Nachgefragt bei Agora Energiewende wegen ihres EEG 2.0-Vorschlags

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Die Agora Energiewende hat in der am 10. Oktober einen Vorschlag für eine EEG 2.0 vorgelegt. Damit soll aus Sicht des Think-Tanks das EEG deutlich vereinfacht und der weitere Ausbau der Erneubaren zu bezahlbaren Kosten ermöglicht werden. Die EEG-Umlage soll nach dem Willen der Agora Energiewende auf einem Niveau zwischen 6,0 und 6,5 Cent je Kilowattstunde gehalten werden. Mit den zwölf Kernelementen, die unter anderem eine grundsätzliche Obergrenze für alle neuen EEG-Anlagen bei 8,9 Cent je Kilowattstunde, eine verpflichtende Direktvermarktung für alle Anlagen ab einem Megawatt sowie die Beendigung der „Entsolidarisierung“ durch die stufenweise Einbeziehung des Eigenverbrauchs bei Anlagen ab zehn Kilowatt in die EEG-Umlage vorsieht, hat Agora Energiewende einige Kritik geerntet. Die pv magazine-Redaktion hat deshalb bei verschiendenen Punkten nochmal bei Patrick Graichen, Verfasser des Methodenvorschlags bei Agora Energiewende, nachgefragt. Seine Antworten sind im Folgenden in ungekürzter Form veröffentlicht.
Vorbemerkung von Agora Energiewende: In immer mehr Gegenden der Welt – und eben ab 2015 auch in Deutschland – ist die Stromerzeugung mit neuen Wind- und Photovoltaikanlagen gleich teuer bzw. teilweise sogar günstiger als die Produktion von Strom aus neuen Kohle- und Gaskraftwerken. Der EEG-Vorschlag von Agora Energiewende zielt darauf ab, diese Chance zu nutzen und weiterhin einen hohen Ausbau der Erneuerbaren Energien zu gewährleisten, ohne dass dies für die Verbraucher teurer würde, als wenn in klimaschädliche Technologien investiert würde. Das bisher am meisten vorgetragene Argument gegen die Energiewende – die Steigerung der Kosten – wäre damit obsolet. Damit eröffnet sich die Chance für eine schnelle, umfassende Energiewende in Deutschland und weltweit – und so die Möglichkeit, das 2-Grad-Klimaschutzziel doch noch einzuhalten.

(1) Gab es in dem Findungsprozess für den EEG-Vorschlag der Agora Energiewende Konsultationen der Fachverbände oder anderer Fachleute? Offenbar erst am Abend vor der Veröffentlichung wurde via FAZ in diesem Punkt etwas unternommen. Stimmt dies? Warum wurde das so gemacht? Warum wurde das Papier ausgerechnet der FAZ zugespielt?
Eine Konsultation der Papiere von Agora Energiewende mit Verbänden egal welcher Branche findet aus grundsätzlichen Erwägungen nicht statt. Der EEG-Vorschlag wurde im gleichen Verfahren wie die „12 Thesen zur Energiewende“ erstellt, d.h. im Vorfeld der Veröffentlichung wurde ein Entwurf mit etlichen Fachleuten konsultiert und im Zuge dieses Konsultationsprozesses auch weiterentwickelt. Das Treffen mit den Verbänden am 9. Oktober 2013 diente der Information im Vorfeld der Veröffentlichung des Papiers, die am 10.10.2013 auf der Homepage von Agora Energiewende erfolgte. Das Papier wurde vorab der FAZ zur Veröffentlichung am 10.10.2013 gegeben, da die FAZ eine große und renommierte Tageszeitung ist; andere Papiere von Agora Energiewende wurden in anderen Zeitungen veröffentlicht.
(2) Insbesondere im Bereich der schlicht totgeschriebenen Bioenergie und Geothermie sind Inhalte nicht wissenschaftlich hinterlegt. Sehen Sie in beiden Segmenten keine Innovationen oder Potenziale mehr? Woher nehmen Sie diese Einschätzung?
Die Behauptung der mangelnden wissenschaftlichen Begründung der Inhalte ist falsch. So herrscht eine große Übereinstimmung in der Wissenschaft zu der Frage des sehr begrenzten Potenzials und der relativ hohen Kosten von Stromerzeugung aus Biomasse und Geothermie in Deutschland – beispielhaft sei hier etwa auf die Leitstudie Erneuerbare Energien 2011 verwiesen [Vgl. DLR et al. (2012): Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland , S. 82]. Dies kommt auch in den EEG-Vergütungssätzen für die jeweiligen Technologien zum Ausdruck (vgl. Tabelle 1 des EEG-Vorschlags) – während sie etwa bei PV drastisch und bei Wind Onshore inflationsbereinigt leicht gesunken sind, sind die Vergütungssätze bei Biomasse und Geothermie von 2000 bis 2013 teilweise deutlich gestiegen.
