Individuelle Autarkie

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Während bei rein netzeinspeisenden PV-Systemen in der Regel die verfügbare Dachfläche entscheidend für die Größe des PV-Generators war, gilt es, photovoltaische Eigenverbrauchssysteme in Zukunft auch auf den Stromverbrauch vor Ort auszulegen. Da der Stromverbrauch eines Haushalts somit zunehmend das Maß der Dinge für die Anlagendimensionierung wird, ist es sinnvoll, die Größe des PV-Generators und Batteriespeichers zukünftig im Bezug zur Höhe des jährlichen Strombedarfs anzugeben.
Durch diese Normierung der PV-Generatorleistung und nutzbaren Speicherkapazität auf den Jahresverbrauch an elektrischer Energie lässt sich auch der realisierbare Eigenverbrauchsanteil und Autarkiegrad eines Haushalts je nach Systemdimensionierung bestimmen. Abbildung 1 zeigt die erzielbaren jahresmittleren Eigenverbrauchsanteile und Autarkiegrade in Abhängigkeit der Größe des PV-Speichersystems [1]. Aus der Abbildung lässt sich ablesen, welchen Einfluss eine Vergrößerung des PV-Systems oder Batteriespeichers auf die realisierbaren Betriebsergebnisse hat. Tendenziell sinkt der Eigenverbrauchsanteil und steigt der Autarkiegrad mit zunehmender PV-Leistung. Allerdings lässt sich der Autarkiegrad mit größeren PV-Systemen ohne Speicher nur noch eingeschränkt erhöhen. Mit Batteriespeicher können beide Bewertungsgrößen in der Regel vergrößert werden. Übersteigt die nutzbare Speicherkapazität 1 kWh pro kWp PV-Leistung, fällt die Zunahme des Eigenverbrauchsanteils und Autarkiegrads durch einen größeren Speicher jedoch nur noch gering aus. Mit Abbildung 1 lässt sich somit je nach Systemkonfiguration der Nutzen eines PV-Speichersystems in Abhängigkeit des Haushaltsstromverbrauchs vorab abschätzen. Unberücksichtigt bleibt dabei jedoch, dass der tages- und jahreszeitliche Verlauf des Stromverbrauchs je nach Haushalt variieren kann. Welchen Einfluss verschiedene Haushaltslastprofile auf den erreichbaren Eigenverbrauchsanteil und Autarkiegrad haben, wurde durch Simulationsrechnungen an der HTW Berlin mit gemessenen Lastprofilen von 74 Haushalten analysiert [2].
Zwischen Klimaanlage und Wärmepumpe
Neben dem Nutzerverhalten der Hausbewohner bestimmen auch die vorhandenen Haushaltsgeräte das resultierende Haushaltslastprofil. Geräte mit ausgeprägtem jahreszeitabhängigen Verbrauchsverhalten haben einen entscheidenden Einfluss auf den saisonalen Verlauf des Stromverbrauchs. Abbildung 2 zeigt die wöchentlichen Verbräuche verschiedener Haushalte, die zur Vergleichbarkeit bezogen auf den jeweiligen Jahresstrombedarf angegeben sind. Zu sehen ist der jahreszeitliche Verlauf des Strombedarfs auch für ein sogenanntes Standardlastprofil, welches das durchschnittliche Verbrauchsverhalten einer großen Anzahl von Haushalten gut wiedergibt. Wie Abbildung 2 verdeutlicht, ergibt sich für das Standardlastprofil und dem Mittelwert der untersuchten 74 Haushalte ein nahezu identischer saisonaler Verlauf. Im Vergleich dazu fallen die jahres Grafiken: Solarpraxis AG/Harald Schütt xAnzeigeEigenverbrauch Speicher Ertragzeitlichen Unterschiede im Stromverbrauch von Haushalten mit Klimaanlagen oder Wärmepumpen deutlich größer aus. Während eine Klimaanlage zu höheren Verbräuchen in den Sommermonaten führt, hat eine Wärmepumpe einen Anstieg des Stromverbrauchs im Winterhalbjahr zur Folge.
Von tag- und nachtaktiven Bewohnern
Während der jahreszeitliche Verlauf der Last vor allem durch die technische Ausstattung zur Raumklimatisierung und Gebäudeheizung bestimmt wird, hat das individuelle Nutzerverhalten größeren Einfluss auf das Lastprofil im Tagesverlauf. Dabei wird der tageszeitliche Verlauf des Stromverbrauchs maßgeblich von den Anwesenheitszeiten und Aktivitäten der Bewohner bestimmt, die sich je nach Haushaltstyp unterscheiden können. Dieser Zusammenhang geht auch aus Abbildung 3 hervor, die den mittleren Tagesgang verschiedener Haushalte vergleicht.
Charakteristisch für ein Standardlastprofil ist der stark geglättete Verlauf der Last mit dem Verbrauchsschwerpunkt am Abend. Auch im tageszeitlichen Verlauf zeigt sich eine gute Übereinstimmung zwischen dem Standardlastprofil und dem Mittelwert aller untersuchten Haushalte. Darüber hinaus ist das mittlere Tageslastprofil zweier Haushalte zu sehen, die sich in ihren Verbrauchsverhalten stark voneinander unterscheiden. Haushalt (3) hat einen vergleichsweise hohen Stromverbrauch am Abend, wohingegen Haushalt (4) einen erhöhten Strombedarf am Vormittag aufweist.
Charakterisierung durch Nacht- und Sommeranteil
Da für photovoltaische Eigenverbrauchssysteme die Gleichzeitigkeit des Stromverbrauchs und der Solarstromerzeugung relevant ist, haben auch die tages- und jahreszeitlichen Unterschiede des Stromverbrauchs Einfluss auf die Höhe der selbst verbrauchten PV-Energie. Für den Eigenverbrauch ist folglich der Strombedarf im Sommer und zur Mittagszeit entscheidender als der Strombedarf im Winter oder in der Nacht. Um durch einheitliche Bewertungsgrößen verschiedene Lastprofile im Tages- und Jahresverlauf zu charakterisieren, sollen daher der sogenannte Nacht- und Sommeranteil eingeführt werden (Abbildung 4). Der Sommeranteil entspricht dabei dem Anteil des sommerlichen Strombedarfs am gesamten Jahresstrombedarf. Als weitere Vergleichsgröße dient der Nachtanteil, der das Verhältnis des nächtlichen Strombedarfs zum jährlichen Strombedarf beschreibt.
