Lampenschirmen, einer Taschenlampe und einem 17-Zoll-Fernseher, müssen Kunden zum Beispiel eine einmalige Anzahlung von 75 US-Dollar leisten und 36 Monatsraten à 22 US-Dollar bezahlen. Kunden, die das System sofort abbezahlen, erhalten eine Preisminderung um 25 Prozent. Die monatliche Rate für ein 30-Watt-System, das mehrere Räume beleuchten, ein Radio betreiben und drei Handys pro Tag aufladen kann, beträgt neun US-Dollar. Nach Erhebungen von Mobisol muss ein Durchschnittshaushalt in Ruanda oder Tansania ohne Solarsystem allein für Licht aus Petroleumlampen, Kerzen oder batteriebetriebenen Taschenlampen 12 bis 15 Dollar pro Monat ausgeben. Kunden können mit dem kleinsten Solarsystem also schon Geld sparen, während sie die Raten noch abzahlen.
Ein kleines System von Mobisol hat eine Leistung von 80 Watt und umfasst mehrere LED-Lampen sowie einen Fernseher. Das größte System bringt 200 Watt Leistung. Optional werden zum Beispiel passende Kühlschränke, Handy-Ladestationen oder Equipment für einen Friseursalon mitgeliefert. (Foto: Mobisol)
Konzepte der Mikrofinanzierung gibt es schon länger, und sie sind auch in Ruanda und Tansania an sich nichts Neues. Ein Problem war aber oft, dass die vereinbarten Raten nicht rechtzeitig oder gar nicht gezahlt wurden. Deswegen ist jede Solaranlage von Mobisol mit einer SIM-Karte ausgestattet. Wird nach mehrmaligen Erinnerungen seitens Mobisol nicht gezahlt, kann die Anlage aus der Ferne abgeschaltet werden.
Das bedeutet, dass der Kunde keinen Strom mehr bekommt und somit einen hohen Anreiz hat, die Rate schnellstmöglich zu bezahlen. Erst bei Zahlungseingang wird die Anlage wieder freigeschaltet, so dass erneut Solarstrom fließt. „Wir haben in unserem Geschäftsplan eine Ausfallquote von zehn Prozent angenommen. In der Realität sehen wir aber, dass sie deutlich besser ist und bei unter fünf Prozent liegt“, sagt Gottschalk.
Betrieb in Afrika möglich machen
Es ist bekannt, dass die Wartung technischer Systeme wie zum Beispiel von Solaranlagen in entlegenen Regionen Afrikas oft nicht funktioniert. Für Kunden von Mobisol ist die Wartung der Solar-Home-Systeme während der ersten drei Jahre, in denen die Käufer noch ihre Raten abzahlen, im Preis inbegriffen. Mobisol garantiert sogar eine Reparatur innerhalb von 48 Stunden, was insbesondere in Ostafrika keineswegs selbstverständlich ist. Um einen solchen Service zu gewährleisten, hat das Unternehmen in Ruanda und Tansania eigene Akademien für die Ausbildung einheimischer Servicetechniker gegründet. Hier werden potenzielle zukünftige Mitarbeiter in ein- bis zweiwöchigen Kursen so weit geschult, dass sie ihr erlerntes Wissen anschließend unter anderem als Freelancer für Mobisol einsetzen können. Anschließend generieren sie Einnahmen, indem sie Mobisol-Systeme installieren oder reparieren. „Von unseren 400 Mitarbeitern sind rund 300 in Ostafrika aktiv. Die meisten sind freiberuflich beschäftigt und entweder Techniker oder Verkäufer, manche machen auch beides“, erklärt Gottschalk.
Das Monitoring der Anlagen findet in Berlin statt. Jedes Solar-Home-System ist dafür mit einem GSM-Modem ausgestattet, das alle drei Minuten die Systemdaten übermittelt. Dazu gehören unter anderem Daten zur Stromerzeugung, zum Ladezustand des Speichers und zum aktuellen Stromverbrauch. Wird eine Unregelmäßigkeit festgestellt, werden die Daten in Berlin analysiert und interpretiert. Daher sei normalerweise auch schnell klar, welche Komponente kaputt ist und ausgetauscht werden muss, meint Gottschalk. Diese Informationen gibt Mobisol anschließend an einen Techniker vor Ort weiter, der dann zur Reparatur ausrückt.
