Der Mensch ist gewohnt, Leistungsbeziehungen per Vertrag zu regeln. Daher ist es eher ungewöhnlich, wenn sich Leistungsbeziehungen bereits aus dem Gesetz herleiten lassen. Diese Situation nutzen Netzbetreiber zu Ihren Gunsten. Sie senden auch den Betreibern kleiner Photovoltaikanlagen Einspeiseverträge zu, die die Anlagenbetreiber in der Regel ohne nähere Prüfung unterzeichnen.
Viele dieser Verträge berücksichtigen die Interessen des Netzbetreibers stärker als die des Anlagenbetreibers und gehen über das gesetzlich vorgesehen Maß hinaus. Natürlich merkt der Anlagenbetreiber – wenn überhaupt – erst im Ernstfall, dass er sich mit der Unterzeichnung des Einspeisevertrages freiwillig schlechter gestellt hat.
Vorsichtige Anlagenbetreiber, die den einen oder anderen „Fallstrick“ in den Einspeisevertragsentwürfen entdeckt und reklamiert hatten, wurden für ihre Mühe grundsätzlich nicht belohnt. Denn Netzbetreiber waren in der Regel nicht bereit, von ihren Vertragsentwürfen abzuweichen.
Mittlerweile dürfte es hinlänglich bekannt sein, dass Einspeisevertragsentwürfe der Netzbetreiber bei Anlagenbetreibern eine gewisse „Bösgläubigkeit“ auslösen sollten (siehe PHOTOVOLTAIK 08/2008).
Neben der Investition in die Photovoltaikanlage macht der Anlagenbetreiber mit seiner Entscheidung über den Abschluss eines Einspeisevertrages einen Schritt mit weitreichenden Folgen in die Zukunft hinein. Denn die wirtschaftliche Laufzeit einer Photovoltaikanlage beträgt bereits 20 Jahre, die tatsächliche Laufzeit qualitativ hochwertiger Anlagen ist nach heutigen technischen Standards erheblich länger. Somit können sich Probleme im Verhältnis zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber mit (vermeidbaren) Folgen zulasten des Erstgenannten irgendwann in den Jahrzehnten des Betriebs der Anlage überhaupt erst ergeben.
Der Anlagenbetreiber sollte vor dem Abschluss eines Einspeisevertrages wissen, dass sowohl die Rechtsprechung als auch andere Verträge (z. B. Versicherungsverträge) in seine Prüfung einbezogen werden sollten. Daher sind Fragen, die sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Netzbetreiber und dem Anlagenbetreiber ergeben, im Einzelfall unterschiedlich zu beantworten; je nachdem, ob ein Einspeisevertrag mit dem Netzbetreiber abgeschlossen wurde oder nicht.
Zudem hat jeder Einspeisevertrag seine rechtlichen Besonderheiten und muss demzufolge jeweils gesondert betrachtet werden. Daher können hier nur allgemein gehaltene Empfehlungen gegeben werden.
Was kann der Anlagenbetreiber vor Abschluss eines Einspeisevertrages tun?
1. Der Anlagenbetreiber kann sich vom Netzbetreiber, ggfs. auch vom Auftragnehmer der Installation der Photovoltaikanlage, bestätigen lassen:
a. welche gesetzlichen Verpflichtungen dem Netzbetreiber ihm gegenüber obliegen und ob daraus Kosten für den Anlagenbetreiber erwachsen;
b. welche gesetzlichen Pflichten ihn selbst gegenüber dem Netzbetreiber treffen .
In Betracht kommen je nach Inbetriebnahmedatum der Photovoltaikanlage folgende Gesetze:
> Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien vom 21. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt 2004, Teil I, Seite 1918) – EEG 2004
> Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften vom 25. Oktober 2008 (Bundesgesetzblatt 2008 Teil I Seite 2074) – EEG 2009
> BGB, insbesondere § 823
Ziel dieser frühzeitigen Befassung ist, grundlegende Informationen für die Überprüfung des nach der Inbetriebnahme der PV-Anlage zugesandten Einspeisevertragsentwurfs zu gewinnen. Im Falle der Erkundigung beim Netzbetreiber dürfte dessen Reaktion bereits ein interessantes Indiz sein.
