Deutsch-holländische Solarschmiede

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Eine boomende Branche verdankt ihr Wachstum Dreierlei: Innovativen Produkten, einem Markt, der diese Produkte in großem Umfang nachfragt, und nicht zuletzt qualifiziertem Personal. Die ersten beiden Bedingungen treffen auf die Photovoltaik-Branche zu. Allein in Deutschland stieg die Menge an Solarstrom nach neuen Zahlen des Bundesverband Erneuerbare Energien zwischen 2005 und 2007 von 1,3 auf 3,0 Milliarden Kilowattstunden. Der globale PV-Markt wächst seit zehn Jahren um rund 40 Prozent jährlich,

Zeichen stehen auf rot

Beim dritten Punkt allerdings – dem Personal – stehen die Zeichen auf rot. „Die Branche boomt zur Zeit so stark, dass die Firmen schlichtweg keine Zeit für die Ausbildung neuer Mitarbeiter haben“, sagt Dr. Derk Bätzner, PV-Experte am Institut für Halbleitertechnik (IHT) der Technischen Hochschule Aachen. Viele Betriebe verdoppeln die Zahl ihrer Mitarbeiter derzeit alle zwei Jahre. Denn die Wachstumsraten der Photovoltaik, davon gehen die meisten Experten aus, werden so hoch bleiben, wie in den vergangenen Jahren. Eine umfassende Ausbildung an modernen Anlagen und Fertigungsstraßen ist für die allermeisten Hersteller aber weder möglich noch bezahlbar.
Da liegt es nahe, der Branche die wichtige Aufgabe der Aus- und Weiterbildung abzunehmen. Niederländer und Deutsche wollen gemeinsam eine Solar-Akademie gründen. Die geplante Akademie im Avantis Science and Business Park in Aachen-Heerlen will voraussichtlich ab 2009 professionelle Weiterbildungskurse für Fachkräfte in der Solarzellenindustrie anbieten. Die Organisation liegt in den Händen des Energy Research Center of the Netherlands (ECN), einer Forschungseinrichtung mit über 900 Mitarbeitern, die sich mit Fragen rund um alternative Energien und Energieeffizienz beschäftigt. Außerdem gehören zu den Initiatoren das Aachener IHT, die Industriebank Limburg LIOF und der Solarzellenhersteller Solland Solar, ein 2005 gegründetes deutsch-holländisches Unternehmen mit Sitz in Aachen-Heerlen.

Training an Industrieanlagen

Die Idee: Firmen, die neue Mitarbeiter eingestellt haben, schicken diese für einige Zeit auf die Solar-Akademie, wo ihnen in kompakter Form Fachleute aus Forschung und Industrie theoretische und praktische Kenntnisse vermitteln. Die Kurse sind für Firmen aus ganz Europa, aber auch darüber hinaus offen. Die Initiatoren der Akademie wollen sich dabei auf Berufe beschränken, die für die Herstellung kristalliner Solarzellen auf Siliziumbasis benötigt werden. Zurzeit besteht hier in der Branche vor allem ein Bedarf an Operateuren und Ingenieuren für die Fertigung, aber auch an Managern, die mit den Eigenheiten der Solarbranche vertraut sind. „Also an Leuten, die schnell in der Fertigung oder dem Management einer Solarfirma aktiv werden können“, betont Bätzner. ECN schätzt, dass weltweit in den kommenden vier Jahren 16.000 Operateure und Solar-Ingenieure gebraucht werden.
Die Ausbildung in Avantis soll an modernen Produktionslinien mit industrie-kompatibler Ausrüstung durchgeführt werden, betont ECN. Die Pilotanlage umfasst die Reinigung der Wafer, Diffusionsofen, die Abscheidung der Antireflektionsschicht, das Aufbringen der Metallkontakte und die Qualitätskontrolle von Wafern und Solarzellen
Insgesamt dauern die Kurse von wenigen Tagen bis zu zwei Monaten. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass den Auszubildenden sowohl theoretische Grundlagen als auch praktisches Training an einer Industrieanlage vermittelt wird. „Diese Mischung ist einzigartig und wird weder an Universitäten noch im Handwerk angeboten”, sagt Dr. Wilma Eerenstein von ECN. Wenn die Rechnung aufgeht, könnten in Avantis jährlich 200 bis 400 Fachkräfte ausgebildet werden.
Die Nachfrage nach den Kursen, glauben die Initiatoren, wird groß sein. Der Bundesverband Solarwirtschaft rechnet bis 2020 mit einer Vervielfachung der Arbeitsplätze allein in der deutschen Solarbranche auf rund 100.000 Beschäftigte.
Der Hersteller Solland Solar will beispielsweise von derzeit 290 Mitarbeitern bis Ende des Jahres auf 450 Beschäftigte aufstocken, bis 2010 gar auf 1.000. „Die Ausbildung an der Solar-Akademie erlaubt es uns, unseren Fokus mehr auf die Produktion als auf die Ausbildung von Personal zu richten,“ betont Geschäftsführer Gosse Boxhoorn.

Forschung zweites Standbein

Das zweite Standbein der neuen Akademie ist die Forschung. Auch an modernen Fertigungsanlagen gibt es stets Optimierungspotenzial und die technische Entwicklung hat ein hohes Tempo erreicht. Die Pilotanlage in Avantis soll daher auch dazu dienen, die Potenziale für höhere Kapazitäten, bessere Wirkungsgrade und eine kostengünstigere Produktion der Zellen auszuloten.
Noch ist eine wichtige Größe offen. Die Akademie soll vollständig privat finan ziert werden und sich im laufenden Betrieb vor allem über die Kursgebühren bezahlt machen. Schätzungsweise zehn Millionen Euro sind erst mal notwendig, um die Pilotanlage auf die Beine zu stellen. Bisher, sagt Eerenstein, haben ECN, Solland Solar and LIOF zugesagt, sich an den Kosten zu beteilen. „Aber wir brauchen noch mehr Investoren.“ Derzeit sucht ECN weitere Firmen, die bereit sind, in das Projekt zu investieren.

Flaschenhals beseitigen

Die neue Solar-Akademie soll nicht nur die boomende Branche künftig mit qualifiziertem Personal versorgen und somit deren starke Rolle sowohl im Inland als auch im Export sichern. Die Initiatoren verleihen ihrem Projekt daneben auch einen politischen Anspruch. „Es ist wichtig, dass gerade jetzt der Ausbau der Solarenergie nicht durch einen Mangel an Fachkräften behindert wird“, so Eerenstein.
Das umso mehr, seit die EU sich zum Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2020 mindestens 20 Prozent des Energiebedarfs in der Gemeinschaft durch erneuerbare Energien zu decken. Zu diesem Ziel wird die Photovoltaik einen wichtigen Teil beitragen. Wenn aber das Personal fehlt, sind alle schönen Ziele der Politik schnell Makulatur.

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