Mit seiner Ost-West-Ausrichtung ist das Dach auf dem Feuerwehrgerätehaus im Bürstädter Stadtteil Riedrode denkbar ungeeignet für eine Photovoltaikanlage. „Optimal verkehrt herum gebaut“, sagt Solarpionier Erhard Renz dazu und lacht. Abschrecken ließ sich der Initiator der Elf-Kilowatt-Bürgerbeteiligungsanlage davon nicht. Die ausführende Solarfirma stellte die Module kurzerhand so auf dem Dach auf, dass sie von Süden her beschienen werden. Doch die Installationsart ist nicht das einzig Ungewöhnliche an der Anlage, die Ende Februar in Betrieb ging. Die Beteiligungsanlage ist nicht als GbR, GmbH oder GmbH & Co. KG konzipiert, wie es bei Gemeinschaftsanlagen sonst üblich ist, sondern als Genossenschaft. Es ist das erste Projekt der „Solar-Bürger-Genossenschaft“, die Erhard Renz 2005 ins Leben rief und bei der sich Investoren schon ab 100 Euro beteiligen können.
„Uns geht es darum, dass auch Sparer und Anleger mit geringem Kapitaleinsatz in erneuerbare Energien investieren können“, begründet Renz die Entscheidung für diese Unternehmensform. Für Investoren mit mehreren tausend Euro verfügbarem Kapital gäbe es zahlreiche Möglichkeiten, ihr Geld in ökologische Projekte anzulegen. Nicht aber für Bürgerinnen und Bürger mit schmalem Geldbeutel.
Auf die Idee einer Solargenossenschaft kam Renz, als er Geldgeber für den „Sonnenfleck“, die größte PV-Aufdachanlage der Welt, suchte. 50.000 Euro war die Mindestbeteiligung für die Fünf-Megawatt-Anlage auf dem Dach einer Spedition in Bürstadt. „Es gab damals sehr viele Interessenten, die einen Anteil an der Photovoltaikanlage kaufen wollten“, erzählt Renz. Aber den geforderten Einsatz habe sich nicht jeder leisten können. Die nötige Investitionssumme von 23 Millionen Euro bekam er trotzdem zusammen. Gleichzeitig reifte in ihm die Überzeugung, dass es nicht am Geld scheitern dürfe, wenn Bürgerinnen und Bürger umweltfreundlich Energie erzeugen wollen. Denn die Mindestbeteiligungen von 2.500 oder 5.000 Euro, die bei Gemeinschaftsanlagen gängig sind, sind nicht für jeden erschwinglich. Beteiligungsmöglichkeiten für 500 oder 1.000 Euro sind nur selten zu finden, und auch sie überschreiten das Budget so manch eines Bürgers.
Keine Prospektpflicht
Um die Eintrittsschwelle deutlich herunterzusetzen, müssen die Kosten so weit wie möglich reduziert werden. Ansatzpunkte sind Personal, Organisation und Werbung. Bei der Solar-Bürger-Genossenschaft arbeitet der Vorstand in der Anfangszeit ehrenamtlich, die gesamte Kommunikation mit Interessenten und Investoren erfolgt per E-Mail. Doch es gibt noch ein weitaus größeres Einsparpotenzial als die Portokosten, die so wegfallen. „Genossenschaften unterliegen nicht der Prospektpflicht“, sagt der Freiburger Genossenschaftsexperte Burghard Flieger, der zahlreiche Genossenschaften in der Gründungs- und Aufbauphase begleitete und die Solar-Bürger-Genossenschaft zusammen mit Erhard Renz gegründet hat. Bei einer GmbH & Co. KG können schnell einmal ein paar Tausend Euro für die Ausarbeitung, die Grafik und den Druck der seitenstarken Werbeprospekte zusammen kommen. Bei der Bürstädter Genossenschaft gibt es die Satzung, die Geschäftsordnung und die Beitrittserklärung, die zwischen ein und vier Seiten Umfang haben, zum Herunterladen auf der Website.
Niedrige Anteilskosten, geringer Verwaltungsaufwand, Mitglieder können jederzeit neu eintreten und ebenso einfach wieder austreten. Dadurch sinkt die Hemmschwelle, mitzumachen. An der Anlage in Bürstadt-Riedrode, die rund 50.000 Euro kostete, beteiligten sich 36 Bürger mit Beträgen zwischen 100 und 3.000 Euro. Doch dabei soll es nicht bleiben. „Wir streben eine hohe Zahl von mehreren tausend Mitstreitern an“, sagt Renz. Mit ihren Beiträgen sollen Projekte, in erster Linie Solarstromkraftwerke, in ganz Deutschland realisiert werden.