(3) Stimmt es, dass in den Konsultationen für den Methodenvorschlag einzig das Öko-Institut angesprochen wurde? In welchem Verhältnis stehen Agora Energiewende und das Öko-Institut? Was ist mit den vielen anderen wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema EEG, warum sind diese nicht berücksichtigt worden? Wie lässt sich diese Praxis vor den Fördergebern begründen?
Es wurden bei der Erarbeitung des Vorschlags keinerlei Institutionen, d.h. auch nicht das Öko-Institut, konsultiert. Vielmehr wurden, wie bereits erwähnt, etliche namhafte Fachleute aufgrund ihrer individuellen Expertise befragt. Damit wurde gewährleistet, dass eine große Bandbreite an Expertise aus Wissenschaft und Praxis in die Entwicklung des Vorschlags involviert war. Grundprinzip dieser Gespräche war die zugesicherte Vertraulichkeit, um jenseits der aus politisch-taktischen Erwägungen öffentlich vorgetragenen Positionen fachlich fundierte Einschätzungen zu erhalten. Die inhaltliche Verantwortung für den Vorschlag trägt aber allein Agora Energiewende.
Zum Verhältnis von Agora Energiewende und Öko-Institut: Das Öko-Institut ist eine von mehr als zehn wissenschaftlichen Beratungsinstitutionen, mit denen Agora Energiewende zusammenarbeitet. Es ist in drei Projekten Auftragnehmer von Agora Energiewende. Zum einen berät es Agora Energiewende bei der Aufbereitung der stündlich veröffentlichten Daten zur Stromerzeugung, zum zweiten hat es den EEG-Rechner sowie eine Auswertung der EEG-Umlage 2014 erstellt und zum dritten erarbeitet es derzeit einen grundlegenden Reformvorschlag für ein Marktdesign für Erneuerbare Energien. Letzteres hat nichts mit dem vorgelegten EEG 2.0-Vorschlag zu tun, sondern ist eine Ausarbeitung des in der Agora-Publikation „Die Zukunft des EEG – Evolution oder Systemwechsel“ bereits skizzierten Ansatzes eines Prämienmodells. Agora Energiewende hat sich dieses Modell nicht zu Eigen gemacht, wir werden es mit anderen Reformvorschlägen abwägen.
(4) Warum erscheint in der Quellenangabe der Langversion des EEG-Papiers als wissenschaftliches Institut allein das EWI? Wie kommt es, dass einzig ein Institut zitiert wird, das sich seit Jahren sehr klar gegen EEG und Energiewende stellt?
Die Quellenangaben beziehen sich auf die in den Tabellen verwendeten Daten. Bei den in Tabelle 3 verwendeten Daten wurden insbesondere für die Stromerzeugung aus Kohle- und Gaskraftwerken die Daten des EWI verwendet, da das EWI in diesem Bereich besondere Expertise hat. Die Daten im Bereich Erneuerbare Energien wurden weitgehend nicht vom EWI übernommen.
(5) Woher nimmt Agora Energiewende ihre gefestigte Meinung zur verpflichtenden Direktvermarktung? Stimmt es, dass sie auch in diesem Punkt ebenfalls weder Anhörungen gemacht hat noch verschiedene wissenschaftliche Studien ausgewertet hat?
Die Empfehlung der verpflichtenden Direktvermarktung resultiert aus der Vermarktungsperspektive für Strom in einem zunehmend von Erneuerbaren Energien dominierten Strommarkt: Ohne Direktvermarktung würde Strom langfristig nur noch verteilt, eine Vermarktung im eigentlichen Sinne würde nicht stattfinden.
Die Frage der verpflichtenden Direktvermarktung für Neuanlagen größer als 1 MW Leistung wurde im Zuge der Konsultation des Papiers mit verschiedenen Experten ausführlich diskutiert. Die Abschätzung ist, dass die Kosten für die direkte Vermarktung des Stroms im Gegensatz zur Abnahme durch die Übertragungsnetzbetreiber (die sich die Vermarktung an der Strombörse ebenfalls bezahlen lassen) Kosten in Höhe von etwa 0,2 cent/kWh verursacht. Dies ist für Neuanlagenbetreiber mit Anlagen größer als 1 MW eine vertretbare Kostengröße.
(6) Wieso will die Agora einerseits das EEG stark vereinfachen und gleichzeitig die Umlage auf die Erzeuger von erneuerbarer Energie ausweiten, welche den Strom direkt selbst nutzen? Wie steht die Agora Energiewende in diesem Kontext zu der ursprünglichen Idee "verursachergerechte Umlage"? Warum fordert Agora nicht eine strikte Rückkehr zu diesem Prinzip?
(7) Warum macht sich Agora Energiewende zum Organ der Behauptung einer "Entsolidarisierung" durch PV-Eigenerzeugung/Verbrauch? Wieso verwenden Sie diesen klar von den Gegner der Energiewende geschmiedeten Propagandabegriff?
