Nachhaltigkeit? Burkhard Weiss schließt nicht aus, dass auch Überlegungen zu Nachhaltigkeit oder Umweltschutz eine Rolle spielen, wenn es um Investitionen in Photovoltaikanlagen geht. „Aus unserer Sicht spielen allerdings in erster Linie finanzielle Aspekte eine Rolle“, erklärt der Analyst der internationalen Großbank HSBC. „Die mögliche Rendite bestimmt die Nachfrage, und diese Rendite wird von vielen Faktoren beeinflusst: von der Sonnenintensität, den Preisen für Module und Anlagen, der Einspeisevergütung oder alternativ den Kosten für konventionellen Strom, nicht zuletzt dem Zinsniveau.“ In einer aktuellen Studie zum Solarsektor hat HSBC Global Research der Entwicklung der Nachfrage viel Aufmerksamkeit gewidmet, schließlich steigen und fallen damit die Geschäfte der Solarindustrie – und die Aktienkurse.
Insgesamt sind die Analysten optimistisch: Sie erwarten, dass die jährliche PV-Nachfrage weltweit bis 2010 auf knapp zehn Gigawatt steigen wird. Auf den bisher sehr dynamischen Märkten Spanien und Deutschland rechnen sie jedoch mit einer Abkühlung, da in beiden Ländern die Einspeisevergütungen sinken und zudem in Deutschland die Sonnenintensität nicht optimal ist; hier könnten nur deutlich billigere Modulpreise die Nachfrage ankurbeln. „Die Modulpreise müssten mindestens in dem Maße sinken wie die Vergütungen, damit Investitionen in PV-Anlagen interessant bleiben“, warnen die Analysten, ohne allerdings genaue Zahlen für Zellen oder Module zu nennen. Für den Fall, dass die Preise nicht nachgeben, wird ihrer Meinung nach die Nachfrage wegknicken, so dass die Firmen spätestens 2009 auf vielen fertigen Modulen sitzen bleiben – ein Fallstrick besonders für kleine und junge Unternehmen. Mögliche neue Schlüsselmärkte dagegen sind aus HSBC-Sicht Länder wie Griechenland, Italien und die USA: Der Einsatz von Photovoltaikanlagen ist politisch erwünscht und finanziell attraktiv, der Grad der Sonneneinstrahlung hoch. In allen Ländern wird jedoch auch das Zinsniveau eine Rolle spielen. Sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen können die notwendigen Anfangsinvestitionen meistens nicht mit Eigenkapital finanzieren, teure Kredite jedoch verschlechtern die Rendite.
Sinkende Preise | |||||||||
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Preisentwicklung | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 |
Silizium ($/kg) | 71,26 | 67,87 | 57,89 | 49,03 | 41,6 | 35,43 | 32,59 | 29,99 | 27,59 |
Wafer (€/Watt) | 1,05 | 1 | 0,87 | 0,76 | 0,66 | 0,57 | 0,51 | 0,46 | 0,41 |
Zellen (€/Watt) | 2,17 | 2,06 | 1,81 | 1,6 | 1,4 | 1,24 | 1,1 | 0,98 | 0,88 |
Module (€/Watt) | 3,1 | 2,95 | 2,56 | 2,4 | 2,16 | 1,95 | 1,78 | 1,62 | 1,47 |
Systeme (€/Watt) | 4,49 | 4,27 | 3,88 | 3,57 | 3,29 | 3,02 | 2,78 | 2,56 | 2,35 |
Systempreisänderung | -5% | -9% | -8% | -8% | -8% | -8% | -8% | -8% |
Überkapazitäten drohen
Nicht nur die sich verschiebende Nachfrage wird aus Sicht der HSBC-Analysten auf die Preise von PV-Produkten drücken, sondern auch das sich ändernde Angebot. „Wir erwarten kein Überangebot von Silizium, aber bis 2009 wird es genug Material auf dem Markt geben“, meint Burkhard Weiss – mit entsprechenden Folgen für die Zell- und Modulproduktion. HSBC rechnet bis 2010 mit einem Anstieg der Herstellungskapazität auf 25 Gigawatt im kristallinen und neun Gigawatt im Dünnschichtbereich. „Wir glauben zwar, dass die tatsächliche Produktion niedriger sein wird, als von den Unternehmen angekündigt. Trotzdem erwarten wir deutliche Überkapazitäten.“ Dieser Kapazitätsüberschuss und die große Zahl unabhängiger Lieferanten werde keinen Produzenten in die Lage versetzen, den Preis zu bestimmen, zumal weiterhin neue Firmen auf dem Markt aktiv werden.
