Die Meldungen trüben die Stimmung. Industrieunternehmen brechen die Aufträge weg. Konsumenten halten ihr Geld zusammen und verzichten auf größere Anschaffungen. Börsenkurse fahren Achterbahn. Konjunkturprognosen werden wieder und wieder nach unten korrigiert. Und der Internationale Währungsfonds (IWF) spricht inzwischen offen von einer Rezession – was allerdings erst mal nur bedeutet, dass der IWF für 2009 ein weltweites Wirtschaftswachstum erwartet, das unter drei Prozent liegt. Besonderes Sorgenkind: Deutschland. „Die deutsche Wirtschaft wurde jahrelang vor allem durch den Export angetrieben“, sagt Jörg Decressin. Der Chef der IWF-Abteilung für weltwirtschaftliche Studien prognostiziert nun wegen der einknickenden globalen Nachfrage „eine scharfe Umkehr“.
Finanzmarkt in Schockstarre
Auch ohne Nachfrageknick macht die Finanzkrise vielen Firmen das Leben schwer, denn sie erschwert den Zugang zu Krediten, die für Investitionen oder kurzfristige Finanzierungen dringend benötigt würden. „Auch Unternehmen mit gutem Rating haben Schwierigkeiten, ausreichende Finanzmittel zu angemessenen Bedingungen zu bekommen“, sagt Werner Schnappauf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Von einer Kreditklemme will er zwar nicht sprechen. „Aber die Konditionen verschlechtern sich.“
Schuld daran haben jedoch nicht die Unternehmen, sondern die in Schockstarre verharrenden Banken. Trotz milliardenschwerer Rettungspakete für den Finanzsektor kommen die Kreditgeschäfte zwischen den Geldhäusern nicht in Schwung. Das gegenseitige Misstrauen ist zu groß: Zum einen fürchten die Geldinstitute, andere Banken könnten die gewährten Kredite eventuell nicht mehr bedienen, zum anderen wollen sie unbedingt ihre eigene Liquidität sichern, um nicht selbst nach einem Kreditgeber suchen zu müssen. Dabei ist laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln mehr als genug Geld vorhanden. „Seit Wochen deponieren die Banken des Euro-Raums bis zu 240 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank – das ist locker 500- bis 1.000-mal so viel wie in normalen Zeiten“, heißt es im Infodienst iwd. Raubtierkapitalisten, Finanzhaie oder Heuschrecken sichtet das IW Köln derzeit auf den Finanzmärkten nicht, eher Kaninchen vor der Schlange – obwohl es gar keine Schlange gibt. „Das Kaninchen hat vielmehr Angst vor sich selbst. Denn während sich der Normalsparer ruhig verhält und trotz der Milliardenverluste keinen Run auf die Banken und Sparkassen veranstaltet, tun die Kreditinstitute genau das, was der Bürger ihrer Meinung nach auf gar keinen Fall tun sollte: Sie legen ihr Geld quasi unters Kopfkissen.“
Investitionspläne auf Eis gelegt
Dieses fehlende Geld lässt den Wirtschaftskreislauf schwächeln. Die US-Analysegesellschaft Piper Jaffray hat daher ihre Erwartungen an die Geschäftsentwicklung der kapitalintensiven PV-Branche nach unten korrigiert. Und mancherorts werden die Folgen der Finanzkrise konkret sichtbar: Der norwegische Konzern Vetro Solar beispielsweise wollte ab 2009 in Sachsen-Anhalt eine Solarglasfabrik bauen, 400 Millionen Euro investieren und 500 Arbeitsplätze schaffen – nun liegen die Pläne wegen der schwierigen Kreditsituation vorerst auf Eis.
Auch die Conergy AG hat es hart getroffen: Der koreanische Konzern LG Electronics hat die Verhandlungen über das mit Conergy geplante Joint Venture beendet, damit ist der Verkauf von 75 Prozent der Solarfabrik in Frankfurt/Oder vorerst gescheitert – LG begründet den Rückzug mit der Finanzkrise und einem Strategiewechsel. Und auch wenn Conergy-Chef Dieter Ammer beteuert, dass es nicht zu Liquiditätsengpässen kommen wird, und auf die Kapitalerhöhung von bis zu 400 Millionen Euro verweist: Analysten warnen bereits vor finanziellen Schwierigkeiten, da jetzt der dringend benötigte Mittelzufluss aus dem Verkauf der Fabrik ausbleibt. Und, so Analyst Karsten von Blumenthal von SES Research: „Sofern Conergy die Solarfabrik in Eigenregie weiter betreibt, muss das Unternehmen für das Sourcing von Silizium und Wafern weiterhin allein aufkommen. Das könnte jenseits der gegenwärtigen finanziellen Spielräume des Unternehmens liegen.“ Kurzfristig hat die gerade abgeschlossene Kapitalerhöhung Conergy zwar Luft zum Atmen verschafft. Größere Investitionen sind angesichts der nach wie vor drückenden Schuldenlast jedoch nicht möglich – und die Aussichten für die kommenden Monate ungewiss.
Ohnehin sieht es für Solarunternehmen aus Börsensicht derzeit düster aus. SMA Solar Technology aus der Nähe von Kassel sorgte zwar für das größte Börsendebüt des Jahres, erreichte mit 362 Millionen Euro aber nur ein eher kleines Emissionsvolumen. Andere Firmen wie Sinosol und Schott Solar mussten den Börsengang ganz absagen – wegen des Umfelds, das die Unternehmen als „umwerfend schlecht“ beschrieben. Und wer bereits börsennotiert ist, leidet unter der insgesamt pessimistischen Stimmung auf dem Parkett. Manz Automation, Centrosolar und Solarworld, die nach Abschluss des dritten Quartals 2008 sehr gute Zahlen für das laufende Geschäftsjahr vorlegten, konnten sich im November zwar gut behaupten. Q-Cells dagegen halfen alle Bekräftigungen der Wachstumsprognosen für 2009 nichts: Die Aktie ging gemeinsam mit anderen Werten aus dem Sektor der erneuerbaren Energien in die Knie.