Durch diese beiden Charakterisierungsgrößen lassen sich die Unterschiede des Verbrauchsverhaltens verschiedener Haushalte je nach Tages- und Jahreszeit quantifizieren. Tabelle 1 fasst die Sommer- und Nachtanteile der ausgewählten Haushalte zusammen. Darüber hinaus sind beide Bewertungsgrößen auch für das Referenzlastprofil für Einfamilienhäuser der VDI-Richtlinie 4655 aufgeführt. Das Referenzlastprofil stimmt in seinem jahres- und tageszeitlichen Verlauf sehr gut mit dem Mittel aller 74 untersuchten Haushalte überein. Durchschnittlich wird etwa die Hälfte des jährlichen Strombedarfs in der Nacht und rund 45 % in den Sommermonaten benötigt.
Während der Haushalt (1) mit Klimaanlage 58 % des Stroms im Sommerhalbjahr verbraucht, fällt beim Haushalt (2) mit Wärmepumpe nur ein Viertel des Stromverbrauchs im gleichen Zeitraum an. Der Anteil des nächtlichen Strombedarfs am Gesamtbedarf ist hingegen bei beiden Haushalten fast identisch. Im Vergleich dazu ist der Nachtanteil des nachtaktiven Haushalts (3) mit 61 % fast doppelt so hoch wie der des Haushalts (4), der einen hohen Verbrauch am Vormittag hat.
Haushaltsabhängiger Eigenverbrauch
Diese großen Unterschiede im jahres- und tageszeitlichen Verlauf der Lastprofile wirken sich auch auf die zeitgleiche Nutzung des Solarstroms aus. Dies wurde für die verschiedenen Haushalte anhand von Simulationsrechnungen für ein PV-System untersucht. Die Ergebnisse der Jahressimulationen sind in Tabelle 1 (mittig) dargestellt. Wird pro 1.000 kWh Jahresverbrauch eine PV-Nennleistung von 1 kWp installiert, lässt sich in Einfamilienhaushalten im Mittel ein Eigenverbrauchsanteil und Autarkiegrad von jeweils rund 30 % realisieren.
Für die Haushalte mit hohem Sommeranteil oder geringem Nachtanteil ergeben sich überdurchschnittliche Werte für den Eigenverbrauchsanteil und Autarkiegrad. Wird jedoch mehr Strom in den Wintermonaten oder in der Nacht benötigt, wie bei Haushalt (2) und (3), fällt auch der Eigenverbrauch geringer aus.
Mit Batterie zum höheren Autarkiegrad
Wird neben dem PV-System zusätzlich ein Batteriespeicher installiert, lassen sich in der Regel sowohl der Eigenverbrauchsanteil als auch der Autarkiegrad erhöhen. Im Mittel können mit der in Tabelle 1 aufgeführten typischen Systemkonfiguration (PV-Nennleistung von 1 kWp/1.000 kWh Verbrauch und nutzbare Speicherkapazität von 1 kWh/1.000 kWh Verbrauch) beide Bewertungsgrößen auf über 50 % gesteigert werden. Auch hier zeigt sich, dass bei gleicher Systemkonfiguration die Simulationsergebnisse je nach Haushalt variieren und von den Ergebnissen des Referenzprofils abweichen können. Da der Haushalt (2) mit Wärmepumpe und der nachtaktive Haushalt (3) mehr Strom zu Zeiten geringer oder nicht vorhandener Solarstromerzeugung benötigen, lässt sich auch mit einem Batteriespeicher nur ein im Vergleich zum Durchschnitt geringerer Eigenverbrauchsanteil und Autarkiegrad erzielen.
Abbildung 5 zeigt zusammenfassend für die gleiche Systemkonfiguration den realisierbaren Autarkiegrad aller 74 Haushalte aufgetragen über dem jeweiligen Nacht- und Sommeranteil. Aus der Abbildung kann man somit ablesen, wie hoch der erreichbare Autarkiegrad der verschiedenen Haushalte je nach tages- und jahreszeitlicher Verteilung des Strombedarfs ist. Grundsätzlich fällt der Autarkiegrad umso höher aus, je geringer der Nachtanteil und je höher der Sommeranteil des Stromverbrauchs ist. Somit lassen sich die höchsten Werte für den Autarkiegrad in Haushalten erreichen, die einen hohen Anteil des gesamten Strombedarfs zum einen im Sommer und zum anderen am Tag benötigen. Für hohe Eigenverbrauchsanteile und Autarkiegrade ist daher ein hoher Sommeranteil bei möglichst geringem Nachtanteil vorteilhaft.
Die zuvor ausgewählten vier exemplarischen Haushalte liegen an den Grenzen des Wertebereichs und stellen somit Extrembeispiele dar. Die Sommer- und Nachtanteile des Großteils der Haushalte unterscheiden sich um weniger als fünf Prozentpunkte vom jeweiligen Mittelwert aller Haushalte. In der Regel sollten die Betriebsergebnisse daher bei gleicher auf den Jahresstrombedarf normierter Größe der PV-Speichersysteme nicht mehr als zehn Prozentpunkte von den Durchschnittswerten abweichen. Im Mittel stimmen die Simulationsergebnisse aller untersuchten Haushalte sehr gut mit denen auf Grundlage des Referenzlastprofils ermittelten überein, was dessen Allgemeingültigkeit bestätigt. Folglich lässt sich der Nutzen eines PV-Speichersystems in einem Haushalt bereits durch die in Abbildung 1 aufgeführten Referenzergebnisse vorab abschätzen. 
Danksagung
Das Forschungsprojekt PVprog (Entwicklung von prognosebasierten Betriebsstrategien für Photovoltaik-Speichersysteme) wird im Umweltentlastungsprogramm II gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und des Landes Berlin (Projektnummer: 11410 UEP II/2).

