Am Anfang ein Höllenfeuer

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Es scheint, als würden hier die Steine brennen. Handliche Quarzitbrocken fallen vom Förderband in den Lichtbogenofen, Koks kommt hinzu – und bei gleißendem Licht und Temperaturen von 2.200 Grad Celsius entwickelt das Höllenfeuer seine gewünschte Wirkung. Der Quarz, also das Siliziumoxid, gibt hier seinen Sauerstoff ab, der für die Verbrennung des Kokses nötig ist. Übrig bleibt Silizium in einer Reinheit von 98 bis 99,5 Prozent, sogenanntes Rohsilizium, auch metallurgisches Silizium genannt. Glühender Lava gleich fließt es aus dem Ofen, um in Kübeln zu Siliziumblöcken zu erstarren.
Mit diesem Hochofenprozess beginnt, zum Beispiel im norwegischen Holla bei Wacker Chemie, die Geschichte einer Solarzelle. Den Rohstoff gibt es übrigenswie Sand am Meer. Im wahrsten Sinne: Silizium ist das zweithäufigste Element in der Erdkruste, übertroffen nur vom Sauerstoff. 28 Prozent der Erdkruste bestehen aus dem Halbmetall. Es steckt im Quarz, in Feldspäten, im Glimmer, folglich in jedem Granit, jedem Gneis, jedem Sandstein. Es liegt an jedem Strand – wie Sand am Meer eben. Gewonnen jedoch wird das Silizium aus Quarzit, denn in diesem liegt es in höchster Reinheit vor. Das Gestein besteht zu 98 Prozent aus Quarz. „Wir bekommen es vor allem aus Brasilien, Russland und Südeuropa“, sagt Christof Bachmair, Sprecher von Wacker.
Doch wenn das Silizium glühend aus dem Ofen fließt, ist es noch verunreinigt durch Spuren von Eisen, Bor und Phosphor. „Für die photovoltaische Nutzungist es daher noch nicht geeignet und muss gereinigt werden“, erklärt Bachmair. Meistens geschieht das mit dem Siemens-Verfahren, das in den Jahren 1953 bis 1956 von Siemens entwickelt wurde. Hierbei wird fein gemahlenes metallurgisches Silizium zunächst im Wirbelschichtreaktor mit Salzsäure (Chlorwasserstoff HCl) bei 650 Grad Celsius zu Trichlorsilan (HSiCl3) umgesetzt. Als Nebenprodukt entsteht Wasserstoff, der später wieder benötigt wird, um die Reaktion umzukehren.

Verschiedene Wege

Durch Destillation werden anschließend die Störatome, die mit der Salzsäure ebenfalls Chlorverbindungen gebildet haben, abgetrennt. In einem weiteren Reaktor wird der gereinigten Substanzder zuvor erzeugte Wasserstoff wieder beigemengt – die Verbindung bricht auf, es entstehen wieder Salzsäure und Silizium. Das Halbmetall wird nun an heißen Siliziumstäben abgeschieden, die etwa im Wochenrhythmus ausgetauscht werden müssen. Damit ist solares Silizium entstanden mit einer Reinheit zwischen 99,99999 Prozent, genannt 7N, und 99,9999999 Prozent, also 9N.
Aber das Siemens-Verfahren ist teuer, vor allem weil es viel Energie verbraucht. Zudem kann das Material immer erst dann den Reaktoren entnommen werden, wenn diese abgeschaltet und die Stäbe abgekühlt sind. Ein solcher diskontinuierlicher Prozess kostet Zeit und auch unnötig Energie. Also arbeiten Forscher daran, neue Wege der Siliziumreinigung zu finden. Wacker setzt daher zum Beispiel auch ein Wirbelschichtverfahren ein. In dem Reaktor zirkulieren winzige Siliziumkügelchen, an denen sich das Silizium aus dem Trichlorsilan abscheidet. So entsteht granulares Silizium, das fortwährend entnommen werden kann – der Reaktor arbeitet also in einem kontinuierlichen Prozess ohne Abschaltung. Aber das Verfahren erfordert hohe Investitionen.

Verbesserungen möglich

Unterdessen hat jedoch auch das klassische Siemens-Verfahren noch Entwicklungspotenzial durch weiter verbessertes Reaktordesign. Man habe bereits in der Vergangenheit die Ausbeute von 250 auf 600 bis 800 Kilogramm je Charge verdreifacht, sagt Stefan Reber, Forscher am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Und weitere Verbesserungen seien noch möglich: „Faktor zwei beim Durchsatz ist noch drin.“ Abweichend vom Siemens-Verfahren lässt sich das Silizium auch aus Monosilan (SiH4) abscheiden, das aus demTrichlorsilan durch sogenannte Disproportionierung erzeugt wird. Monosilan siedet bei minus 111,4 Grad Celsius, deswegen lässt es sich weitaus einfacher reinigen. Während man für Trichlorsilan mindestens sieben Destillationskolonnen brauche, um überhaupt eine Standardqualität zu erreichen, reiche für Monosilan eine einzige, heißt es beim Anlagenbauer Schmid Silicon Technology in Freudenstadt. In einer Produktionsanlage am Standort Schwarze Pumpe in Sachsen erzeugt die Firma nach eigenem Bekunden mit dieser Technik bereits Silizium von 11N-Qualität.

