Singapur wirbt um den deutschen Mittelstand

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pv magazine: Der deutsche Photovoltaik-Markt ist für Projektierer immer schwieriger geworden. Die Wachstumsmärkte finden sich derzeit vor allem in Asien. Saferay hat bereits vor weit über einem Jahr die Entscheidung getroffen, seine Zentrale nach Singapur zu verlegen. Haben Sie die allgemeine Entwicklung des deutschen Photovoltaik-Marktes damals schon so erwartet?

Thomas Gnefkow: Ja, diese Entwicklung war abzusehen. In 2013 kamen mehrere Trends zusammen, die sich auch in 2014 fortgesetzt haben. Erstens die Absenkung der Einspeisetarife für große Anlagen unter 10 Cent pro Kilowattstunde. Zweitens die Einführung der Importzölle für chinesische Produkte durch die EU hat zu einer signifikanten Verteuerung der Kernkomponente Modul geführt. Dritten haben sich die Finanzierungsbedingungen in Deutschland verschlechtert. Diese drei Trends haben den Markt gleichzeitig belastet und am Ende den Bau von Freiflächenanlagen unwirtschaftlich gemacht.

Wie sind Sie auf den Standort Singapur gekommen?

Thomas Gnefkow: In einer früheren Position bei Q-Cells war ich 2008 für die Standortauswahl einer Solarfabrik verantwortlich. Auch wenn diese letztendlich in der Nähe von Kuala Lumpur in Malaysia entstand, so lernte ich im Zuge der Verhandlungen mit verschiedenen Regierungen und Wirtschaftsförderungsinstitutionen die professionelle Arbeitsweise und die signifikanten Standortvorteile von Singapur kennen. Ich habe mich zu der Zeit auch mit dem Singapore Economic Development Board (EDB) ausgetauscht und die Entscheidung, nicht nach Singapur zu gehen, wurde einvernehmlich mit dem EDB getroffen. Damals lief zur gleichen Zeit auch ein Projekt mit der Renewable Energy Corporation (REC) an. Die Kontakte zum EDB blieben bestehen und Saferay ist auf das EDB zugegangen, als der richtige Zeitpunkt gekommen war.

Hat das EDB aktiv um deutsche Unternehmen geworben, damit sich diese in Singapur ansiedeln?

Thomas Gnefkow: Es gibt verschiedene Gründe, warum Saferay sich für Singapur entschieden hat. Zum einen verfügt Singapur über ein existierendes PV-Cluster mit hoch qualifizierten Ingenieuren und Betriebswirtschaftlern sowie lokaler Forschung & Entwicklung, etwa durch das SERIS Institut. In Singapur haben wir eine sehr gute Lieferantenbasis direkt vor Ort und in direkter Nähe durch PV-Clusters in Malaysia und China. Weiterhin fokussiert sich Saferay besonders auf die Märkte Japan, Thailand und Australien. Durch die optimale Lage sowie nahezu gleiche Zeitzonen und kurze Flugzeiten können wir diese Märkte aus Singapur heraus optimal bedienen und entwickeln. Darüber hinaus hat Singapur ein stabiles Rechts- und Fiskalsystem und wir profitieren von einer effizienten Verwaltung in den verschiedensten Bereichen.

Alan Yeo: Der Klimawandel, das absehbare Ende fossiler Brennstoffe und die rasante Urbanisierung lassen die Nachfrage nach sauberen und nachhaltigen Energielösungen steigen. Dies verursacht zudem eine neue Investitionswelle in die alternative Energiegewinnung. 2007 hat Singapur erneuerbare Energien als eine strategische Wachstumsbranche identifiziert und einen umfangreichen Plan zur Förderung dieser Industrie entwickelt – mit einem Fokus auf Solarenergie sowie andere erneuerbaren Energien, Smart Grids, nachhaltige Gebäude, Energieeffizienz und Elektromobilität. Fördermittel in Höhe von mehr als einer Milliarde Singapur-Dollar wurden für Forschung und Entwicklung sowie personelle Ressourcen im Bereich Clean Energy zur Verfügung gestellt. Wir freuen uns über große Konzerne, mittelständische Unternehmen und kleinere Start-ups, die Singapur als „Living Lab“ nutzen möchten, um ihre Technologien zu testen, an die Tropen anzupassen und schließlich in der Region einzusetzen.
Wirkt sich dies auch auf den Photovoltaik-Zubau in Singapur aus?

Alan Yeo: Die Einführung von Solarsystemen nimmt in Singapur konstant zu. Dies wird angetrieben dadurch, dass Solarenergie und Nachhaltigkeitspraktiken unter Kostengesichtspunkten konkurrenzfähig sind. Neben den fallenden Kosten für Solarstrom entstehen neue Geschäftsmodelle, die Bauherren dabei unterstützen, Investitionskosten zu tragen. Die Anzahl an Solar-Nutzern wächst und umfasst eine Vielzahl an Akteuren aus Industrie und Kommerz. Die Branche lebt: Nicht nur die singapurische Regierung investiert in die Zukunft der Photovoltaik-Branche. Auch viele Unternehmen aus der Branche, wie zum Beispiel Saferay oder Centrotherm, haben sich hier angesiedelt und Niederlassungen mit wichtigen Funktionen, regionale oder internationale Hauptstandorte, Forschungs- und Entwicklungszentren oder komplexe Produktionsstätten gegründet.

