Derzeit wollen mehrere Unternehmen den Markt für Regelenergie mit Home-Batteriespeichern erobern. Theoretisch sind die Speicher für Photovoltaikanlagen sehr gut geeignet, um fluktuierenden Solarstrom auszugleichen. Bisher ging das aber nur innerhalb eines Haushaltes. Jetzt soll damit auch Regelenergie für das öffentliche Stromnetz bereitgestellt werden. Damit sollen sich dann auch zusätzliche Einnahmen für die Betreiber generieren lassen.
Das ist zum Beispiel der Plan des Herstellers von Speichersystemen Deutsche Energieversorgung aus Leipzig. Das Unternehmen will damit seine Geräte attraktiver machen. „Wir sind ein Speicherhersteller und wollen mit der Teilnahme am Regelenergiemarkt kein Geld verdienen“, erklärt der Geschäftsführer von Deutsche Energieversorgung Mathias Hammer. „Uns geht es darum, mehr Speicher zu verkaufen und dadurch Marktanteile zu gewinnen.“ Sein Interesse sei es, für sein Unternehmen die Kosten zu decken. In der Praxis bedeutet das, Deutsche Energieversorgung will die Bereitstellungsgebühr für negative Regelenergie einstreichen und den dabei fließenden Strom umsonst in die Speicher der Kunden füllen.
Am Markt für Regelenergie herrschen andere Gesetze als auf dem herkömmlichen Strommarkt. Für Sekundärregelenergie und Minutenreserve, die Solarstrom aus Home-Speichern liefern kann, wird nicht nur die Strommenge in Kilowattstunden vergütet, wie zum Beispiel am Spot- oder Terminmarkt, sondern auch die vorgehaltene Leistung in Kilowatt über einen bestimmten Zeitraum. Diese wird bei Bedarf kurzfristig in Anspruch genommen, wenn es zu einer Über- oder Unterdeckung im Stromnetz kommt (siehe Glossar Energiemarkt auf Seite 69). Für die tatsächlich abgerufene Strommenge gibt es dann noch mal eine Vergütung pro geflossener Kilowattstunde. Gehandelt wird Regelenergie über Ausschreibungen der Übertragungsnetzbetreiber auf der Websitewww.regelleistung.net.
Was lässt sich erlösen?
Anlagenbesitzer, die ihren Speicher für das sogenannte Econamic Grid von Deutsche Energieversorgung zur Verfügung stellen, sollen dafür ungefähr 800 Kilowattstunden Strom pro Jahr gratis in den Speicher geladen bekommen. Wer auch einen Heizstab in sein System integriert hat, bekommt dann noch mal etwa 2.500 Kilowattstunden Wärmestrom zusätzlich geschenkt. Für die ersten Kunden soll die Teilnahme am Regelenergiemarkt im Oktober beginnen.
Wie viel Umsonststrom für den einzelnen Kunden wirklich fließt, muss sich allerdings erst noch zeigen. Es gibt noch keine Erfahrungswerte, wie erfolgreich die Vermarktung von solarem Speicherstrom am Regelenergiemarkt ist. Zudem ist noch unklar, welche Speicher am Ende tatsächlich wie oft zur Bereitstellung von Regelenergie genutzt werden. Daher macht Hammer eine etwas konservativere Erlösrechnung. 600 Kilowattstunden kostenloser Haushaltsstrom ergeben bei einem Bezugspreis des Versorgers von 30 Cent pro Kilowattstunde eine Stromkostenersparnis von 180 Euro pro Jahr. 2.000 Kilowattstunden kostenloser Wärmestrom ergeben bei einem Bezugspreis des Versorgers von 10 Cent pro Kilowattstunde Gas eine Gaskostenersparnis von 200 Euro pro Jahr. „Das ergibt zusammen eine Ersparnis von 380 Euro pro Jahr mit steigender Tendenz.“ Allein der Stromspeicher kann also über eine Laufzeit von zehn Jahren rund 1.800 Euro mit Regelenergie erlösen. Dadurch würde sich die Amortisationszeit im Vergleich zum klassischen Betrieb merklich verkürzen. Für ein komplettes Bild müsste man dann allerdings noch betrachten, wie stark die Eigenverbrauchsquote des Betreibers durch die veränderte Betriebsweise des Speichers sinkt, denn es kann Zeiten geben, in denen der Speicher für die Regelenergie geblockt wird, sobald der Dienstleister das Regelenergieangebot platziert hat. Auch um diese Auswirkungen einzuschätzen braucht es noch Erfahrungswerte.
