Herr Wambach, im Juli vergangenen Jahres wurde in Brüssel die Vereinigung PV Cycle gegründet. Wie viele Mitglieder haben Sie derzeit?
Bei uns sind mittlerweile die wichtigsten europäischen Photovoltaikhersteller und -importeure organisiert. Momentan haben wir 21 Mitglieder, davon 18 Unternehmen, die sich zur Mitwirkung an unseren Zielsetzungen verpflichtet haben.
Was sind Ihre Zielsetzungen?
Wir wollen einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz mit Photovoltaikprodukten leisten. Das Ziel, das wir uns als erstes vorgenommen haben, ist der Aufbau eines freiwilligen Rücknahmesystems für Solarmodule auf europäischer Ebene. Wir werden damit in diesem Jahr starten.
Welche Sammel- und Recyclingquoten wollen Sie erreichen?
Für dieses Jahr streben wir eine Sammelquote von 25 Prozent und eine Recyclingquote der eingesammelten Module von 75 Prozent an. Bis 2015 wollen wir 85 Prozent aller defekten Module zurücknehmen und 90 Prozent davon wiederverwerten.
Worauf beziehen sich die Sammelquoten?
Auf das Abfallaufkommen an fertigen Solarmodulen, nicht jedoch auf Zwischenprodukte.
Wo fallen die defekten Module denn hauptsächlich an?
Das ist ganz unterschiedlich: Beim Endkunden, bei der Auslieferung, bei der Montage oder auch in der Produktion, wenn beispielsweise das Glas bricht.
Gibt es denn überhaupt einigermaßen verlässliche Zahlen über die anfallenden Abfallmengen?
Wir sind bei den letzten redaktionellen Arbeiten für eine neue Studie, die wir mit Fördermitteln des BMU im Auftrag des
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Bundesverbandes Solarwirtschaft und der European Photovoltaics Industry Association angefertigt haben. Dabei haben wir für kristalline Module und Dünnschichtmodule eine komplett neue Marktbetrachtung gemacht und daraus auch die Abfallmengen auf europäischer Ebene mit abgeschätzt. Für 2007 kommen wir auf 3.500 bis 4.000 Tonnen Modulabfall, das sind etwa drei Zehnerpotenzen niedriger als andere Abfallmengenströme. Also von einem Abfallproblem kann man heute nicht sprechen. Wir sind als PV Hersteller im Verein allerdings der Auffassung, dass wir Umweltschutzprodukte herstellen und dass wir deshalb sehr frühzeitig das Ende der Lebensdauer mit betrachten müssen, also die Nachhaltigkeit der gesamten Photovoltaik.
Sind denn die defekten Module eher Alt- oder Neuware?
Wir gehen davon aus, dass 1,8 Prozent der neu installierten Module im ersten Jahr als schadhaft zurückkommen. Dies ist hauptsächlich auf Transportschäden und schlechte Montage zurückzuführen. Nach unseren Schätzungen sind etwa zwei Drittel der Module, die zum Recycling anfallen eher Neuware und etwa ein Drittel Altbestände.
Sind die Altmodule meist total defekt?
Das kann man so nicht sagen. Wenn sie Eigentümer eines Altgenerators sind, hat der in aller Regel einen niedrigen Wirkungsgrad. Wenn sie heute bei den gesunkenen Preisen in eine neue Anlage investieren, haben sie einen höheren Wirkungsgrad und in der Regel einen höheren Energieertrag und damit auch eine bessere Vergütung. Das heißt, es ist ein reines Rechenexempel, ob es sich lohnt, die Anlage auszutauschen. Deshalb muss der alte Generator nicht unbedingt defekt sein.
Wie hoch ist denn die jetzige Rücknahmequote?
Bei sechs bis sieben Prozent des gesamten Aufkommens an Modulabfall.
Das heißt die angepeilte Steigerung auf 25 Prozent Rücklauf in diesem Jahr ist ein großer Schritt …
Ja, das ist für uns schon recht ehrgeizig, Vieles muss ja noch organisiert werden.
Gibt es kurzfristig überhaupt ausreichend Aufarbeitungskapazitäten in Europa. Sind Sie hier in Freiberg mit ihrer Pilotanlage von Solar Material nicht die einzigen, die jetzt schon Module zurücknehmen und recyceln?