Welche Hilfen gab es bei der Verlegung des Hauptsitzes?

Thomas Gnefkow: Saferay hat seinen Hauptsitz nicht nach Singapur verlegt, sondern dort ein internationales Headquarter aufgebaut, das es so vorher nicht gab. Wir erhielten signifikante Unterstützung beim Neustart in allen Bereichen. Das EDB ermöglichte uns, alle notwendigen bürokratischen Schritte an einer Stelle durchzuführen und fungierte als „One-Stop-Shop“. Mit seiner Unterstützung wurden uns High-Potentials als potenzielle Arbeitnehmer vorgestellt, Kontakte zu lokalen Firmen und Instituten hergestellt und die nötigen administrativen Schritte einer Gründung begleitet.

Wie viele Mitarbeiter von Saferay sind mit nach Singapur gegangen?

Thomas Gnefkow: Wir haben keine Mitarbeiter aus Deutschland mitgenommen. Wir haben das Management unseres internationalen Geschäftes aus Singapur heraus neu aufgebaut und konnten vor Ort auf einen sehr gut ausgebildeten und hoch motivierten Pool an Talenten zugreifen.

Was sind die größten Unterschiede beider Standorte sowohl geschäftlich als auch kulturell?

Thomas Gnefkow: Singapur bietet keinen eigenen lokalen Markt für Großanlagen, wie Deutschland ihn in der Vergangenheit bot. Daher ist der schnelle und unkomplizierte Zugang zu den aktuell stark boomenden asiatischen Märkten Japan, Australien und Thailand ein zentraler Unterschied und auch Vorteil von Singapur. Die Geschäftspraktiken sind denen in Deutschland sehr ähnlich, auch wenn es kulturell bedingt einige Unterschiede im täglichen Umgang und insbesondere bei Verhandlungen gibt. Diese Unterschiede sind aber deutlich geringer im Vergleich zu nahezu allen anderen asiatischen Ländern, sodass es für Deutsche kulturell gesehen kein großer Schritt ist, nach Singapur zu gehen.

Alan Yeo: Ich sehe mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede darin, wie in Deutschland und Singapur Geschäfte getätigt werden. Deutsche Unternehmen sind für ihre Technologien bekannt. Sie sind erfolgreich mit der Krise in Europa umgegangen und sind bereit, in Talente, Technologien sowie Forschung und Entwicklung zu investieren. Sie sind auch dafür bekannt, dass sie Geschäftsentscheidungen in Hinblick auf eine langfristige Perspektive treffen. Das gleicht der Art und Weise wie in Singapur Geschäfte gemacht werden. Die singapurische Regierung konzentriert sich auf Nachhaltigkeit ihrer Industrien und Investitionen in Talente, um sicherzustellen, dass Unternehmen, die bereits in Singapur angesiedelt sind, ihre Geschäftstätigkeit ausbauen können. In Bezug auf kulturelle Unterschiede ist Singapur ein Schmelztiegel für verschiedene Kulturen mit einer Mischung aus östlichen und westlichen Einflüssen. Heute sind rund 1400 deutsche Unternehmen in Singapur und rund 7500 Deutsche leben dort. Die deutsche Gemeinschaft ist eine der größten in Asien. Englisch ist die offizielle Geschäftssprache, damit stellt Sprache kein Hindernis für einen Markteintritt dar.

Warum konzentriert sich das EDB besonders auf den Mittelstand?

Alan Yeo: Es gibt verschiedene Gründe, warum wir an mittelständischen Unternehmen aus Deutschland interessiert sind, die in Singapur investieren wollen. Erstens suchen wir nach Mittelstand-Champions, die bereits international aktiv sind und in Asien wachsen wollen. Zweitens: Mittelständische Unternehmen haben eine hohe Innovationskraft. Eine große Innovationskraft ist eine wichtige Komponente für Singapurs Strategie eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums. Darum glauben wir, dass der Mittelstand eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung dieser Strategie spielt. Der dritte Grund ist, dass Singapur als Inselstaat mit einer hohen Bevölkerungsdichte extrem auf langfristiges und ökonomisch nachhaltiges Planen angewiesen ist. Diese Eigenschaft teilt Singapur mit dem deutschen Mittelstand. Auch diese Unternehmen denken nicht wie Großkonzerne in Quartalsergebnissen, sondern eher langfristig.

Gäbe es Saferay heute noch, wenn das Unternehmen in Deutschland geblieben wären?