Das Genossenschaftsmodell findet Renz optimal, da es ihm ermöglicht, permanent Geldgeber zu suchen und immer dann eine neue Anlage zu bauen, wenn genügend Kapital beisammen ist. Bei einer GmbH müsse projektbezogen Geld gesucht werden. „Diesem Stress will ich mich nicht aussetzen“, sagt Renz, der bis vor kurzem ehrenamtlich für die erneuerbaren Ener gien tätig war, seit Dezember selbstständig ist und nun für die Solarfirma Ralos Öffentlichkeitsarbeit betreibt.
Das wichtigste Merkmal einer Genossenschaft ist das Stimmrecht. In Entscheidungsprozessen hat jedes Mitglied nur eine Stimme, unabhängig davon, ob er oder sie 100 oder 10.000 Euro eingebracht hat. Dieses Prinzip hat Genossenschaften, die in der Land- und Wohnungswirtschaft eine lange Tradition haben, den Ruf eingebracht, basisdemokratisch zu sein. „Genossenschaften stehen für Kooperation, gesellschaftliche Verantwortung, betriebliche Demokratie und vor allem gemeinsame Selbsthilfe“, sagt Burghard Flieger. Rein kommerzielle Interessen stehen nicht im Vordergrund, sondern das Miteinander und die demokratische Einflussnahme.
Hierfür nehmen die Genossen eine geringere Rendite in Kauf. Anbieter von geschlossenen Fonds, wie es sie bei GmbHs und GmbH & Co. KGs gibt, werben mit Renditen bis zu acht Prozent. Renz vergleicht die Beteiligung an der Genossenschaft mit einer Geldanlage auf einem Sparbuch. Diese gelten bekanntermaßen als weniger lukrativ. Er macht auch keine Angaben zu den Gewinnen. „Ich weiß nicht, wie die Entwicklung sein wird, daher kann ich nichts zur Rendite sagen“, erklärt Renz dies. Er geht davon aus, dass sich die Investition in 20 Jahren verdoppeln wird. Allerdings schiele auch längst nicht jeder auf den Gewinn. „Ach, hören Sie mir doch auf mit der Rendite“, habe er schon häufig gehört, wenn er erklärt, dass ein Genossenschaftsanteil keinen steuerlichen Vorteil mit sich bringt. Investoren sind hier keine Eigentümer, daher können sie Verluste in der Anfangszeit und die Umsatzsteuer nicht steuerlich geltend machen. Rentnern und Schülern sei das zum Beispiel egal, sagt Renz, da sie keine Umsatzsteuer abführen.
Rosenheimer Solar-Genossen
Erhard Renz und Burghard Flieger sind nicht die ersten, die eine Solargenossenschaft ins Leben gerufen haben. Im oberbayerischen Rosenheim hat Franz Lukas, der mit seiner gleichnamigen Firma Blockheizkraftwerke, Solarstrom- und Solarwärmeanlagen baut, schon 2004 die „Solargenossenschaft Rosenheim“ ins Register eintragen lassen. Das Demokratie-Prinzip habe den Handwerker dazu bewogen, sich für diese Rechtsform zu entscheiden. „Außerdem wollten wir keine Eintagsfliege mit einem rein projektbezogenen Einzelengagement“, fügt er hinzu. Gesellschaften wie GbRs oder GmbHs seien in der Regel auf 20 Jahre geplant, erklärt Lukas. Danach würden sie sich häufig auflösen. Die ökologische Stromerzeugung sei aber auch in 20 Jahren noch ein dringliches Thema.
In Rosenheim liegt die Mindestbeteiligung bei 500 Euro. Rund 100 Mitglieder gibt es derzeit. Im Schnitt haben sie zwei bis drei Anteile erworben. Erstes Projekt 2005 war eine PV-Anlage mit 19 Kilowatt Spitzenleistung auf dem Dach einer Schule. Im Jahr darauf wurde die Anlage auf zwei Nebendächern erweitert, so dass die Genossenschaft nun insgesamt 30 Kilowatt betreibt. Langfristig streben die Gründer eine „Dividende von rund drei Prozent“ an. Für ein weiteres Solarstromkraftwerk fehlt derzeit das Dach. Die ehrenamtlich Tätigen hätten momentan nicht die Zeit, die Werbetrommel zu rühren, sagt Lukas. Er selbst widmet sich gerade dem zweiten Geschäftszweig, dem ökologischen Stromhandel, und organisiert zum Beispiel Stromwechselpartys.
