Die Politik muss entscheiden, welche Technik künftig mit Steuergeldern gefördert werden soll: die „Säuberung“ konventioneller Kraftwerke mittels Kohlendioxidabscheidung oder Solarstrom.
Kurt Döhmel, der Chef der Deutschen Shell Holding, ist ein streitbarer Geist. Wird um die Energieversorgung der Zukunft debattiert, erwarten alle an der Diskussion Beteiligten von ihm klare Ansagen. Und so war ihm die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Branche sicher, als er kürzlich die Photovoltaik gegen die Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) ins Feld führte. Dabei hat sich Döhmel hinsichtlich der CCS-Technologien noch gar nicht festgelegt. Ihm ist nur wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass beide Technologien im globalen Kampf gegen Treibhausgase eine wichtige Rolle spielen. Allerdings empfiehlt er zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, sich auf eine der beiden Technologien festzulegen.
An der Photovoltaik bemängelt Kurt Döhmel grundsätzlich, dass sie noch sehr kostenintensiv und deshalb lediglich mit recht hohen Förderungen und Anreizsystemen realisierbar sei. Allerdings setzt er große Hoffnungen auf neue Dünnschichttechnologien, die verglichen mit den heute verwendeten kristallinen Siliziummodulen erheblich weniger Rohmaterial benötigen.
Der CCS-Technologie spricht Döhmel eine Brückenfunktion bei der Lösung der Klimaproblematik zu. Brückentechnologien allerdings haben ein Verfalldatum. Und dieses Verfalldatum hängt natürlich wesentlich von den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen ab. Döhmels Hinweis, dass allein im Jahr 2007 in China 30 neue Kohlekraftwerke in Betrieb genommen wurden und somit also jede zweite Woche mit einem neuen Kraftwerk zu rechnen sei, unterstreicht die Notwendigkeit, auch bloße Brückentechnologien zu nutzen, wenn dadurch die Emissionen begrenzt oder vielleicht sogar abgebaut werden können. Letztlich rät Döhmel dazu, in beide Technologien zu investieren und die Entwicklung aufmerksam zu verfolgen, sich aber auf gar keinen Fall vorschnell einseitig für oder gegen eine der zur Debatte stehenden Technologien zu entscheiden.
Musterrechnung der LBBW
Einen aufschlussreicheren Anhalt bietet die Musterrechnung, die mehrere Experten der Research-Abteilung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) vorgelegt haben. Sie haben am Beispiel des vom Stromkonzern RWE für das Jahr 2014 angekündigten Kohlekraftwerks in Hürth bei Köln eine Vergleichsrechnung mit entsprechenden Photovoltaik-Stromkosten vorgenommen.
Das Hürther Kohlekraftwerk soll 450 Megawatt liefern und wird mit einer vollständigen Kohlendioxid-Abscheidung ausgestattet sein. Die Kosten für die Kohlendioxid-Abscheidung setzen sich dabei aus den Technologiekosten und einer Einpreisung des durch die Abscheidung verminderten Wirkungsgrades des Kraftwerks zusammen. RWE selbstveranschlagt diese Kosten auf zwei Milliarden Euro, so dass sich umgerechnet auf die Kraftwerkslaufzeit ein CO2-Preis von 56 Euro pro Tonne CO2ergibt.
Bei der dann angestellten Vergleichsrechnung haben die Landesbank-Analysten die von der Internationalen Energieagentur für das Jahr 2014 prognostizierten Preise für Kohle und Gas den Photovoltaik-Stromkosten gegenübergestellt. So ergibt sich bei 141 US-Dollar für die Tonne Kohle und 33 Euro für die Megawattstunde Gas sowie neun Euro-Cent für die Kilowattstunde Photovoltaikstrom der Schluss, es „lohnt sich der Ersatz eines alten Gas-, aber auch eines Steinkohlekraftwerkes durch eine Photovoltaikanlage in Spanien.“
Das dürfte viele Photovoltaik-Kritiker überraschen. Allerdings schränken die LBBW-Analysten ihre aus der Vergleichsrechnung gezogene Schlussfolgerung gleich ein wenig ein, weil natürlich auch politische und regulatorische Rahmenbedingungen hier mit eingerechnet werden müssen. Deshalb fügen sie an: „Bei einem von uns in 2014 erwarteten CO2-Zertifikatspreis von dann 30,80 Euro pro Tonne CO2ist es allerdings günstiger, ein neues Steinkohlekraftwerk zu bauen und die nötigen CO2-Emissionszertifikate zuzukaufen.“
Gesetzentwurf verabschiedet
Der sich in regulatorischen Bestimmungen – wie zum Beispiel dem Preis von Emissionszertifikaten – niederschlagende politische Wille entpuppt sich also als Risiko bei derartig angestellten Vergleichsrechnungen. Deshalb kritisieren Rainer Baake und Cornelia Ziehm von der Deutschen Umwelthilfe auch, dass der am 1. April vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhafter Speicherung von Kohlendioxid – kurz CCS-Gesetz – die finanziellen Folgen der Regelung für die öffentlichen Haushalte nicht berücksichtige.