Profitieren von dieser Situation werden zunächst die Anlagenbauer, die noch volle Auftragsbücher haben. Das wird sich laut HSBC ab 2009 ändern, wenn sich die Nachfrage verschiebt und die Zell- und Modulproduzenten daher ihre Kapazitäten kontrollierter und mit Blick auf den Markt ausbauen: Die Gewinnspannen der Ausrüster werden sinken, der Markt wird zyklischer, der Wettbewerb härter. Kostensenkung ist gefragt, gleichzeitig müssen die Firmen aber auch in Forschung und Entwicklung investieren, um mit den schnellen Innovationszyklen mithalten zu können. „Angesichts des starken Wachstums in Asien und der niedrigeren Produktionskosten erwarten wir, dass PV-Produzenten sich nach Osten orientieren. Und langfristig müssen die Anlagenbauer aus unserer Sicht dorthin ziehen, wo ihre Kunden sind.“ Wie sich diese Entwicklung speziell auf Hersteller schlüsselfertiger Produktionsanlagen auswirken wird, ist für HSBC noch offen. „Diese Hersteller müssen vor allem darauf achten, ihr Know-how und ihr intellektuelles Eigentum nicht an ihre Kunden zu verlieren.“
Noch ein weiterer Faktor wird laut HSBC darüber entscheiden, welche Firmen der PV-Industrie sich am Markt behaupten können: Größe. Die Analysten erwarten eine umfassende Konsolidierung im Solarsektor, „vergleichbar mit der Konsolidierung, die wir im Wind-Bereich gesehen haben, wo die sechs größten Unternehmen jetzt 85 Prozent des Weltmarktes bestimmen.“ Dabei geht es nicht nur um Zusammenschlüsse von Unternehmen eines Bereichs. Auch die Vertikalisierung, also das Einbinden mehrerer Stufen der Wertschöpfungskette, halten die Analysten in den kommenden drei Jahren für entscheidend – um Überkapazitäten und sinkende Preise abzufedern und den Zugang zu Lieferanten und Kunden zu sichern.
Markt im Umbruch
Sind die Unternehmen auf die neuen Anforderungen eingestellt? Nicht alle, zeigt eine Studie der Privatbank Sarasin zur Solarbranche. Auch die Schweizer Analysten warnen vor einem grundlegenden Umschwung: „Durch die Diskrepanz zwischen Kapazitätsausbau und installierter Menge bewegt sich die PV-Industrie von einem nachfragegetriebenen Markt hin zu einem angebotsgetriebenen Markt“, bestätigt Studienautor Matthias Fawer die Einschätzung der HSBC-Kollegen. Das Erreichen der Grid-Parity könnte die Situation natürlich wieder drehen. Fawer ist optimistisch: „In Kalifornien kann dieser Break-even-Punkt schon gegen 2010 erreicht werden.“ Unternehmen, die ihre Geschäftsstrategie auf die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft ausgerichtet haben, hätten aber bereits jetzt gute Chancen. „Zu diesen Herausforderungen zählen nicht zuletzt die Rohstoffsicherung, die Unternehmensgröße, das technologische Know-how und eine breite Kundenbasis.“
Werden diese Aspekte berücksichtigt, sind laut Fawer die Aussichten für Solarunternehmen positiv. Beispiel Silizium: Solarunternehmen hatten in den vergangenen Jahren damit zu kämpfen, dass Silizium, der wichtigste Rohstoff, durch den enormen Nachfrageschub knapp und teuer wurde. Inzwischen wurden zwar Produktionskapazitäten auf- und ausgebaut, das Ausmaß der zu erwartenden Preissenkungen ist jedoch noch unklar. Ohnehin sind diese Preissenkungen ein zweischneidiges Schwert. Sollten die Preise kaum fallen, profitieren Zellhersteller mit lang laufenden Silizium-Lieferverträgen. Fallen sie markant, sind Firmen mit flexibleren Verträgen im Vorteil. Beispiel Unternehmensgröße: Solarunternehmen sind kapitalintensiv. Je größer das Produktionsvolumen, desto eher können Größenvorteile genutzt werden. Unternehmen haben im Kostenwettbewerb zudem die Nase vorn, wenn sie international aufgestellt sind und so von Standortvorteilen wie niedrigen Lohnkosten oder staatlichen Investitionssubventionen profitieren. Um langfristig Marktanteile zu gewinnen, sollten sie zudem in der Lage sein, eine Phase mit geringeren Margen zu überbrücken.