Thomas Gnefkow: Das Bestandsgeschäft von Saferay in Deutschland umfasst rund 150 Megawatt nahezu ausschließlich eigener Photovoltaik-Anlagen. Dieses Geschäftsfeld bleibt für die nächsten 20 Jahre und darüber hinaus bestehen. Ohne die Internationalisierung in neue Märkte in Asien und Amerika würde es kein Entwicklungs- oder EPC-Geschäft für Saferay mehr geben.

Haben Sie Empfehlungen für deutsche Unternehmen, die ebenfalls eine Standortverlagerung nach Asien erwägen? Ist dies grundsätzlich für alle Unternehmen möglich und sinnvoll?

Thomas Gnefkow: Eine Standortverlegung oder der Aufbau eines neuen Standorts ist eine unternehmensspezifische Entscheidung, die nicht verallgemeinert werden kann. Grundsätzlich macht es jedoch Sinn, in der Nähe der Märkte zu sein. Gerade ein Standort wie Singapur mit einem hohen Maß an Sicherheit und Verlässlichkeit stellt ein optimales Sprungbrett dar, um regionale Märkte mit hohem Profitpotenzial zu bedienen, ohne dabei besondere Risiken in Bezug auf Eigentumsrechte, Korruption oder Fiskalregime einzugehen.

Alan Yeo: Die asiatischen Länder zeigen Zeichen eines starken Wachstums. Neben China und Indien entsteht mit Südostasien ein neuer Markt. Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit wird die globale Mittelschicht von 1,8 Milliarden in 2012 auf 4,9 Milliarden in 2032 wachsen, davon werden alleine 3,3 Milliarden in der Asien-Pazifik-Region leben. In Asien wächst nicht nur der Markt, auch der Wettbewerb wird härter. Um in diesem zu bestehen, müssen Unternehmen, die am Wachstum teilhaben oder ihren Erfolg in Asien fortsetzen wollen, mehr auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen als bisher. Angesichts dessen empfiehlt es sich, den asiatischen Markt nicht nur hinsichtlich Kultur, wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, Demografie und Verbrauchervorlieben zu beobachten. Darüber hinaus sollten durch die Gründung eines lokalen Standorts regionale Handlungsweisen gestärkt und Produkte lokalen Vorlieben angepasst werden.

Entwicklungsaktivitäten vor Ort sind wichtig. Foto: EDC

Aber würde es nicht ausreichen, wenn deutsche Unternehmen es schaffen, ihre Produkte in Asien zu verkaufen?

Alan Yeo: Unternehmen, die in Asien erfolgreich sein wollen, müssen nicht nur eine hochwertige Produktion und entsprechende Forschungs- und Entwicklungsabteilungen haben, um den Bedürfnissen der asiatischen Kunden gerecht zu werden, sie müssen darüber hinaus diese auch in Asien ansiedeln. Nur so haben sie die Möglichkeit, den Bedürfnissen der dortigen wachsenden Mittelschicht genau zu entsprechen und weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Unsere Erfahrung zeigt, dass auch B2B-Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten vor Ort ausbauen müssen, um mit dem Wachstum in Asien Schritt zu halten. Dies hat den einfachen Grund, dass sich die Produktentwicklung in Asien von der in westlichen Ländern wie Deutschland wesentlich unterscheidet. Deutsche Produkte, die häufig zu hochentwickelt und zu komplex sind, funktionieren in Asien nicht, weil der Weg von der Entwicklung bis zur Marktreife dort wesentlich kürzer ist als in Deutschland. Zugleich ist die Frequenz neuer Produktvarianten wesentlich höher. Wenn die eigene Forschung und Entwicklung diese speziellen asiatischen Bedürfnisse nicht erfüllen kann, werden örtliche Geschäftspartner sich nach Partnern umsehen, die dies können.

Gibt es weitere Gründe?

Alan Yeo: Asiatische Kunden sind anspruchsvoll und erwarten von ihren Lieferanten, dass diese kurzfristig reagieren können, wenn es um Produktanpassungen und Kundenservice geht. Durch den harten Wettbewerb in Asien sind sie gezwungen, schnell auf Kundenwünsche zu reagieren und eine langsame Anpassung könnte den Verlust signifikanter Marktanteile bedeuten. Beim Kundenservice sind viele asiatische Kunden wesentlich empfindlicher, was Preise betrifft. Oft wird erwartet, dass der Kundenservice, als Teil der Pflicht des Lieferanten gegenüber seinem Kunden, vollständig kostenlos ist. Zusammengefasst: Deutsche Unternehmen müssen ihre Produkte sowie ihre Arbeitsweise speziell auf die asiatische Region anpassen. Abschließend lässt sich sagen, dass es für den deutschen Mittelstand wichtig ist, sich in Asien anzusiedeln, um nah an einem wichtigen und schnellwachsenden Markt zu sein.

Die Fragen stellte Sandra Enkhardt.

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