Sonnenstadt Jever
Auf das Genossenschaftsmodell setzt auch die Volksbank Jever in Ostfriesland. Genauer gesagt, Gerd Köhn, der in Personalunion Vorstand der Volksbank sowie Gründer und Vorstandsvorsitzender der eingetragenen Genossenschaft „Sonnenstadt Jever“ ist. „Die Genossenschaftsidee ist gut, um Bürgerinteressen zu bündeln“, sagt auch Köhn, der ebenso die kostengünstige Abwicklung schätzt. Er betont, dass die Bank, die selbst eine eingetragene Genossenschaft ist, kein originäres Interesse daran habe. „Die Genossenschaft soll verdienen.“ Bei Köhn waren es die großen Dachflächen der Kommunen, die ihn auf die Idee brachten, eine Solargenossenschaft zu gründen. „Der Grundbesitz von Kommunen ist auch Besitz von Bürgern“, erläutert er. „Deshalb sollten auch die Bürger davon profitieren.“
Bei seinen Mitbürgern kam die Idee gut an. Bisher erwarben rund 90 Jeveraner Genossenschaftsanteile. Die Mindesteinlage liegt bei 1.000 Euro. Im Schnitt besitzen sie Anteile für 4.000 Euro. Seit September 2007 sind Anlagen auf einer Grundschule, auf einer Mehrzweckhalle und einer Sporthalle ans Netz gegangen. In diesem Frühjahr soll die nächste dazu kommen. Köhn freut sich über die hohen Erträge der Solarkraftwerke, die er auf 950 bis 1.000 Kilowattstunden im Jahr beziffert. „Die Nordseeküste ist prädestiniert für Photovoltaik“, stellt er fest. Im Sommer würde der Wind die Module belüften und so für eine hohe Leistung sorgen. Eine bestimmte Rendite garantiert er trotzdem nicht. Der erwartete Wert, der auch veröffentlicht wird, liegt bei stattlichen sechs Prozent. Zwei Freiflächenanlagen hat er ebenfalls in Vorbereitung. Dafür will er allerdings GmbHs gründen.
GbR, GmbH oder Genossenschaft?
Welche Rechtsform eignet sich nun für wen? Der Freiburger Anwalt Thomas Binder, der auf Rechtsfragen der Solarenergie spezialisiert ist, sagt: „Eine GbR ist die unkomplizierteste Form. Sie ist schnell gegründet und braucht keinen Notar.“ Der Nachteil ist, dass jeder Gesellschafter voll mit seinem Privatvermögen haftet. GbRs (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) werden häufig von Personen gewählt, die sich kennen, zum Beispiel von Eltern, die zusammen eine Anlage auf einem Schuldach bauen. Sie sind die bevorzugte Form für kleinere Anlagen.
Bei einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung), die für größere Anlagen gewählt wird, ist der formale Aufwand höher. So muss zum Beispiel die Satzung notariell beurkundet werden. Dafür ist die Haftung begrenzt. Sie beschränkt sich im Regelfall auf das Gesellschaftsvermögen der GmbH.
Für sehr große Projekte wie Freilandanlagen werden GmbH & Co. KGs gegründet. Hier ist der haftende Gesellschafter, der Komplementär, keine natürliche Person, sondern die GmbH. Auf die Weise werden die Haftungsrisiken für die dahinter stehenden Personen begrenzt. Die Kommanditisten haften lediglich mit dem Betrag ihrer Anteile. Bei dieser Rechtsform müssen die Beteiligungen der Kommanditisten notariell beglaubigt werden. Wegen der häufig hohen Zahl an Investoren muss ein Prospekt zur Werbung von Gesellschaftern erstellt werden.
Neben diesen drei vorrangigen Formen gibt es Sonderformen wie Einzeleigentum. Ein Beispiel sind die Bürgersolarkraftwerke des Marburger Vereins Sonneninitiative e.V. Die Anlagen speisen jeweils an einem Punkt ein, sind ansonsten aber aufgeteilt. Investoren können sich zum Mindestbetrag der Kosten für ein Kilowatt beteiligen, das sind rund 4.500 bis 5.000 Euro. Die Seriennummern der Module werden den Beteiligungen entsprechend aufgeteilt. „Das ist die größtmögliche Freiheit für jeden einzelnen“, betont der Vereinsvorsitzende Volker Klös. Investoren könnten so von den Steuervorteilen profitieren und sich die Anlage durch die KfW-Bankengruppe finanzieren lassen.
Welchen Platz die Solargenossenschaften in dieser Riege erobern werden, ist noch ungewiss. Erfahrungswerte werden derzeit fleißig gesammelt. In Bolheim in Baden-Württemberg gibt es seit 2005 eine weitere Solargenossenschaft, in Niedersachsen werden derzeit neue gegründet, im Saarland will eine diakonische Einrichtung auf Altenpflegeheimen Genossenschaftsanlagen bauen. In Freiburg, Offenbach und Adelsheim sichern Renz und Flieger sich derweil neue Dächer für ihre Solar-Bürger.
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