Technologische Wettbewerbsvorteile sind laut Fawer bei hocheffizienten Solarzellen, der Dünnschichttechnologie, Silizium sparenden Produktionsverfahren oder durch die Integration entlang der Wertschöpfungskette möglich. Und: „Die lukrativen Märkte der Zukunft liegen in Südeuropa, Asien und Nordamerika. Eine frühzeitige Präsenz auf diesen Märkten ist eine Voraussetzung für den langfristigen Unternehmenserfolg.“
Diese Faktoren sind laut Fawer nicht nur entscheidend für den Erfolg des Unternehmens, sondern auch für die Entwicklung seines Börsenkurses. „Aus Börsensicht ist die Zeit vorbei, in der man mit allen Titeln – Hauptsache, es stand Solar drauf – Geld verdienen konnte.“ Diese Position unterstreicht eine Solarmarkt-Studie von Goldman Sachs. Die Analysten der US-amerikanischen Investmentbank sehen ebenfalls Unsicherheiten wie die Verschiebungen bei Angebot und Nachfrage, neue Technologien oder geänderte Förderungen sowie übergeordnete Probleme wie den nervösen Kapitalmarkt und die sinkende Risikobereitschaft bei Investoren. Gleichzeitig glauben sie jedoch, dass das Wachstum der Städte und die weltweit steigenden Einkommen zu hohen Investitionen in die Stromversorgung führen wird – vor allem für Photovoltaik, um CO2 zu vermeiden.
„Die wichtigsten Risiken sind eingepreist“, kommentiert Goldman-Sachs-Analyst Jason Channell die aktuelle Börsensituation. Der Weg zu der von den Unternehmen ersehnten Grid-Parity sei allerdings noch weit: Channell erwartet die Netzparität frühestens für 2015, je nach den speziellen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern eventuell ein wenig vorher – oder auch später. Trotzdem hält er den Sektor bereits jetzt für grundsätzlich attraktiv, was seiner Meinung nach daran sichtbar wird, dass sich viele große Unternehmen engagieren, die ihr Kerngeschäft in anderen Bereichen haben: Bosch übernimmt Ersol, Hyundai installiert in Südkorea Produktionslinien mit einer Kapazität von 250 Megawatt, General Electric ist neuer Mehrheitsaktionär bei Dünnschichtproduzent Primestar Solar, IBM und Tokyo Ohka Kogyo wollen gemeinsam effizientere CIGS-Module auf den Markt bringen.
Auf die Stärken besinnen
Auch chinesische Betriebe werden aus Channells Sicht in der Solarbranche eine immer größere Rolle spielen, sobald sie die Anlaufschwierigkeiten überwunden haben und in der Lage sind, dem Weltmarkt einwandfreie Produkte zu liefern. Channell empfiehlt allen Unternehmen, sich auf ihre Stärken zu besinnen, aber auch ihre Hausaufgaben zu machen. „Wir glauben, dass Unternehmen, die technische Vorreiter sind und exzellente Beschäftigte haben, langfristig die Gewinner am Markt sein werden. Dagegen werden Firmen mit einer ungünstigen Kostenstruktur oder nur geringer Wertschöpfung eher schlecht abschneiden.“
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