Bei den Verbänden der erneuerbaren Energien kommt der Koalitionsvertrag bisher nicht besonders gut an. Auch die Zeit titelte „Union und SPD begraben die Energiewende“. Der SPD Umweltpolitiker Ulrich Kelber, Bundestagsabgeordneter aus Bonn, hat sich in den letzten Jahren immer für die erneuerbaren Energien eingesetzt. Er nimmt dazu Stellung und erklärt, warum er dem Koalitionsvertrag zustimmt und dass Angela Merkel persönlich gegen höhere Ausbauziele intervenierte.
pv magazine: Sie haben sich selber schon kritisch zum Koalitionsvertrag geäußert.
Ulrich Kelber: Dass gesagt wird, das sei ein Weg weg von der Energiewende, stimmt nicht. Es bleibt beim Ausbauplan für die Erneuerbaren, damit diese die Hauptsäule der Stromversorgung werden. Dass wir von der SPD aber an zwei Stellen mehr wollten, nämlich ein verbindliches nationales Klimaschutzgesetz und auch ein höheres Ausbauziel ist ja kein Geheimnis.
Die Ausbauziele sind ja noch die gleichen, als es noch keinen Atomausstieg gab.
Wir haben jetzt erst einmal die 45 Prozent in 2025. Das ist eine Verlangsamung zum jetzigen Ausbautempo, leider. Es ist aber nach wie vor ein klares Ausbauziel, in den nächsten 12 Jahren auf 20 zusätzliche Prozentpunkte zu kommen. Das ist in etwa die gleiche Geschwindigkeit wie im Durchschnitt der letzten zwölf Jahren. Mehr wäre technisch sicherlich möglich gewesen, aber derzeit nicht mit diesem Koalitionspartner.
Das wären im Schnitt 1,67 Prozentpunkte pro Jahr. In der Öffentlichkeit liest man aber immer wieder, dass Sie laut Koalitionsvertrag von jetzt 2,2 Prozentpunkten pro Jahr auf 1,34 Prozentpunkte pro Jahr abbremsen wollen.
Beide Zahlen würde ich sehr mit Vorsicht genießen. 2,2 Prozentpunkte sind nicht das durchschnittliche Wachstum, sondern nur das während des PV-Booms der letzten drei Jahre. Und die 1,34 Prozent sind eindeutig falsch. Der Koalitionsvertrag sagt nicht, die Obergrenze ist 40 bis 45 Prozent, sondern setzt einen Ausbaukorridor. Das heißt, wir müssen mindestens 40 und dürfen höchstens 45 Prozent erreichen. Mindestens 40 bedeutet, dass, sollte die Ausbaugeschwindigkeit so gering werden, dass die 40 Prozent in Gefahr sind, Nachsteuerungen erfolgen müssen. Deswegen muss man gegen die 45 Prozent als obere Begrenzung rechnen und das sind 1,67 Prozentpunkte.
Die Zeit hat getitelt, SPD und Union begraben die Energiewende. Es geht um den Satz im Koalitionsvertrag: Wir werden prüfen, ob große Erzeuger von Strom aus Erneuerbaren Energien einen Grundlastanteil ihrer Maximaleinspeisung garantieren müssen, um so einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Wie interpretieren Sie diese Satz.
Ich halte diese Idee auch für abstrus. Ich sehe nicht, dass es kommt.
In der Zeit steht, der entsprechende Absatz sei auf drängen von RWE und EON in den Vertrag gekommen.
Was das angeht, stimmt das wohl. Aber anders als in der Öffentlichkeit dargestellt hat Hannelore Kraft in den Verhandlungen mit Peter Altmaier und Angela Merkel bis zum Schluss für die Forderungen, 75 Prozent Erneuerbare bis 2030 und ein verbindliches nationales Klimaschutzgesetz, gekämpft und hat das als strittige Punkte in die Endabstimmungsrunde der drei Parteivorsitzenden gegeben.
Und da hat dann Angela Merkel dagegen interveniert?
Ganz genau, massiv und unnachgiebig.
Wie schätzen Sie die Chancen der Solarbranche in den nächsten vier Jahren bei dieser Regierung ein?