Wachstumsprognose halbiert
Grund für den Einbruch war eine Branchenstudie, die die Deutsche Bank im November vorlegte: Analyst Alexander Karnick halbierte darin seine Wachstumsprognosen für Solar- und Windenergieanlagen für das Jahr 2009. Ein Dämpfer für die Titel, die angesichts des Wahl-sieges des US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama bereits zu einer massiven Erholung angesetzt hatten – schließlich plant Obama ein umfassendes Förderungsprogramm für erneuerbare Energien. Trotzdem: „Die Aussichten für die Branche haben sich verschlechtert“, sagt Karnick und verweist unter anderem auf die restriktivere Kreditvergabe der Banken, was zu sinkender Nachfrage sowie gestiegenen Kapitalkosten führe. Folge der Analyse, in der Karnick die Kursziele zum Teil drastisch reduzierte: Die Werte von Nordex, Q-Cells, Solon, Conergy und SMA Solar gaben deutlich nach.
Gleichzeitig mehren sich jedoch Prognosen, wonach die Finanzkrise die erneuerbaren Energien nur kurzzeitig beeinträchtigen wird. Torsten Hinsche, Leiter des Kompetenzzentrums Erneuerbare Energien der Commerzbank, hält Sonne, Wind, Erdwärme und Biomasse mittelfristig sogar für die Gewinner der Krise – schließlich liefern die Anlagen, wenn sie erst einmal stehen, den Strom unabhängig von Preisen für Öl und Gas. Seine Einschätzung teilt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin: „Banken und Investoren werden nach den Erschütterungen der Finanzkrise verstärkt auf Engagements zur Sicherung der Zukunft setzen.“ Das mache Unternehmen aus dem Sektor der erneuerbaren Energien attraktiv – gute Bonität vorausgesetzt. Und Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, verweist auf die Vorteile des Erneuerbare-Energien-Gesetzes: „Dank gesicherter Solarförderung können Investoren mit Solarstromanlagen auch im nächsten Jahr Renditen zwischen vier und sechs Prozent erzielen.“ Außerdem sei die Solarenergie zentraler Bestandteil der Erneuerbare-Energien-Strategie der Bundeskanzlerin. „Von dieser Roadmap werden auch die Produzenten von Solaranlagen weiterhin profitieren.“
Impulse für die Klimapolitik
Zwar bremst der fallende Ölpreis die erneuerbaren Energien gerade zusätzlich aus. „Aber an den fundamentalen Daten zur Energiesituation hat sich nichts geändert“, sagt Michael Liebreich, Chef des Londoner Forschungsinstituts New Energy Finance. „In vielen Ländern haben sich die politischen Rahmenbedingungen für saubere Energieformen verbessert. Und Bedenken hinsichtlich Versorgungssicherheit oder Klimawandel, die es bei fossilen Energieträgern gibt, werden nicht einfach aus dem Weg geräumt, indem der Ölpreis fällt.“ Zumal er das nur kurzfristig tun dürfte: Laut aktuellen Zahlen der Internationalen Energieagentur wird der Ölpreis bis 2030 doppelt so stark steigen wie bisher angenommen.
Nach Einschätzung von Ottmar Edenhofer, den die Technische Universität Berlin gerade auf den weltweit ersten Lehrstuhl für Klimaökonomie berufen hat, kann die Finanzkrise die Klimapolitik und so die damit verbundenen Wirtschaftsbereiche sogar vorantreiben. „Finanzkrise und Klimawandel haben eine gemeinsame Wurzel: die fehlende Nachhaltigkeit. Das müssen wir nun korrigieren.“ Daher seien Investitionen in die Energieeffizienz und in erneuerbare Energien dringend notwendig.
Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel sind diese Investitionen in Technologien, die Energie und Rohstoffe effizienter nutzen oder erneuerbare Ressourcen erschließen, nur eine Frage der Zeit. „Investitionen in diesen Markt sind allemal lohnender als das, was von Spekulationen abhängt und eine virtuelle Wirtschaft geworden ist.“ Und das Deutsche Bank Asset Management kommt in einer Studie sogar zu dem Schluss, dass sich gerade eine historische Gelegenheit bietet: Investitionen in eine grüne Infrastruktur gelten „als wichtigste Gegenmaßnahme zu jedem wirtschaftlichen Abschwung“.
PV-Nachfrage ungebrochen
Bei Solarteuren könnte sich dieses Umdenken besonders schnell bemerkbar machen, auch angesichts des gerade verabschiedeten Konjunkturpaketes: Die Bundesregierung stellt mehr Fördermittel zugunsten der Energieeffizienz von Gebäuden zur Verfügung, für Privathaushalte verdoppelt sich außerdem der Steuerbonus für Handwerkerleistungen für Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen – Finanzspritzen zur Stärkung der Investitionsbereitschaft. Und Banken wie die Landwirtschaftliche Rentenbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) melden, dass die Nachfrage nach PV-Finanzierungen trotz Finanzkrise in diesem Jahr deutlich über den Zahlen von 2007 liegt – der Bedarf an Strom und stromerzeugenden Anlagen ist eben nicht so konjunkturabhängig wie beispielsweise die Nachfrage nach Neuwagen. Die Solarenergie kann also dafür sorgen, dass sich die trübe wirtschaftliche Stimmung zumindest in einigen Bereichen bald wieder aufhellt.
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