Auch die Firma Fenecon will ihren Kunden in Zukunft die Teilnahme am Regelenergiemarkt ermöglichen, um den Absatz anzukurbeln. Das Unternehmen ist Generaldistributor für den chinesischen Speicherhersteller BYD in Deutschland. Das Partnerunternehmen Ampard habe für die Anforderungen des Regelenergiemarktes ein passendes Energiemanagementsystem entwickelt. Laut Franz-Josef Feilmeier, Geschäftsführer von Fenecon, wird dieses Modell schon seit rund zwei Jahren in der Schweiz umgesetzt. Hier bekommen Kunden für die Teilnahme am Regelenergiemarkt eine jährliche Zahlung von 300 bis 500 Euro pro System und gegebenenfalls zusätzlich kostenlosen Strom zu Überschusszeiten. Nun wollen die Partner in den deutschen Markt einsteigen.
Zwei weitere Unternehmen haben gemeinsam bereits mit der Umsetzung eines ähnlichen Modells in Deutschland begonnen, der Batteriehersteller Sonnenbatterie und der Energieversorger Lichtblick. Den Zugriff auf die Speichersysteme von Sonnenbatterie für die Teilnahme am Regelenergiemarkt vergütet Lichtblick pro Kunde pauschal mit 100 Euro pro Jahr. Strom, der in den Speicher fließt, während negative Regelenergie bereitgestellt wird, rechnet Lichblick als Stromlieferant hingegen regulär ab. Kunden, die Speicher mit mehr als 20 Kilowattstunden Kapazität betreiben und am sogenannten Schwarmenergie-Konzept von Lichtblick teilnehmen, bekommen zudem bis zu 1.150 Kilowattstunden pro Jahr geschenkt, erklärt Christian Mayr, Leiter Qualität und Organisation beim Speicherhersteller Sonnenbatterie. Damit soll der Reststrombedarf des Kunden bedient werden, in Zeiten, in denen der Stromverbrauch im Haus weder direkt durch die Solaranlage noch durch gespeicherten Strom gedeckt werden kann. Das wären dann ungefähr 345 Euro Stromkostenersparnis zusätzlich.
Andere Regeln für Regelenergie
Bisher wird Regelleistung in Deutschland überwiegend von fossilen Kraftwerken bereitgestellt, also von Gas- und Kohlekraftwerken. Elektrische Stromspeicher bieten demgegenüber einige Vorteile. Sie können innerhalb von Millisekunden reagieren und verbrauchen auch keine unnötige Energie, wenn gerade keine Regelleistung benötigt wird, wie zum Beispiel Kohlekraftwerke. „Aus unserer Sicht ist das Verhältnis von Kapazität und Leistung in Kombination mit der hohen Reaktionsgeschwindigkeit das entscheidende positive Merkmal von Batteriespeichern“, sagt daher Mayr von Sonnenbatterie. „Wir können selbst mit unserem kleinsten Speichersystem fast zwei Stunden lang Regelenergie liefern.“ Aus einer Kaskade vieler Batterien entstehe so ein Pool, der langfristig lieferfähig sei.
Um am Markt für Regelenergie teilnehmen zu können, müssen Akteure eine Mindestleistung von fünf Megawatt zur Verfügung stellen können. Die Deutsche Energieversorgung erreicht diese Leistung allein mit eigenen Speichersystemen. Die Übertragungsnetzbetreiber müssen erkennen, wann Sekundärregelenergie benötigt wird, und diese dann zeitnah ausschreiben. Auf dem Bild ist die Leitwarte des Netzbetreibers Amprion zu sehen.Hier Schlagworte einfügen„3.500 Kunden, die unsere Speichersysteme nutzen, haben sich bereits für unser Econamic-Grid-Modell angemeldet“, sagt Hammer. Bei 3.500 Kunden mit einer durchschnittlichen Speicherleistung von 2,5 Kilowatt erreicht sein Unternehmen also insgesamt rund 8,75 Megawatt Leistung. Rund 400 Kunden haben laut Hammer auch einen Heizstab mit einer Leistung von 12 Kilowatt integriert. Dadurch kommen weitere 4,8 Megawatt zusammen. Also stehen der Deutschen Energieversorgung rund 13,5 Megawatt Leistung zur Verfügung.
Doch das Konzept funktioniert auch, wenn ein Speicherhersteller die Mindestleistung von fünf Megawatt nicht erreicht. Für die Speichersysteme von Sonnenbatterie übernimmt dazu Lichtblick die Bündelung zu Gesamtpakten durch die Integration in das Schwarmkonzept. Der Energieversorger kombiniert die einzelnen Speichersysteme zusammen mit anderen Erzeuger- und Verbraucheranlagen in einem Pool. Dieser wird von einem speziellen Energiemanagementsystem, dem sogenannten Schwarmdirigenten, verwaltet.