Referenzprofil der VDI 4655Mittelwert aller 74 HaushalteHaushalt (1)Haushalt (2)Haushalt (3)Haushalt (4)
KlimaanlageWärmepumpenachtaktivtagaktivJahresstromverbrauch4.000 kWh4.700 kWh
5.600 kWh8.600 kWh1.400 kWh3.900 kWhSommeranteil46 %45 %
58 %25 %45 %46 %Nachtanteil51 %49 %

Tabelle 1: Energetische Charakterisierung verschiedener Lastprofile und Simulationsergebnisse für PV-Systeme mit und ohne Batteriespeicher. Das Referenzlastprofil der VDI 4655 wurde hierzu auf einen jährlichen Strombedarf von 4.000 kWh skaliert.

Die Autoren Tjarko Tjaden (Foto oben) und Johannes Weniger (Foto Mitte) sind wissenschaftliche Mitarbeiter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin. Volker Quaschning (Foto unten) ist Professor für Regenerative Energiesysteme und Sprecher des Studiengangs Regenerative Energien an der HTW Berlin. Gemeinsam forschen sie unter anderem an der Entwicklung von prognosebasierten Betriebsstrategien für Photovoltaik-Speichersysteme. Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin http://pvspeicher.htw-berlin.de

Literatur
[1] Weniger, Johannes; Quaschning, Volker; Tjaden, Tjarko: Optimale Dimensionierung von PV-Speichersystemen. In: pv-magazine, 01/2013.
[2] Tjaden, Tjarko; Weniger, Johannes; Bergner, Joseph; Schnorr, Felix; Quaschning, Volker: Einfluss des Standorts und des Nutzerverhaltens auf die energetische Bewertung von PV-Speichersystemen. In: 29. Symposium Photovoltaische Solarenergie, Bad Staffelstein 2014.

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