Anfangs habe Mobisol die Anlagen zusätzlich mit einem elektronischen Diebstahlschutz ausgestattet, erklärt Gottschalk. „Das haben wir wieder ausgebaut, weil wir festgestellt haben, dass Diebstahl in Ruanda und Tansania kein Thema ist.“ Von bisher rund 12.000 installierten Systemen seien nur drei gestohlen worden, eins davon vom Teststand in Berlin. „Insofern ist die Diebstahlquote in Afrika gar nicht so schlecht, wie man häufig denkt.“
Start mit Entwicklungsgeldern und Business-Engeln
Die Anschubfinanzierung erfolgte über die private Haleakala-Stiftung, die sich aus Geldern aus dem Solarsektor finanziert. „Das hat uns erlaubt, einen Prototyp zu bauen und erste Gespräche mit potenziellen Partnern in Afrika zu führen“, sagt Gottschalk. Danach kamen weitere Fördergelder hinzu. Die eine Hälfte stellten Fonds verschiedener europäischer Länder bereit, die für die Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Energiewirtschaft in Ostafrika vorgesehen sind. „Fast jedes europäische Land hat ein Programm für solche Projekte in Afrika“, sagt Gottschalk. „Allerdings ist bei diesen Fonds oft eine Bedingung, dass man 50 Prozent des nötigen Geldes selbst mitbringt.“
Für die andere Hälfte der Finanzierung brauchte Mobisol also einen weiteren Finanzier und fand ihn schließlich in Holger Feist, einem Mitbegründer von Q-Cells, der das Projekt als Business Angel laut Gottschalk „zu sehr günstigen Bedingungen“ unterstützt hat. Dadurch wurde die Teilfinanzierung über die Entwicklungsfonds erst möglich. „Das war eine sehr spannende Phase, in der wir besonders kreativ sein mussten“, erinnert sich Gottschalk. „In den ersten drei Jahren war Geld ein sehr knappes Gut, das wir effizient einsetzen mussten. Da haben auch bei einer Summe von 20 Euro genau hingeschaut, ob das wirklich nötig ist.“
Die Anschubfinanzierung über eine Stiftung war nötig, um einen Prototypen zu bauen und erste Kontakte mit Partnern in Ostafrika aufzunehmen. (Foto: Mobisol)
Nach den ersten drei Jahren waren rund 2.000 Kunden gewonnen, und Mobisol fing an, schwarze Zahlen zu schreiben. Damit hatte das Unternehmen laut Gottschalk genügend Erfolge vorzuweisen, um zu zeigen, dass das Konzept funktioniert und von verschiedensten Akteuren positiv bewertet wird. So kamen weitere Finanziers hinzu, zum Beispiel die Deutsche Entwicklungsgesellschaft (DEG) und weitere europäische Fonds für die Entwicklungszusammenarbeit sowie private Investoren. Insgesamt sei so bis heute eine zweistellige Millionenfinanzierung eingeworben worden.
Fördergelder werden nach Angabe von Mobisol eins zu eins an den Kunden weitergegeben. Dadurch werden die Solarsysteme für den Kunden günstiger. Das Geschäftsmodell würde laut Unternehmen aber auch ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung funktionieren. „Das System ist auch ohne Förderung sehr günstig. Im Kern konkurrieren wir gegen ein Leben ohne Strom, insofern ist die Zahlungsbereitschaft für ein so elementares Gut sehr hoch“, erklärt Thomas Duveau, Head of Business Development bei Mobisol. „Unser Wachstum wird beschleunigt, wenn Fördergelder dazukommen. Aber auch ohne jegliche Förderung ist die Nachfrage hier so enorm, dass wir das kaum merken würden.“
Bis heute, also knapp vier Jahre nach Firmengründung, hat Mobisol nach eigener Aussage rund 12.000 Solar-Home-Systeme installiert und beschäftigt etwa 400 Mitarbeiter. Im Schnitt habe sich die Mitarbeiterzahl bisher jedes Jahr verdoppelt und der Umsatz verdreifacht.
Soziale Folgen von Solarstrom
Gottschalks Motivation zur Gründung von Mobisol war zunächst der drohende Klimawandel, sagt er. „Wir haben aber schnell gemerkt, dass unser Konzept nicht nur hilft, CO2-Emissionen zu reduzieren, sondern auch viele weitere tolle Effekte mit sich bringt.“ Zum Beispiel könnten damit Frauen, die in Afrika noch oft zu Hause bleiben müssen, um auf die Kinder aufzupassen, ein zweites Einkommen erzielen, indem sie die Mobiltelefone anderer Leute aufladen oder kalte Getränke anbieten. „Energie ist das A und O, wenn es darum geht, produktiv zu sein“, sagt Gottschalk. „Je mehr Solarsysteme installiert sind, desto stärker wirkt sich das auch auf das Bruttoinlandsprodukt aus.“ Außerdem zeige sich auch, dass die schulischen Leistungen der Kinder besser werden, wenn abends noch Licht für Schularbeiten zur Verfügung steht.
Auch dass Familien oder Gemeinden nicht mehr an den Energielieferanten gebunden sind, sondern den eigenen Strom anbieten können, sei ein großer Vorteil. Das ist besonders in Ländern interessant, in denen öfter der Strom ausfällt, wenn zum Beispiel gerade regierungskritische Berichte im Fernsehen laufen. Es bringt also mehr Eigenständigkeit und Unabhängigkeit für die Bevölkerung.
Im Jahr 2015 will Mobisol die Zahl der Kunden von 12.000 auf etwa 30.000 erhöhen. Dies nicht nur in Ostafrika. Das Unternehmen hat zum Beispiel bereits mit einer Pilotphase für ein ähnliches Produkt in Bangladesch begonnen. Spätestens im Jahr 2016 sollen dann auch noch weitere Länder dazukommen. Angst vor Konkurrenz hat Gottschalk dabei nicht. „Natürlich gibt es auch zwei oder drei ernstzunehmende Wettbewerber. Bisher decken wir mit unseren Anlagen aber nur schätzungsweise 0,01 Prozent des Marktes in Ostafrika ab. Von daher teilen wir uns diesen riesigen Markt auch gerne.“ Wettbewerb sei außerdem auch ein gutes Mittel, um selbst wach und innovativ zu bleiben.
An einen Exit, also den Verkauf des Unternehmens, wie ihn viele Gründer nach der Startphase anstreben, denkt Gottschalk derzeit nicht. „In den nächsten Jahren sehe ich erst mal keinen Grund, einen Exit anzustreben. Dafür ist das Thema noch viel zu spannend.“ (Mirco Sieg)
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