Ähnlich macht es Fenecon. Das Unternehmen bündelt die in den Speichersystemen von BYD zur Verfügung stehende Leistung zunächst mit dem Energiemanagementsystem des Partners Ampard. Dieses fasst viele kleine Home-Speicher mit weiteren Stromerzeugern und Verbrauchern zu einem virtuellen Kraftwerk zusammen. Vermarktet werden soll das Paket über einen Direktvermarkter, der am Regelenergiemarkt zugelassen ist. Er kann das Leistungsangebot von Fenecon zusammen mit weiteren Anlagen zur nötigen Gesamtleistung von fünf Megawatt bündeln und diese am Regelenergiemarkt handeln. Laut Franz-Josef Feilmeier kann man mit Hilfe eines Direktvermarkters zum Teil schon mit Leistungskapazitäten ab 100 Kilowatt Regelenergie zur Verfügung stellen.
Zählerprobleme lösen
Eine weitere Anforderung für die Teilnahme am Regelenergiemarkt stellt die Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen. Die Übertragungsnetzbetreiber, die die Regelenergie ausschreiben, verlangen unter anderem die Übermittlung eines Lastprofils im Viertelstundentakt (siehe Interview auf Seite 44). Das ist zum einen nötig, um dem Übertragungsnetzbetreiber nachweisen zu können, dass die angebotenen Kapazitäten auch wirklich zur Verfügung stehen. Zum anderen braucht man den Zähler für eine genaue Abrechnung mit dem Endkunden. Um zum Beispiel zwischen Strombezug für den Hausverbrauch und Strombezug für die Bereitstellung von negativer Regelenergie unterscheiden zu können, müssen die einzelnen Stromflüsse messtechnisch erfasst und bilanziert werden.
Nach Einschätzung von Hammer würde eine viertelstündliche Lastgangmessung, wenn man sie von einem herkömmlichen Messstellenbetreiber übernehmen ließe, ungefähr 100 bis 400 Euro pro Monat kosten. „Wir haben uns daher einen eigenen Zähler bauen lassen, der ein geeichtes Viertelstunden-Lastprofil abschicken kann und auch sonst alle Anforderungen für eine exakte Abrechnung erfüllt. Und das für einen Anschaffungspreis von 90 Euro.“ Zudem habe sich das Unternehmen mittlerweile bei mehr als 800 Verteilnetzbetreibern als Messstellenbetreiber akkreditieren lassen. „Dadurch können wir unseren Kunden Wartung und Betrieb unserer eigenen Zähler kostenlos anbieten“, sagt Hammer.
Sonnenbatterie und Lichtblick steht bisher noch kein entsprechendes Zählerkonzept zur Verfügung. Daher versuchen die Unternehmen, das Problem vorläufig zu umgehen. „Der Übertragungsnetzbetreiber bekommt geeichte Abrechnungswerte des gesamten Anlagenpools von Lichtblick“, sagt Mayr. Die Rückmeldung der einzelnen Speicher und die Übermittlung der jeweiligen Energieflüsse erfolge über Messgeräte in der Batterie, die zwar nicht geeicht, aber kalibriert sind. Die technischen Anforderungen der Übertragungsnetzbetreiber sind damit laut Mayr erfüllt. Sobald die Solarbatterien der Kunden tatsächlich in den Schwarmstrom eingebunden werden, ist für die genaue Abrechnung eine geeichte Messung der Energieflüsse nötig. „Da die rechtlichen Voraussetzungen dazu erst noch geschaffen werden müssen, arbeitet unser Modell im Moment mit einer Pauschalvergütung von 100 Euro pro Jahr. Auf diese Weise können wir bereits starten, ohne alle rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen zu müssen, die für eine genaue Abrechnung relevant sind.“ Zudem müssten zunächst ausreichend Kunden gewonnen werden, die sich am Schwarmstrom beteiligen. Derzeit werde die nötige Kapazität für die Marktteilnahme aufgebaut. Auch bei Fenecon steht noch nicht fest, wie das geforderte Zählerkonzept der Übertragungsnetzbetreiber am Ende umgesetzt wird.
