Die Energiewende wird uns einen heißen September bescheren. Publizistische Kanonen werden geladen, um zu verbreiten, dass die Energiewende zu teuer wird. Strom soll besonders für Leute mit kleinem Geldbeutel unbezahlbar werden. Gerne wird auf die deutsche Photovoltaik-Industrie hingewiesen, die große Probleme hat, mit chinesischen Herstellern zu konkurrieren. Es gibt viele Firmenpleiten. Strapaziert wird gern die Mär, dass deutsche Rentner mit ihrer Stromrechnung reiche Landwirte mit Solardach und chinesische Industriekapitäne finanzieren. Auf der anderen Seite zeigt eine aktuelle Studie der Grünen, wie wenig das Argument wert ist: Die Stromkonzerne haben Einsparungen, die sich aus der Einspeisung von Solar- und Windstrom ergeben, nicht an ihre Stromkunden weitergegeben! Der Strompreis könnte leicht ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde niedriger sein als abgerechnet wird.
Sicher gibt es die Energiewende nicht umsonst. Die Stromkosten werden in den kommenden zehn Jahren steigen. Später werden wir dann durch stabile Strompreise entlastet, durch selbst erzeugten erneuerbaren Strom, besonders aus Wind und Sonne. Auf der anderen Seite haben wir uns in den vergangenen zehn Jahren an jährlich vier Prozent steigende Strompreise gewöhnt. Lange bevor die Umlage für die erneuerbaren Energien eingeführt wurde. Rechnen wir also für die kommenden acht Jahre, wie bisher, eine jährliche Preissteigerung von vier Prozent, hätten wir bis 2020 eine Strompreiserhöhung von 36 Prozent. Das ist mehr als es als Schreckgespenst der Energiewende diskutiert wird. Ein langsam steigender Strompreis ist ein guter Anreiz zum sparsamen Umgang damit. Familien, in denen ein Kind mit einem Messgerät als Schulprojekt alle heimlichen Stromverbräuche aufspürte, können bestätigen, wie groß Einsparpotenziale sind.
Das Problem der Geringverdiener ist einfach zu lösen: Statt eines Sozialtarifs, der Sparen von billigem Strom nicht belohnt, brauchen wir einen gestuften Strompreis, in dem eine Grundversorgung zu einem günstigen Preis berechnet wird. Ein darüber hinaus gehender Verbrauch wäre dann umso teurer. Meine Stromrechnung im Ferienhaus in Kalifornien ist so strukturiert: 13 Dollar-Cent/Kilowattstunde für den Grundverbrauch, 29 Cent/Kilowattstunde für bis zu 200 Prozent des Grundverbrauchs und noch erheblich mehr für Haushalte mit Großverbrauch.
Kommen wir zur Situation der Photovoltaik-Industrie, die es geschafft hat, durch die Umsetzung von intensiver Forschung, Automatisierung und verbesserter Produktionstechnologie in nur 25 Jahren ihre Kosten um mehr als eine Größenordnung zu senken. Von einem Preis für ein gutes Silizium Photovoltaik-Modul von zehn Euro pro Watt installierter Leistung 1989 auf unter einen Euro pro Watt heute.
Deutschland nimmt in der Photovoltaik-Forschung eine Spitzenstellung ein. Die deutschen Anlagenhersteller rüsten die Welt aus. Von der globalen Produktionskapazität von 50 Gigawatt pro Jahr wurde die Hälfte von deutschen Anlagebauern errichtet, davon drei Gigawatt in Deutschland. In Baden ist ein Schwerpunkt dieser Maschinenbau-Industrie. Leider wird der Photovoltaik-Absatz 2012 "nur" ein weiterer Rekord von etwa 30 Gigawatt sein. Es gibt also eine riesige Überkapazität, was zu Firmenpleiten und rapide sinkenden Preisen führt. 2020 erwarten aber die Experten einen Weltmarkt von etwa 100 Gigawatt pro Jahr. Bald werden also neue Anlagen gekauft werden, um diesen Bedarf zu weiter sinkenden Preisen noch profitabel zu bedienen. Kleine ältere Anlagen, wie sie bisher in Deutschland installiert wurden, können da kaum mithalten. Wir müssen hochmoderne Großproduktionsanlagen im Gigawatt-Maßstab entwickeln. Diese können auch in Deutschland gebaut werden.
Die koreanische Firma Hanwha hat die Zeichen der Zeit erkannt und wird zum Schnäppchenpreis den Photovoltaik-Technologieführer Q-Cells übernehmen, der durch Fehlentscheidungen in Schieflage geriet. Q-Cells wird so Teil eines der weltführenden PV Unternehmens. Die meisten Arbeitsplätze in Deutschland sollen erhalten bleiben. Leider war keiner unserer Konzerne so vorausschauend, diesen Schritt zu gehen. Die Zukunft der Solarindustrie wird aufregend. Weitere Kostensenkungen werden allen Menschen dieser Welt Zugang zu preisgünstigem Strom erlauben. Wir in Deutschland sollten stolz darauf sein, dies auch durch unseren Einspeisetarif für PV und den daraus folgenden raschen Ausbau dieser wichtigen Technologie zu unterstützen.
– Der Autor ist seit 2006 Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg und Inhaber des Lehrstuhls für Physik / Solarenergie an der Fakultät für Mathematik und Physik und an der Technischen Fakultät der dortigen Albert-Ludwigs-Universität. –
Die Erstveröffentlichung des Kommentars erfolgte in der Badischen Zeitung am 1. September.
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