pv magazine: Es gibt ein zunehmendes Bewusstsein dafür, dass die Qualität von Komponenten und PV-Installationen für die Solarbranche ein wichtiges Thema ist. Wie würden Sie das derzeitige Bewusstsein unter Investoren charakterisieren?
Jan Willem Vos: Alles hängt von der Qualität ab. Die Einspeisevergütung geht zurück und Investoren bedürfen hochwertiger Investitionen um sicherzustellen, dass sie ihr Geld zurückbekommen und eine Rendite erzielen. Wir beobachten, dass viele an der Entwicklung von PV-Anlagen beteiligte Unternehmen und Parteien kein ausgeprägtes Verständnis für die Notwendigkeit von Qualität haben.
Es geht nicht nur ums Modul, nicht nur um den guten Preis, um gutes Design oder um gute Beschaffungsmöglichkeiten, sondern es geht ums Ganze. Alles muss zusammenpassen, damit der Investor die gewünschte Qualität bekommt. Diese Kette sollte keine schwachen Glieder aufweisen. Leider überblicken viele Investoren nicht die gesamte Lieferkette und verlassen sich dabei auf andere. Gelingt es nicht, alle Faktoren richtig zu kombinieren, dann erfüllt die Anlage, also die Investition, nicht die Erwartungen.
Sind sich die Investoren dessen bewusst?
Das Bewusstsein wächst, reicht jedoch noch nicht aus. So verlassen sich viele unerfahrene Investoren etwa auf die Sichtweise der Banken und Finanzierungsparteien, die in Sachen Qualität eine andere Sichtweise haben. Banken und Finanzierungsparteien ist es wichtig, ob sie ihr Geld zurückbekommen, und nicht, ob der Investor von seinem Geschäft profitiert.
Versicherungsgesellschaften gehen auch nach der Qualität, jedoch ist für uns die Schadensminimierung ausschlaggebend. Wir überprüfen bei einer Anlage Wetterbeständigkeit, ob sie extremen Situationen wie Hurrikans standhalten wird, Diebstahlsicherung, Gefahr durch Vandalismus, Kurzschlüsse, Feuer usw. Die Qualität in Bezug auf die Rendite ist für uns jedoch nicht so sehr von Bedeutung.
Bei den Investoren stellt sich allmählich ein Qualitätsbewusstsein ein. Viele sind jedoch weiterhin darauf aus, für minimale Investitionen maximale Rendite zu erzielen. Investoren müssen aber die Gesamtbetriebskosten ins Auge fassen und nicht bloß die Baukosten.
Sie sprechen von der Qualitätskette, die gewährleistet sein muss. Wie wichtig ist bei dieser Kette die Zertifizierung von Komponenten?
In Anbetracht der aktuell für Komponenten angewandten Zertifizierungsmethoden ist es wohl sinnvoll, sich auf Module und Wechselrichter zu konzentrieren. Die IEC-Zertifizierung ist im Grunde eine willkürliche Zertifizierung. Sie sagt mehr über die Fähigkeit aus, zu einem bestimmten Zeitpunkt Qualität zu produzieren, als über kontinuierliche ganzjährige Qualität.
Es besteht daher ein wachsender Bedarf an einem Zertifizierungs- bzw. Qualifizierungsverfahren, bei dem nicht nur die Materialien und Module zertifiziert werden, sondern auch die gesamte Fabrik und die gesamte Einstellung des Unternehmens. Das Qualitätsbewusstsein des Modulherstellers im Allgemeinen muss beurteilt werden.
Glauben Sie, dass man sich weiterhin auf das aktuelle Zertifizierungsverfahren verlassen wird?
Das ist die allgemeine Meinung am Markt und auch weiterhin die Meinung vieler Käufer von Photovoltaikmodulen. Im letzten Jahr haben wir unseren eigenen Due-Diligence-Prozess für Modulhersteller gestartet, in dessen Rahmen wir Modulhersteller überprüfen, für deren Module wir dann bei einer Zulassung dem Investor/Betreiber eine Versicherung für inhärente Mängel bieten können.
Inwiefern unterscheidet sich die Abdeckung von inhärenten Mängeln?
Wir können jede PV-Anlage mit IEC-zugelassenen Modulen gegen Blitzschlag, Feuer, Diebstahl und andere externe Katastrophen versichern. Für wenige Modulhersteller mit Solarif-Zulassung oder -Zertifizierung können wir auch gegen inhärente Mängel versichern. Das bedeutet, dass Schäden am Modul oder der gesamten Anlage, die durch das Modul ausgelöst werden, abgedeckt sind, also nicht nur das Modul selbst, sondern alle Arbeits- und Transportkosten sowie Produktionsausfälle.
Gibt es hier nicht bereits entsprechende Garantien?