2. Auf den vorgenannten Informationen aufbauend, sollte der Anlagenbetreiber in die Prüfung des Vertragsentwurfs einsteigen oder einen Rechtskundigen damit beauftragen. So können insbesondere Formulierungen zum/r
> Vertragsgegenstand (dieser sollte sinngemäß die Abnahme und die Vergütung von photovoltaisch erzeugtem Strom durch den Netzbetreiber nach den Vorschriften des EEG 2004 / EEG 2009 zum Gegenstand haben);
> Rechtsnachfolge (z. B. Mitbestimmungsrecht des Netzbetreibers);
> unmittelbaren durchgreifenden Wirkung von Maßnahmen der Bundesnetzagentur;
> Gerichtsstand (Deutschland);
> Vergütung (z. B. Liquiditätsnachteile);
> Vertragsverhältnis z. B.:
- zum Gültigkeitszeitraum (Wirkung auch für Zeiträume nach Ablauf des gesetzlich geregelten Zeitraums der Einspeisevergütung) und
- zur Wirkung von Gerichtsentscheidungen, die eine Schlechterstellung des Anlagebetreibers zur Folge haben könnten;
> Haftung
Anlass für weitere Prüfungen bilden. Dabei kam es in der Vergangenheit des Öfteren vor, dass der Netzbetreiber weder Rückfragen beantwortete noch sich Vorschlägen für eine Verbesserung der vertraglichen Situation des Anlagenbetreibers zugänglich zeigte. Einzelfälle zeigten, dass Netzbetreiber sogar die Bemühungen von Anlagenbetreibern um einen fairen Ausgleich als Ablehnung des Einspeisevertrages werteten.
Ist der Anlagenbetreiber mit allen Formulierungen im Einspeisevertragsentwurf einverstanden bzw. beinhaltet dieser sogar eine Besserstellung des Anlagenbetreibers gegenüber seiner gesetzlichen Position, sollte er den Vertragsentwurf dennoch nicht sogleich unterzeichnen. Denn sowohl die Rechtsprechung als auch die jeweilige versicherungs- und haftungsrechtliche Situation sollten mitbedacht werden.
3. Rechtsprechung:
> Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des EEG 2004 ist das Gesetz verfassungskonform.
Zusammenfassung einschlägiger Urteile des Bundesgerichtshofs – BGH – aus dem Jahre 2003:
Betreiber von Windkraftanlagen verlangten von dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Anlagen an sein Versorgungsnetz anzuschließen, den erzeugten Strom abzunehmen und ihn zu bestimmten Preisen zu vergüten. Die Betreiber der Windkraftanlagen beriefen sich in den Verfahren auf das Stromeinspeisungsgesetz in der Fassung vom 24. April 1998 (StrEG 1998) und auf das Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG), welches ab dem 1. April 2000 das StrEG 1998 abgelöst hatte. Nach beiden Gesetzen sind die Betreiber des einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien nächstgelegenen Versorgungsnetzes verpflichtet, den erzeugten Strom abzunehmen und zu bestimmten, erheblich über dem Marktpreis für herkömmlichen Strom liegenden Mindestpreisen zu vergüten. Das Elektrizitätsversorgungsunternehmen hatte geltend gemacht, die genannten Gesetze verstießen gegen das Grundgesetz, weil sie unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Stromversorgungsunternehmen eingriffen. Die Pflicht zur Abnahme und zur Zahlung der gesetzlich festgelegten Mindestvergütung sei außerdem mit den Vorschriften des EG-Vertrages über das Verbot von staatlichen Beihilfen und von Einfuhrbeschränkungen nicht vereinbar.