Schont die Umwelt

Da das Silizium aus dem Monosilan schon bei 850 Grad Celsius abgeschieden wird statt wie beim Trichlorsilan bei 1.050 Grad, spart die Abscheidung rund die Hälfte des üblichen Energiebedarfs. Vorteile ergäben sich auch aus dem einfacheren und preisgünstigeren Aufbau, heißt es bei Schmid. Denn die Technik beanspruche je nach Größe der Anlage lediglich bis zur Hälfte der üblicherweise benötigten Fläche. Das Monosilan-Verfahren geht auf eine Idee aus den 1970er Jahren zurück und wurde in den Grundzügen von der Firma Degussa entwickelt. So setzt zum Beispiel auch Joint Solar Silicon JSSI, ein Gemeinschaftsunternehmen von Solarworld und der Chemiesparte des Evonik-Konzerns, ehemals Degussa, dieses in Rheinfelden ein.
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Von der Stahlindustrie gelernt

Ein ganz anderer Weg der Gewinnung von Solarsilizium ist unterdessen die Produktion von sogenanntem UMG-Silizium (die Abkürzung steht für „upgraded metallurgical grade“). Der Prozess, wie ihn die norwegische Firma Elkem einsetzt, nutzt Segregationsprozesse, reinigt das Rohsilizium also physikalisch. Diese Technik kann gut mit großen Mengen hantieren, sie lehnt sich an metallurgische Projekte der Stahlindustrie an. „Bis vor zwei Jahren hatte sie noch mit Qualitätsproblemen zu kämpfen“, sagt ISE-Forscher Reber. Doch heute erreiche sie eine Reinheit in der Größenordnung von 99,9999 Prozent (6N).
Allerdings ist auch diese noch grenzwertig, weil bei einer Reinheit von 6N die Konzentration der Störatome noch in der Größenordnung der notwendigen Dotierung durch Bor liegt. „Der Abstand zum Dotierungswert sollte bei Faktor zwei bis drei liegen“, sagt Reber. Denn durch unvermeidbare Schwankungen im Produktionsprozess muss zu jeder Zeitsichergestellt sein, dass die Konzen-tration an Störatomen unterhalb des Dotierungswertes liegt. Solarsilizium sollte also besser eine Reinheit von 7N erreichen.

Neuer Weg

Diesen Wert will auch das Unternehmen JPM Silicon erreichen, eine Ausgründung der TU Braunschweig. Sie will UMG-Silizium durch Mikrowellen herstellen, und zwar direkt aus Quarz, womit auch der erste Schritt des Lichtbogenofens verzichtbar wäre. „Wir erreichen im Labor eine Reinheit des Rohsiliziums von 99,99 Prozent“, sagt Jan-Philipp Mai, Geschäftsführer des Unternehmens. Damit ist es bereits etwa um den Faktor 100 reiner als das Rohsilizium aus dem klassischen Lichtbogenofen.
Zur Herstellung des reinen Solarsiliziums aus dem Rohsilizium gebe es nun zwei Wege, an denen gearbeitet werde, sagt Mai: Entweder man nutzt erneut Mikrowellen oder aber man setzt auf das klassische UMG-Verfahren durch physikalische Trennung. Da man bereits mit einem deutlich besseren Rohmaterial starte, seien die erforderlichen Reinheitsgrade leichter zu erzielen als mit Rohsilizium aus dem Lichtbogenofen. Als entscheidenden Vorteil führt auch Mai die Energieeffizienz an: Weil sein Prozess zur Herstellung von Rohsilizium nur Temperaturen von 1.700 Grad Celsius benötige, und nicht wie der Lichtbogenofen 2.200 Grad, spare man im Vergleich zur klassischen Variante 30 bis 50 Prozent der Energie ein.

Auf 15 Dollar runter

Sinken sollen damit auch die Kosten: „Unser Ziel sind 50 Prozent Kostenvorteil“, sagt Mai. Man werde statt eines Preises von 25 bis 30 Dollar pro Kilogramm, den Mai für das Solarsilizium aus heutigen optimierten Siliziumfabriken ansetzt, auf 15 Dollar herunterkommen. Die im Jahr 2010 gegründete Firma, die sich weiterhin auf dem Campus der TU Braunschweig befindet, hat für 2012 viel vor: „Wir wollen zeigen, dass unser Verfahren auch in Industriegröße funktioniert.“ Womit vor allem eines im Moment sehr deutlich erkennbar ist: So banal die Gewinnung von Reinsilizium aus Quarz klingen mag – es bleibt noch immer sehr viel Raum für Forschung und Entwicklung.

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