Wir sind gegenwärtig die einzigen, die in unserer Pilotanlage ausschließlich für den PV-Bereich eine Wiederverwertung kristalliner Module mit hohen Recyclingquoten realisieren. Das ist in der Größenordnung von den 75 Prozent, die wir uns für das kommende Jahr als massenbezogene Recyclingquote vorgenommen haben. Es gibt aber zahlreiche Entsorger in Europa, die kristalline Module auch in vorhandenen Anlagen einem Recycling unterziehen. Das sind eben nur keine für PV-Produkte gebauten Anlagen.
Gibt es Anlagen für das Recycling von Dünnschichtmodulen?
First Solar plant derzeit in Frankfurt/Oder – zusätzlich zu einer bestehenden in den USA – eine Anlage für die Aufarbeitung von Cadmiumtelluridmodulen. Daneben gibt es derzeit keine Recyclingkapazitäten für Dünnschicht. Das liegt einfach daran, dass das Abfallvolumen bei Dünnschichtmodulen bisher so klein war, dass sich Investitionen nicht rentierten.
Haben denn die nicht auf Photovoltaik spezialisierten Entsorger die geforderte hochwertige Wiederverwertung mit einer 75-prozentigen Recyclingquote im Griff?
Die Reinheitsgrade und die Qualitätsstandards sind dort meist nicht so hoch. Die Recyclingquote liegt eher bei zehn bis 20 Prozent.Also haben Sie derzeit für kristalline Module faktisch doch das Recyclingmonopol und der allergrößte Teil der zurückgenommenen Module wird zu Ihnen nach Freiberg laufen?Nein, das ist nicht festgelegt. Grundsätzlich ist vereinbart, dass die Mitgliedsunternehmen von PV-Cycle das eigenverantwortlich organisieren zusammen mit ihren Händlern und Großhändlern. Das hat den Vorteil, dass es im Prinzip regional vergebenwerden kann, sie müssen also keine Zentralisierung durchführen. Wir freuen uns natürlich, wenn wir auch etwas davon bekommen, doch das ist in diesem Fall nicht geregelt. Wir wollen ja auch freien Wettbewerb haben, um auf niedrige Kosten zu kommen.
Aber ist wirklich damit zu rechnen, dass innerhalb dieses Jahres weitere spezialisierte Recylinganlagen entstehen?
Das würden wir erwarten. Wir wollen ja auch hier für Recyclinglösungen einen Anreiz bieten, dass dort künftig investiert wird, und dass wir hier mit entsprechenden Fachpartnern unsere Recyclingziele umsetzen können. Der Verein soll einfach aus Sicht der Photovoltaikindustrie die Mindeststandards setzen, die erfüllt sein müssen für eine entsprechende Recyclingwirtschaft. Es gibt zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Europa und weltweit auf diesem Gebiet, auch im Dünnschichtbereich. Inwieweit allerdings Anlagen tatsächlich gebaut werden sollen, ist uns derzeit nicht bekannt. Wir wissen aber, dass es vorhandene Anlagen gibt, die grundsätzlich auch für PV geeignet sind. Das heißt, da wird nicht unbedingt viel neu investiert, sondern wir versuchen, vorhandene Prozesse und Abläufe zu integrieren. Bei dem heutigen Abfallaufkommen ist das kostengünstiger.
Wie wollen Sie denn in der Anfangsphase die Transportlogistik in den Griff bekommen?
Anfangs mag es akzeptabel sein, auch längere Wege in Kauf zu nehmen, um ein System aufzubauen. Langfristig natürlich nicht. Derzeit stellt ja Deutschland den Hauptmarkt der Photovoltaik dar, daran wird sich wohl in den nächsten Jahren nichts ändern, von daher ist hier eh das höchste Abfallaufkommen zu erwarten. Aber die Zahl der Aufarbeiter auch in anderen europäischen Ländern wird sich sicherlich an dem Aufkommen orientieren.
Wie soll das künftige Logistiksystem aussehen?
Wir wollen ein verbraucherorientiertes System mit einem dichten Netz von Sammelstellen aufbauen. Dort werden Gebinde gesammelt, die einen längeren Transport zu einem Zwischenlager rechtfertigen, beispielsweise mit einem kleineren LKW-Zug. Dort wird dann typgerecht sortiert, also beispielsweise je nach Behandlungsanforderung Dünnschicht und kristallin und von dort aus zu nächsten Recyclinganlage mit dem höchsten Wertschöpfungspotenzial transportiert.
Wie lang sollen die Wege sein?
Zur Sammelstelle wurden 15 Kilometer veranschlagt, zum ersten Zwischenlager 30 bis 40 Kilometer und zur Recyclinganlage hat man in Deutschland circa 400 Kilometer angesetzt.
Beziehen sich die ersten 15 Kilometer auf die Entfernung zum Endkunden?