Der BGH hatte das Elektrizitätsversorgungsunternehmen unmittelbar zum Anschluss der Anlagen sowie zur Abnahme und Vergütung des Stroms verurteilt. In Anknüpfung an eine frühere zum Stromeinspeisungsgesetz in der Fassung vom 7. Dezember 1990 ergangene Entscheidung des Kartellsenats des BGH (BGHZ 134, 1) hatte der BGH die gesetzliche Abnahme– und Vergütungspflicht nach dem StrEG 1998 und dem EEG als verfassungsgemäß angesehen, weil die damit verbundenen Belastungen für die Berufsausübungsfreiheit der Elektrizitätsversorger zumutbar seien. Die Energieversorgungsunternehmen treffe auch nach Wegfall der gesetzlichen Grundlagen für ihre monopolartige Stellung in bestimmten Versorgungsgebieten durch die im Jahr 2000 erfolgte Liberalisierung des Strommarktes eine besondere Verantwortung für eine ressourcen- und umweltschonende Energieerzeugung. Die von ihnen betriebenen Versorgungsnetze seien vorzugsweise geeignet, den Strom aufzunehmen und mit geringen Verlusten an die Abnehmer weiterzuleiten. Gegen die Abnahme- und Vergütungspflicht bestünden auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Energieversorgungsunternehmen keine Bedenken. Dem regional sehr unterschiedlichen Aufkommen von aus erneuerbaren Energien gewonnenen Strom (etwa aus Windkraft in Küstennähe) werde im StromEG 1998 durch eine Härteklausel (§ 4 StrEG 1998) und im EEG durch eine bundesweite Ausgleichsregelung (§ 11 EEG), durch welche die mit der Abnahmepflicht verbundenen Mehrkosten weitgehend auf alle Versorgungsunternehmen umgelegt würden, hinreichend Rechnung getragen. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 13. März 2001- Rechtssache C-379/98) hatte der BGH in der Abnahme- und Vergütungspflicht auch keinen Verstoß gegen die europarechtlichen Verbote staatlicher Beihilfen an Private (Art. 87 EG-Vertrag) und mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen (Art. 28 EG-Vertrag) gesehen.
> Die beiden Urteile des Oberlandesgerichtes – OLG – Hamm und des Landgerichtes – LG – Oldenburg sind für den Anlagenbetreiber Anlass zur Vorsicht. Er sollte keine vertraglichen Regelungen mit dem Netzbetreiber vereinbaren, die ihn gegenüber seiner gesetzlichen Position schwächen.
Kurze Schilderung der für den Anlagenbetreiber wesentlichen Punkte aus den beiden Urteilen:
Im Urteil des OLG Hamm ging es um die Kostentragung für die Legung einer Freileitung zum Anschluss einer Windkraftanlage an das Stromnetz. Der Netzbetreiber legte die Freileitung auf Grund einer Vereinbarung mit dem Anlagenbetreiber. Vereinbart war, dass der Anlagenbetreiber die Kosten der Freileitung trägt. Nachdem die Anlage in Betrieb genommen wurde, berief sich der Anlagenbetreiber auf das EEG und forderte das an den Netzbetreiber gezahlte Geld für die Freileitung zurück. Der Netzbetreiber hielt dagegen, dass der Anlagenbetreiber eine Vereinbarung mit ihm getroffen habe, in der sich der Anlagenbetreiber zur Bezahlung der Baumaßnahme verpflichtet habe. Diese Vereinbarung gehe dem EEG vor. Das OLG hatte dem Netzbetreiber Recht gegeben. Richtig sei zwar, dass das EEG die Netzausbaukosten dem Netzbetreiber auferlege und die Netzanschlusskosten dem Anlagenbetreiber. Wenn die Parteien jedoch eine Vereinbarung zur Kostentragung konkreter Baumaßnahmen getroffen haben, so könne von dieser EEG-Regelung abgewichen werden. Der Anlagenbetreiber könne sich im Nachhinein nicht auf die für ihn günstigen Regelungen des EEG berufen.