Insbesondere würden die Deckungsvorsorge und die Nachsorge nicht im Gesetz geregelt. So wird beispielsweise das Risiko der Langzeitsicherheit nicht eingerechnet beziehungsweise eingepreist, weil die Bundesregierung – so lautet der Vorwurf von Rainer Baake und Cornelia Ziehm – vorgesehen habe, dass „der Betreiber eines CO2-Speichers bereits nach Ablauf von 20 Jahren nach dem Abschluss der Stilllegung sämtliche Pflichten auf das Bundesland, welches die Genehmigungsbehörde eingerichtet hat, übertragen“ könne.
Versteckte Subventionierung
Im Falle des geplanten Kohlekraftwerkes in Hürth, das auch bei den Berechnungen der Research-Abteilung der Landesbank Baden-Württemberg als Beispiel herangezogen wurde, würde dies bedeuten, dass das einrichtende Bundesland in die Haftung geht. Die entsprechende Haftungssumme kann also aus den Berechnungen für die Kosten der produzierten Energie herausgerechnet werden. Solche Tatbestände sind in der politischen Diskussion auch als versteckte Subventionierung bezeichnet worden.
„Würde beispielsweise Kohlendioxid aus einem Kraftwerk im nordrhein-westfälischen Hürth in Schleswig-Holstein gespeichert, wäre das Land Schleswig-Holstein auf einmal vollständig für das CO2verantwortlich, welches in Nordrhein-Westfalen durch RWE kostenlos, das heißt vom EU-Emissionshandel befreit, produziert worden ist“, geben Cornelia Ziehm und Rainer Baake zu bedenken.
Doch die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg haben noch etwas weiter in die Zukunft geschaut und die Modellrechnung noch ein Stückchen extrapoliert. Im Jahr 2020 gehen sie von einem Kohlepreis gemäß den Prognosen der Internationalen Energieagentur in Höhe von 157 US-Dollar pro Tonne aus und von einem Photovoltaikpreis in Höhe von zehn Euro-Cent für die erzeugte Kilowattstunde. Sie haben ferner den politischen und technologischen Rahmenbedingungen in dieser Modellrechnung sehr weitgehend Rechnung getragen und sind sogar davon ausgegangen, „dass sich die Investitionskosten für die CCS-Technologie nahezu halbiert haben“. Diese Kosten wären dann mit 31,70 Euro pro Tonne Kohlendioxid anzusetzen. In einem solchen Fall lägen die CO2-Vermeidungskosten für ein altes Steinkohlekraftwerk und für ein neues Gaskraftwerk in derselben Größenordnung wie die Kosten für die CCS-Technologie.
PV günstiger als CCS
Folgerichtig gelangen die LBBW-Forscher zu dem Schluss: „Für den Ersatz eines alten Gaskraftwerkes ist die Photovoltaik dann deutlich günstiger als CCS.“ Photovoltaik-Kraftwerke zu bauen sei aufgrund dieser Modellrechnungen „auf dem langen Zeithorizont, der für die Entwicklung von CCS-Technologie von der Energieindustrie veranschlagt wird, in etwa gleich effizient oder effizienter.“
Und das hat politische Konsequenzen. „Hier sollte sich die Politik die Frage gefallen lassen, welche Technologie in Zukunft durch Steuergelder gefördert werden soll: die ‚Säuberung’ konventioneller, fossiler Kraftwerke mit Auslaufdatum durch die CCS oder die doch wohl nachhaltigere Versorgung der Industriegesellschaft mit Solarstrom.“
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