Für die PV sind die Bedingungen kaum geändert worden. Wir werden zunehmend zu Eigenverbrauchslösungen kommen. Zur Eigenverbrauchsfrage steht ja auch ein Abschnitt im Koalitionsvertrag. Der bezieht sich aber keineswegs nur auf die Erneuerbaren. Wir sehen ja heute, dass fossile Kraftwerksscheiben gekauft werden und dass das als Eigenstromerzeugung ausgegeben wird.
Deswegen soll ja auch die EEG Umlage auf Eigenstromverbrauch erhoben werden. Das verändert die Bedingungen für die Solarbranche dann doch stark.
Ich gehe davon aus, dass wir eine Bagatellgrenze haben werden, bei allem, was die Eigenversorgung angeht, und dass jede normale private Solaranlage und auch kleine gewerbliche Anlagen nicht darunter fallen werden.
Das Geschäftsmodell, auf das sich die Solarbranche gerade stürzt, bleibt also erhalten?
Davon gehe ich aus. Es wird aber einen indirekten neuen Umgang mit der Eigenstromerzeugung auch für private Kunden geben. Das sehen sie in einem anderen Abschnitt des Koalitionsvertrags. Wenn man einen hohen Eigenverbrauchsanteil hat, wird man das Netz weniger nutzen, hat aber einen Netzanschluss, um sich jederzeit voll versorgen zu können. Das zahlt man zurzeit aber nur über Kilowattstundenpreis und beteiligt sich daher zu wenig an der genutzten Infrastruktur. Deshalb wird es in Zukunft vermutlich nicht nur den Arbeitsanteil wie heute sondern auch einen Leistungsanteil bei den Netzkosten geben. Wer jederzeit 2000 Watt beziehen können will, muss das auch bezahlen, unabhängig davon, wie oft er oder sie das tut
Dafür gibt es ja auch Verständnis in der Solarbranche. Umso mehr wundert es doch, dass Sie sich mit dem Koalitionsvertrag erst darauf stürzen, den eigenverbrauchten Strom mit der EEG Umlage zu belasten. Woran liegt das?
Das liegt daran, dass wir ein halbes Jahr erlebt haben, dass die meisten Kommentatoren, Wissenschaftler, Wirtschaftsbeteiligte gefordert haben, die Förderung der Erneuerbaren zu ändern. Bei vielen Spitzenpolitikern wird jetzt zu wenig differenziert, das müssen wir bei der konkreten Gesetzesberatung nachholen.
Der Koalitionsvertrag enthält auch die verpflichtende Direktvermarktung. Welchen Sinn ergibt das, wenn statt Einspeisevergütung dann eine ähnlich hohe Marktprämie gezahlt werden muss?
Die Direktvermarktung hat durchaus auch in der SPD Anhänger. Ich persönlich gehöre nicht dazu. Sie macht aktuell, wo die gleitenden Marktprämie die EEG Vergütung ergänzt, natürlich finanziell gar keinen Sinn. Ich könnte der Direktvermarktung erst dann etwas abgewinnen, wenn man sagt, dass die Vermarktung ein Stück weit selbst organisiert werden soll. Dann muss aber zuvor das Strommarktdesign so verändert werden, dass an den Börsen auch ein fairer Platz für die Erneuerbaren ist. Heute folgen die Börsen nur den Regeln der fossilen und nuklearen Stromerzeugung.
Als Geschäftsmodelle für Großanlagen wird immer wieder in den Raum geworfen, dass es ein Auktionsmodell geben könne. Was sehen Sie da kommen?
Im Koalitionsvertrag steht ja drin, dass es erst einmal Modellprojekte geben wird. Dann kann man sehen, was das für Folgen hat. Eine Umstellung des EEG auf ein Ausschreibungsmodell dagegen würde ich für gefährlich halten, da wir aus anderen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien wissen, dass das Mehrkosten bei weniger Kilowattstunden ohne Aufbau einer Industrie zur Folge hat.
Man will herausbekommen, für welchen Preis man das bekommt?
Ganz genau. Und eventuell macht das für PV-Großanlagen am Ende auch Sinn.
Wann werden die Pilotprojekte kommen?
Ende 2016. So steht es im Koalitionsvertrag.
Das Gespräch führte Michael Fuhs
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