Das kann der Endkunde oder der Installateur sein, jeder der Module loswerden will.
Bis wann können Sie so ein Sammelsystem realistischerweise aufbauen?
Also typischerweise dauert der Aufbau solcher Systeme drei bis fünf Jahre.
Wie sieht es in 2008 aus?
Dieses Jahr wird es noch kein ausgebautes System geben können.Wir arbeiten auf Vereinsebene zur Zeit noch sehr intensiv daran, wie wir das organisieren können, wir müssen entsprechende Logistikpartner, Organisationspartner und Recyclingpartner verpflichten, Das wird sicherlich über Ausschreibungen passieren, die müssen aber auch erst ausgearbeitet werden. Wir wollen in diesem Jahr erste Markterfahrungen sammeln, einfach um mal zu sehen, welche Kosten entstehen, was praktisch machbar ist, wo man noch Verbesserungen anbringen muss. Also es dient dazu, einfach einmal ein Feedback zu bekommen, wie ist die Kostenstruktur, welche Mengen sind realistisch zu sammeln.
Haben Sie sich für 2008 einen Starttermin gesetzt?
Der Verein ist ja noch recht jung, mit Gründung am 5. Juli 2007 und unsere Mitgliederentwicklung, vor allem nach der PV-Konferenz in Mailand, lief recht erfreulich. Jetzt führen wir im Verein die Diskussion mit den Mitgliedern, um aus den verschiedenen Vorstellungen der Unternehmen ein harmonisches Ganzes zu machen. Mittlerweile haben wir die Finanzierung abgesichert. Das ist jetzt kein Problem mehr, am Anfang war aber nicht ganz so klar, wie viel Geld zur Verfügung steht. Wir werden jetzt Personal anstellen, für Brüssel suchen wir einen Generalsekretär.
Sie können also im Moment noch kein konkretes Datum nennen, wann Sie ihr Rücknahmesystem starten?
Wir wollen sofort anfangen, erwarten aber, da wir die Dinge noch strukturieren müssen, vor dem zweiten Halbjahr keine großen Erfolge. Ein konkretes Datum zu nennen, wann wir in diesem Jahr mit der Rücknahme starten ist derzeit schwierig.
Wer soll die Module zurücknehmen?
Normalerweise bekommen Sie mit der Auslieferung des Moduls auch die Information, wohin Sie sich wegen der Rücknahme wenden können. In der Regel ist das ein Serviceprovider – oder Sie wenden sich an den Hersteller beziehungsweise an PV Cycle. Sie haben also als Endkunde einen Ansprechpartner. Wir denken darüber nach, auf jeden Fall einen Link auf die Webseiten der Hersteller zu geben. In der Regel wissen Sie ja ,bei wem Sie ihr Modul gekauft haben beziehungsweise bei welchem Hersteller. Es ist nahe liegend dann im Internet zu schauen, da gibt es dann Entsorgungshinweise. Wir haben unseren Mitgliedern vorgeschlagen, dass wir die Entsorgungshinweise einmal auf die Webseite von PV Cycle stellen und zum anderen auch auf die Homepages der entsprechenden Hersteller. Das kann so weit gehen, dass es von der Homepage des Herstellers einen Link zum Serviceprovider gibt. Dort machen sie ein Bestellformular auf, wo sie die Daten eintragen – sodass sie einen Auftrag generierenkönnen. Das wäre von der Verwaltung und vom Handling her ziemlich einfach. Der Endkunde muss halt sagen, wo es abgeholt werden kann und was abgeholt werden soll. Dann würde das an den Serviceprovider gehen, der alles weitere organisiert. So dass man dort auch eine logistische Optimierung machen könnte.
Die defekten Module werden also kostenfrei abgeholt?
Ja, sofern es Produkte unserer Mitglieder sind.
Übernimmt PV Cycle auch die Demontagekosten?
Nein, denn diese sind sehr unterschiedlich und deshalb praktisch nicht kalkulierbar. Unser kostenfreier Service greift ab Kante Grundstück.
Wie sieht es mit Importwarte von Herstellern aus, die nicht Mitglied von PV Cycle sind?
Wir sind momentan nicht in der Lage die kostenfreie Rücknahme von Modulen von Herstellern, die nicht Mitglied bei PV Cycle sind, finanziell abzudecken. Wir nehmen die Produkte hier in Freiberg trotzdem kostenlos an, wenn es kristalline Module sind, die nicht zu zerstört sind. Allerdings fallen dann die Transportkosten an. Wenn es größere Mengen sind, kann man auch miteinander reden.