Nein, nicht komplett. Meistens umfassen diese Garantien nur Materialschäden am Modul selbst, aber keine Folgeschäden. Unsere Versicherung ist unabhängig davon, ob eine Garantie greift und ob der Hersteller bereits bankrott ist. Wir decken inhärente Mängel mit allen Folgeschäden ab. Selbstverständlich muss zunächst die Garantie in Anspruch genommen werden.
Die Versicherung inhärenter Mängel bedeutet, dass man die Qualität der zu versichernden Module wirklich kennen muss. Wir haben uns also alle möglichen Testberichte, Zertifikate und was sonst noch auf dem Markt verfügbar ist angesehen und dabei festgestellt, das alles nicht ausreichte, um Versicherer wie uns und die hinter uns davon zu überzeugen, das die Qualität so hoch ist, dass wir eine Versicherung für einen Zeitraum von 20 Jahren zu akzeptablen Prämien anbieten können.
Wir haben unseren eigenen Due-Diligence-Prozess gestartet, Inline-Prüfungen und Fabrik-Audits. Es beginnt mit den bestehenden Zertifizierungen. Selbstverständlich muss der Hersteller in der Lage sein, diesen Zertifizierungen entsprechend zu produzieren. Wir untersuchen aber auch, ob der Hersteller wirklich jedes Modul den Zertifizierungen entsprechend das ganze Jahr über produziert. Unsere Due Diligence geht noch weiter. So überprüfen wir etwa, was ein Hersteller mit Modulen macht, die als nicht standardgemäß bewertet werden. Nehmen die Hersteller Module, die dem Standard nicht entsprechen, wirklich aus der Produktion heraus? Werden alle Inline-Prüfungen durchgeführt? Ist die Stückliste unverändert? Wie werden die Module ausgeliefert?
Wir betrachten auch andere Faktoren wie die Arbeitsplatz- und Umweltbedingungen. Zu unserer Due Diligence gehört zudem eine umfangreiche finanzielle Überprüfung.
Wenn ein Hersteller Berichte Dritter vorlegen kann, sehen wir uns diese gerne an. Bisher hat jedoch noch kein anderes Unternehmen einen Bericht oder eine Zertifizierung vorgelegt, wobei auf all unsere Fragen eingegangen wird.
Investoren verlangen zunehmend nach solch einer Abdeckung. Es handelt sich um eine Versicherung für den Investor selbst, ohne andere Parteien dazwischen. Um als Investor solch eine Versicherung abschließen zu können, muss sich der Hersteller öffnen, kooperieren und beweisen, dass seine Qualität sich nicht nur auf einen Aufkleber oder ein vorgelegtes Zertifikat beschränkt. Gleichbleibende Qualität, auf die wir und andere sich verlassen können, ist von Bedeutung, damit wir das Qualitätsversprechen eines Herstellers versichern können.
Wie steht es mit den zusätzlichen Kosten, die durch Due Diligence anfallen?
Dadurch kann der Hersteller letztendlich Geld sparen und den Umsatz steigern. Heute zahlen die Hersteller oft für eine relativ teure beschränkte Garantieversicherung, die den Kunden wenig oder gar keine Absicherung bietet. Solche Absicherungen sind dann nicht mehr notwendig und die Hersteller können dadurch viel Geld sparen.
Um dies zu verdeutlichen: Es ist so, als ob man ein Auto kauft und der Händler die Versicherung übernimmt. Das ist ungünstig, weil der Händler nach dem für ihn günstigsten Schutz suchen wird und kein Interesse daran hat, das Interesse des Kunden bestmöglich zu wahren.
Bei unserem Konzept ist es so, dass nicht der Hersteller, sondern der Anlagenbetreiber selbst für die Versicherung bezahlt. Der Hersteller muss dazu über unseren Due-Diligence-Prozess zugelassen/zertifiziert werden. Der Hersteller hat dann gegenüber den Kunden ein Argument: ‚Wir sind von Solar Insurance & Finance zugelassen/zertifiziert. Sie haben unsere Fabrik besucht, Due Diligence durchgeführt und wir haben bewiesen, gute und gleichbleibende Qualität zu bieten. Wir sind vertrauenswürdig.‘
Will sich also ein Investor nicht ausschließlich auf den Hersteller verlassen, kann er bei uns eine Versicherung abschließen, die inhärente Mängel einschließt.
Somit kann der Investor die Risiken drastisch reduzieren. Er schließt die Versicherung in seinem eigenen Interesse nach seinen Bedürfnissen ab und zahlt auch dafür. Investoren sind für ihr eigenes Risiko und somit auch für die eigene Strategie zur Risikominderung verantwortlich, wozu die Versicherungen gehören. Hersteller hingegen müssen gleichbleibende Qualität gewährleisten.
Das Interview führte Jonathan Gifford
Jan Willem Vos wird auf derSolarpraxis-Konferenz ‚Quality for Photovoltaics‘ am 12. September in Berlin sprechen.
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