Konflikt im Speicher: Eigenverbrauch vs. Regelenergie
Das Ziel von Home-Speichern für Photovoltaikanlagen ist in erster Linie, den Eigenverbrauch des Solarstroms zu erhöhen, also zum Beispiel am Tag erzeugten Strom auch nach dem Sonnenuntergang zur Verfügung zu stellen. Eine weitere Anforderung, die vor allem zur Stabilität der Stromnetze beitragen soll, ist die Kappung von Erzeugungsspitzen zur Mittagszeit. Wenn der Speicher zusätzlich am Regelenergiemarkt teilnehmen soll, kommt aber eine weitere Variable hinzu, die theoretisch mit den vorher genannten Zielen kollidieren kann. Denn wenn Regelenergie benötigt wird, überlagert die Steuerung des externen Energiemanagements für die Regelenergie die interne Steuerung des Speichers.
Christian Mayr erklärt, wie Sonnenbatterie und Lichtblick mit diesem Konflikt umgehen: Für die bedarfsgerechte Ansteuerung der Sonnenbatterie berücksichtigt das Energiemanagementsystem von Lichtblick unter anderem Daten über den Ladezustand und die zur Verfügung stehende Leistung der einzelnen Speichersysteme. Zudem fließen Ertragsprognosen für die jeweils angeschlossenen Photovoltaikanlagen mit ein. Aus diesen Parametern wird dann darauf geschlossen, wie sich die Batterie voraussichtlich in Zukunft verhalten wird. Kommt eine Anfrage nach Regelenergie des Übertragungsnetzbetreibers, hat Lichtblick die Möglichkeit, die Standardbetriebsweise der Sonnenbatterie, also die Eigenverbrauchsoptimierung, zu überlagern. Die Batterie wird dann für einen gewissen Zeitraum ausschließlich von Lichtblick gesteuert.
Nächtliche Windenergie aufnehmen Erzeugungsspitzen von Photovoltaikanlagen treten in der Regel mittags auf. In dieser Zeit laden die Solarstromspeicher daher meist ohnehin gerade. Dann würde es für das Stromnetz wenig Sinn machen, wenn PV-Speicher negative Regelenergie aus dem Netz aufnehmen und dafür der komplette erzeugte Solarstrom am Speicher vorbei ins Netz eingespeist wird. Laut Mayr wird Lichtblick daher berücksichtigen, dass die Mittagsspitze weiterhin gekappt werden kann.
Außerdem sollten die Batterien vorrangig für Regelenergiedienstleistungen beansprucht werden, wenn die Batterie gerade ohnehin nichts zu tun hat, also auch nicht für die Optimierung des Eigenverbrauchs benötigt wird. „Wenn die Batterie zum Beispiel nachts leer ist und auch keine Erzeugung mehr zu erwarten ist, versucht Lichtblick, die Batterie mit Überschussstrom aus dem Netz zu laden“, so Mayr. So könnten zum Beispiel nächtliche Schwankungen in der Erzeugung von Windkraftanlagen ausgeglichen werden.
iTunes für Strom
Was die Informationsübertragung angeht, sehen alle drei Speicherhersteller noch Optmimierungspotenzial. Die Regularien der Übertragungsnetzbetreiber seien zum Teil so streng, dass sich die Frage stellt, wie sich diese in der Praxis anwenden lassen, zum Beispiel was das Zählerkonzept angeht. Zudem berichten die befragten Akteure auch von Schwierigkeiten mit der Kooperationsbereitschaft von einigen Netzbetreibern und Energieversorgern. Das ist einer der Gründe, warum die Deutsche Energieversorgung kürzlich selbst zu einem lizenzierten Energieversorger wurde. Durch diesen Status kann das Unternehmen in Zukunft theoretisch auch eigene Bilanzkreise anbieten.
„Wir entwickeln so etwas Ähnliches wie iTunes für Strom. Damit ändern wir die Regeln des Energiemarktes vollständig“, sagt Hammer. „Man muss dann überschüssigen Solarstrom nicht mehr an den Energieversorger verkaufen, sondern kann ihn auch an seine Eltern oder Freunde verkaufen, selbst wenn die in einer anderen Stadt wohnen.“ Abgaben und Umlagen müssten auf den Strom dann zwar gezahlt werden. „Wenn Sie es clever anstellen, schaffen Sie es trotzdem, günstiger zu sein“, sagt Hammer. Sein ehrgeiziges Ziel ist es, den Strompreis damit für den normalen Einfamilienhauskunden auf 18 Cent pro Kilowattstunde zu drücken. Bis es so weit sei, werde aber noch etwa ein Jahr verstreichen.
Lesen Sie zu diesem Thema auch das nachfolgende Interview.Regelenergie II: Kevin Hüfner, Produkt- und Projektmanager bei Energy2market, erklärt, wie in Zukunft auch Photovoltaikspeicher in den Regelenergiemarkt intergriert werden sollen. (ab Seite 44)
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