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Die Aufarbeitung rechnet sich also nicht in jedem Fall?
Idealerweise versuchen wir möglichst hochwertig zu recyceln und durch den Verkauf der Komponenten unsere Leistungen abzudecken. Ich bin mir allerdings zur Zeit nicht sicher, ob dies in allen Fällen so gelingen kann, denn die Wertstoffgehalte in Modulen sind stark rückläufig. Die Hersteller versuchen die Kosten der Modulherstellung und die Modulpreise zu senken und verarbeiten deshalb möglichst wenig teure Materialien. Bei kristallinen Modulen ist der Siliziumanteil stark rückläufig und auch bei Dünnschichtmodulen finden Sie außer Glas und Aluminium kaum Wertstoffe. Dieser Trend wird wohl weiter anhalten. Aus der Perspektive einer Recyclingwirtschaft bedeutet das, dass wir sehr kostengünstig bleiben müssen, wenn wir unseren Service ohne zusätzliche Annahmegebühren finanzieren wollen.
Wie wollen Sie entstehende Mehrkosten finanzieren?
Letztendlich müssen wir uns der Herstellerverantwortung unterwerfen, das heißt die Verantwortung für unsere ausgedienten Produkte mit übernehmen. Das wird sicherlich Geld kosten und das wird irgendwo umgelegt werden müssen, es muss also mit erwirtschaftet werden. Allerdings erwarte ich da keine großen Preiserhöhungen für die Module, das dürfte marginal sein. Die tatsächlichen Kosten sind insofern im Moment schwer abzuschätzen, weil sie natürlich von den Zielsetzungen, die wir uns definieren, abhängen. Beispielsweise von dem Service, den wir anbieten oder dem Monitoring, das erforderlich ist, um die Erreichung unserer anvisierten Sammel- und Recyclingquoten zu dokumentieren und zu evaluieren. Da fehlt es uns derzeit noch an Erfahrung, auch weil wir mit entsprechenden Partnerunternehmen noch nicht haben sprechen können. Darum müssen wir uns in diesem Jahr sehr intensiv kümmern.
Nun zur Politik. Glauben Sie wirklich, dass Sie durch Ihre Initiative einer gesetzlichen Einführung einer Rücknahme- und Recyclingpflicht für PV-Module durch Brüssel zuvorkommen können?
Das wissen wir nicht ganz sicher …
Können Sie das nochmals näher erläutern.
In der Elektronikschrottverordnung § 13 waren PV-Produkte zur Aufnahme vorbereitet. Aktuell findet ja eine Überarbeitung der ElektronikschrottVO auf EU-Ebene statt, wobei dann hier eben aufgrund des § 13 nicht ausgeschlossen war, dass PV mit auf den Prüfstand kommt. Doch weil das Abfallaufkommen eher gering ist, gibt des derzeit auch aus Sicht der EU-Kommission an anderen Stellen höheren Handlungsbedarf. Auf europäischer Ebene ist Deutschland der größte Markt und die Frage ist, ob es beispielsweise einen Regulierungsbedarf in Griechenland für diese Produkte gibt, wenn dort nur ein marginaler Markt ist. Von daher ist es im Moment noch etwas offen, wie es letztlich ausgeht. Wir erwarten eher nicht, dass Photovoltaik dieses Mal mit in die Richtlinie integriert wird.
Bis wann möchte Brüssel hierüber entscheiden? Sind Sie im Gespräch mit der Kommission?
Bis Februar soll die Entscheidung fallen. Wir sind deshalb in engem Kontakt mit der zuständigen DG-Umwelt und in Deutschland mit dem Bundesumweltministerium (BMU). Denn es gibt ja neben der europäischen auch die deutsche Ebene. Das heißt, es gibt auch im BMU bestimmte Vorstellungen dazu, was getan werden sollte.
Begrüßt das BMU ihre freiwillige Initiative oder pocht Berlin eher auf einen gesetzlichen Zwang?
Ich würde sagen, dass auch im BMU derzeit aufgrund des geringen Abfallaufkommens nicht unbedingt der Handlungsbedarf für eine gesetzliche Regelung gesehen wird. Allerdings wird das ganze schon sehr genau beobachtet. Das BMU interessiert sich immer wieder für unsere Aktivitäten. Wir als Industrie sind hier gefordert, mit einem belastbaren Ergebnis aufzutreten. Wir haben die Nachweispflicht, dass es uns ernst ist mit unserer Aktivität. Darüber zu reden ist eine Sache, aber wir müssen auch ein konkretes Ergebnis haben. Das wollen wir mit unserer Initiative in 2008 belegen.
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