Doch auch der deutsche, hochrangige Angestellte eines chinesischen Herstellers erzählt, wie viele Mitarbeiter er wohl entlassen muss, wenn die Zölle kommen, die Module teurer werden und er weniger Ware verkauft.
Der Chef des Fraunhofer ISE, Eicke Weber, setzt derweil mit unglaublichem Optimismus auf eine neue Gigawatt-Fabrik in Deutschland, „um die Technologieführerschaft zu erhalten“. Die findet sich jedoch vor allem bei den Maschinenbauern.
Was man glauben kann, ist schwer zu wissen. In Brüssel diskutieren Branchenexperten in Anhörungen über die Auswirkung von möglichen Zöllen auf Markt und Arbeitsplätze, von denen sich die Mehrzahl auf Zahlen beruft, die sich als Luftnummern erweisen. Das kann man ihnen nicht einmal vorwerfen. Denn die Zahlen stammen aus einem so genannten Open Document der InitiativeEU Prosun, hinter der Solarworld und weitere nicht namentlich genannte europäische Hersteller stehen. Darin wird quartalsweise vorgerechnet, wie stark chinesische Anbieter europäische unterbieten würden. Für das 1. Quartal 2012 wird dort ein Zielpreis für Module von 1,50 Euro bis 2,40 Euro berechnet und den Importpreisen von 70 Cent bis 1,40 Euro pro Watt für Importware (CIF) gegenübergestellt. Diese Preisvorstellungen sind angesichts der Preisentwicklung absurd – und jetzt stellte sich heraus, dass sie auch nicht ernst gemeint sind. Damit Solarworld keine wahren Kosten nennen muss, wurden falsche Zahlen eingetragen. Das ist noch absurder als es die falschen Zahlen sowieso schon sind.
Es wird in Europa zwar seit Jahren davon erzählt, dass chinesische Hersteller von billigen Kreditlinien profitieren und es gibt auch einigeMeldungen dazu. Diese Mittel seien unerlaubte Subventionen, die ein Dumping möglich machen. Ganz unglaubwürdig ist das angesichts der großen Verluste auch der chinesischen Hersteller nicht. Doch einige chinesische Hersteller argumentieren dagegen, dass ihre Bilanzen doch offen liegen, da sie an der Börse gehandelt werden. Bei Prosun ist auf der Webseite ein Dokument zu finden in dem immense Geldsummen genannt werden, die als Kredite an chinesische Unternehmen geflossen sein sollen – allerdings ohne Bedingungen und ohne Begründung, warum sie unfair sein sollen. Mir ist nicht bekannt, dass einer der Verfechter der Zölle bisher im Detail dargelegt hat, was es mit den billigen Krediten auf sich hat. Warum nicht?
Mehr Aufklärung bitte
AuchAfase, die Initiative gegen die Zölle, könnte das Thema offensiv aufgreifen und uns erklären, ob es billige Kreditlinien, Steuererleichterungen und weitere Hilfen für chinesische Hersteller gibt, warum diese WTO konform sind, ob sie vielleicht eher eine willkommene erlaubte Förderung der Solarenergie als unerlaubte Subventionen zu sehen sind. Die Organisation könnte auch offensiv über die im Prosun-Dokument genannten Summen informieren. Doch es überrascht, wie Afase in der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermeiden versucht, dass chinesische Firmen Einfluss in der Organisation haben könnten. Das ist der Grund, warum sie nach eigener Aussage "nicht zu den Produktionsbedingungen und Krediten einzelner Unternehmen aus China" aufklärt.
Die Gegner der Zölle bei Afase, das sind qua ihres Interesses nahezu alle Player außer den europäischen Modulherstellern, wenden ein, dass die Zölle die Systemkosten erhöhen würden. Dadurch sänke die Zahl der Installationen, wodurch Arbeitsplätze verloren gehen und die Energiewende langsamer verlaufen würde. Afase hat dazu eine Studie vom Marktforschungsinstitut Prognos anfertigen lassen. Die präsentierten Zahlen sind horrend. Danach würden 92.200 Beschäftigte allein in Deutschland und dieses Jahr ihre Jobs verlieren, wenn Zölle in Höhe von 60 Prozent eingeführt würden. So richtig nachvollziehbar ist die Studie für mich nicht, da die Berechnungen nicht detailliert dargestellt sind, und die Höhe der prognostizierten Effekte bedarf einer genauen Evaluierung (pv magazine wird weiter darüber berichten).
Auswirkung auf Zubau und Arbeitsplätze
Thema kommt in der Praxis an
Ist es nun richtig, dass es so kommt? Die Diskussion spaltet die Branche scharf nach den Interessen der Beteiligten und die europäischen Modulhersteller stehen dabei ziemlich alleine da. Ist es eine Entsolidarisierung, den eigenen Interessen zuliebe die europäischen Modulhersteller in Ihrem Ruf nach Zöllen nicht zu unterstützen? Moral oder Prinzipien und Arbeitsplätze gegeneinander abzuwägen, wie es die EU machen soll, ist mir kaum möglich. Zu unterschiedlich sind die Kategorien. Das Moralargument steht jedoch – zumindest soweit der Öffentlichkeit bekannt – noch auf schwachen Füßen, während das Arbeitsplatzargument kaum zu bestreiten ist.
Das ist das erste Argument, weshalb ich die Zölle derzeit für falsch halte. Ob die Zölle den europäischen Modulherstellern überhaupt helfen, obwohl diese deutlich kleinere Produktionsanlagen als ihre chinesischen Konkurrenten haben, ist umstritten (siehe Interviews mitClaudia Kemfert undHenning Wicht). Das ist das zweite Argument. Viel mehr als Zölle würde in Deutschland außerdem eine Industriepolitik helfen, bei der die Regierung die Zell- und Modulhersteller nicht wie momentan die ganze Branche als Schmuddelkinder und Abzocker darstellt. Wenn man der Meinung ist, dass die Energiewende mehr als zwei Gigawatt Zubau an Solarstromanlagen erfordert, spricht also viel gegen die Zölle. Das ist das dritte Argument.
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