Im Urteil des LG Oldenburg setzte sich das Gericht gar nicht erst mit der Frage auseinander, ob Netzausbaukosten (Kostentragung durch den Netzbetreiber) oder Netzanschlusskosten (Kostentragung durch den Anlagenbetreiber) vorlägen. Es entschied ebenfalls, dass die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Netzbetreiber und dem Anlagenbetreiber, wonach sich Letzterer verpflichtet hatte, die Kosten zu tragen, maßgebend sei.
4. Versicherungsrechtliche Fragen:
Die Versicherungen sollten daraufhin untersucht werden, ob sie zu einer unterschiedlichen Behandlung führen, je nachdem, ob ein Einspeisevertrag mit dem Netzbetreiber abgeschlossen wurde oder nicht. Betreiberhaftpflichtversicherungen treten in der Regel nur bei Personen, Sach- oder sich daraus ergebender Vermögensschäden aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts ein. Das bedeutet, dass in Einspeiseverträgen geregelte Haftungsansprüche vom Ergebnis her dann keinen Versicherungsschutz auslösen, wenn die vertragliche Haftung über die gesetzliche Haftung hinausreicht.
Der Anlagenbetreiber haftet gesetzlich nach § 823 BGB, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. In diesem Fall ist er dem Geschädigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Gleiches gilt, wenn der Anlagenbetreiber gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Die Ersatzpflicht tritt aber nur im Falle des Verschuldens ein. Das Beispiel des Blitzeinschlags in eine vorschriftsmäßig abgesicherte und ordnungsgemäß betriebene Photovoltaikanlage löst mangels Verschulden keine BGB-Haftung aus. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn ein fehlerhaft montiertes Solarstrommodul durch starken Wind abgehoben wird und das Auto des Nachbarn beschädigt.
5. Andere Haftungstatbestände für den Anlagenbetreiber?
Die Netzanschlussverordnung – NAV – ist nicht einschlägig für Anlagenbetreiber. Sie konkretisiert die allgemeinen Bedingungen für den Netzanschluss von Kunden (Letztverbraucher von Strom) und Netzbetreiber auf der Grundlage des § 18 Abs. 1 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Allerdings wird im Paragraf 1 Absatz 1 Satz 4 der NAV ausdrücklich darauf verwiesen, dass die NAV nicht für den Netzanschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien gilt.
6. Andere Aspekte
In einigen Fällen forderte die Steuerverwaltung die Vorlage von Einspeiseverträgen. Dies ist jedoch für die steuerliche Beurteilung nicht erforderlich.
Fazit
Der Anlagenbetreiber sollte sich bereits in einem frühen Stadium um größtmögliche Rechtssicherheit bemühen. Den Einspeisevertragsentwurf des Netzbetreibers sollte er daraufhin untersuchen bzw. untersuchen lassen, ob er durch die Unterzeichnung des Vertrages besser gestellt ist als ohne einen Einspeisevertrag. Bei einer Schlechterstellung sollte er auf den Abschluss des Vertrages verzichten.
Ist der Anlagenbetreiber allerdings mit allen Formulierungen im Einspeisevertragsentwurf einverstanden bzw. beinhaltet dieser sogar eine Besserstellung des Anlagenbetreibers gegenüber seiner gesetzlichen Position, sollte er den Vertragsentwurf dann unterzeichnen, wenn dadurch seine versicherungs- und haftungsrechtliche Position ebenfalls nicht gegenüber seiner gesetzlichen Position eingeschränkt wird.
Selbst die unwahrscheinliche Aufhebung des EEG ändert an dieser Vorgehensweise nichts. Denn in einem derartigen Fall gilt der allgemeine europäische und deutsche Rechtsgrundsatz des Bestandsschutzes. Danach sind Anlagen, die während der Gültigkeit des EEG angeschlossen werden, nicht von der Aufhebung betroffen. (Rainer Doemen)
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