(8) Warum macht Agora Energiewende nicht klar, dass Netz- und auch EEG-Umlage von allen Erzeugern gezahlt werden müssten – also für die rund 10 Prozent vornehmlich industriellen Eigenerzeuger im deutschen Strommarkt?
(9) Warum gibt es für die EE-Eigenerzeuger keine CO2-Gutschrift, wenn man das EEG schon zweckentfremdet? Gibt es die Forderung nach Anwendung solcher Prinzipien für alle Eigenstromerzeuger?
Die Fragen werden zusammen beantwortet, da sie den gleichen Themenkomplex behandeln und der Agora-Vorschlag augenscheinlich von der pv-magazine-Redaktion missverstanden wurde.
Agora Energiewende geht es darum, dass die Energiewende insgesamt allen (!) Stromverbrauchern zum Vorteil gereicht. Hierzu gehört es, dass die Gemeinkosten des Stromsystems – d.h. insbesondere Netzentgelte sowie Erneuerbare-Energien- und KWK-Förderkosten – von allen getragen werden, und nicht nur von denjenigen, die nicht in der Lage sind, eine Eigenstromanlage zu errichten. Sonst entsteht eine Kostenspirale: Je mehr Stromverbraucher sich aus der Finanzierung der Gemeinkosten verabschieden, desto teurer wird es für den verbleibenden Rest, mit der Folge, dass der Anreiz zur Eigenstromversorgung immer mehr zunimmt – und die Last der Gemeinkosten auf immer weniger Schultern verteilt wird.
So enthält die aktuelle EEG-Vergütungssumme in Höhe von ca. 20 Mrd. EUR im Jahr 2013 etwa 10 Mrd. EUR jährliche Photovoltaik-Förderkosten. Diese sind größtenteils auf die hohen PV-Installationsraten in den Jahren 2009, 2010 und 2011 zurückzuführen, als für neue PV-Anlagen noch sehr hohe Vergütungen garantiert wurden (und deren Kosten die EEG-Umlage bis zum Zeitraum 2029-2031 belasten werden). Es ist weder gerecht noch vermittelbar, dass diese Summen in den nächsten 16 bis 19 Jahren ausschließlich von den Verbrauchern getragen werden, die keinen eigenen Strom herstellen können, während sich Industriebetriebe, Gewerbetreibende und Private durch Eigenstromherstellung von der Finanzierung dieser historischen EE-Förderkosten verabschieden. Zudem profitieren Neu-Anlagenbetreiber, die etwa im Jahr 2015 eine günstige PV-Anlage errichten, maßgeblich davon, dass über das EEG in den Jahren 2009-2012 die Lernkurve der PV-Industrie finanziert wurde.
Der Agora-Vorschlag sieht daher vor, jeden (!) Eigenverbrauch oberhalb von 10 kW, das heißt insbesondere auch industriellen und gewerblichen, stufenweise in die EEG-Umlage einbeziehen. Die Schwelle von 10 kW sorgt dafür, dass Ein- und Zweifamilienhäuser mit PV- und/oder Mikro-BHKW-Eigenstromerzeugung für den selbst verbrauchten Strom keine EEG-Umlage zahlen (und sich so kleine PV-Anlagen trotz des Einspeisetarifs von nur 8,9 cent/kWh weiterhin rentieren); sobald aber größere Einheiten (und damit auch Verbraucher) beteiligt sind, ist eine Beteiligung an den Allgemeinkosten vorgesehen.
Eine solche breite Beteiligung ist auch deshalb dringend notwendig, da ja bis 2030 der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf deutlich über 50% steigen soll – bei einem Anwachsen der Befreiungen von der EEG-Umlage würde andernfalls die Basis derer, die die historischen Förderkosten tragen müssen, immer schmaler – mit extrem ungünstigen sozialen Verteilungseffekten.
Eine Vergabe von CO2-Gutschriften an EE-Anlagenbetreiber mit Eigenverbrauch ist nicht sinnvoll, da sie der Logik des EU-Emissionshandels diametral entgegensteht. Das Grundprinzip des EU-Emissionshandels ist es ja, dass es eine vorgegebene Menge an Zertifikaten gibt, die dann im Rahmen einer Versteigerung von Betreibern fossiler Kraftwerke gekauft werden müssen – und je knapper die Zertifikatemenge, desto höher der Preis. Der Vorteil der EE-Anlagen besteht insofern gerade darin, diese Zertifikate nicht erwerben zu müssen. Aus Klimaschutzsicht – und um die Förderkosten im Bereich der Erneuerbaren Energien zu reduzieren – ist daher eine deutliche Verknappung der gegenwärtigen CO2-Zertifikatemenge im EU-Emissionshandel dringend geboten.

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