Die meisten Solarworld-Mitarbeiter sind erst seit einigen Monaten hier, doch einer ist schon ein richtiger Veteran. Über zehn Jahre lang überwachte Philipp Barrett die Instandhaltung der Halbleiterfabrik der Komatsu-Gruppe in Hillsboro, einem Vorort von Portland. „Die Reinraumanzüge hingen 1996 schon im Schrank, sie wurden jedoch nie gebraucht“, erinnert sich der 51-Jährige und schmunzelt.
Aufgrund der Krise des Halbleitermarkts verkauften die Japaner das Werk kurz nach der Fertigstellung an eine Immobilienfirma. Philipp Barrett schaute mit seinem Fünf-Mann-Team nach dem Rechten, hielt Wasser- und Kühlleitungen instand. Im März 2007 griff dann Solarworld-Chef Frank Asbeck zu. Für einen Schnäppchenpreis von 30 Millionen Euro kaufte er das Werk, in welches Komatsu 600 Millionen Euro investiert hatte. Der Staat Oregon gewährte zusätzlich Steuererleichterungen. Ein entsprechendes Programm für die Ansiedlung von „Cleantech“-Unternehmen wurde jüngst aufgelegt.
300 Millionen Euro investiert
„Das war ein echter Glücksfall, wir konnten eine intakte Infrastruktur mit einer idealen Größe übernehmen“, sagt Planungsleiter Gunter Erfurt. Selbst die weiße Fassade des 350 Meter langen und 70 Meter breiten Gebäudes strahlt wie neu, und kein Rostfleck trübt die langen Schlangen der Kühlrohre. Trotzdem wird innen kräftig umgebaut. Denn monokristalline Zellen, Wafer und Ingots werden doch etwas anders produziert als Chips. Insgesamt 300 Millionen Euro steckt der Bonner Konzern in die Umrüstung der Halbleiterfabrik, um mit hohem Automatisierungsgrad unter einem Dach produzieren zu können. Dagegen ist die multikristalline Fertigung in Freiberg auf insgesamt drei Gewerbegebiete verteilt. Ausbauziel in Hillsboro ist eine jährliche Produktionskapazität von 500 Megawatt, bis Ende dieses Jahres sollen 100 Megawatt realisiert werden.
„Wir mussten einige Bereiche komplett neu gestalten, bevor wir überhaupt mit den Konstruktionsarbeiten beginnen konnten“, sagt Erfurt. So waren auf der vorgesehenen Fläche für die Wafer- und Zellproduktion ein perforierter Reinraumboden und spezielle Reinraum-Zwischendecken eingebaut. Diese wurden herausgerissen, stattdessen wurden Betonböden gelegt und die ursprüngliche Hallenhöhe wie derhergestellt. Mehrere Dutzend Betonfundamente für die Siliziumziehöfen in der Kristallisationshalle sind schon fertig, andere haben noch eine Holzverschalung. Mit einem großen fahrbaren Deckenkran werden Gussteile an der richtigen Stelle platziert. Im Keller der Halle schweißen Männer mit Schutzmasken an der Verankerung. Nebenan soll bald ein großes Siliziumlager Platz finden.
Gut ausgebildete Amis
Auf dem Zwischengang stapeln sich Maschinen und Bauteile. Im linken Hallenteil der künftigen Waferproduktion sind bereits etliche Quadrieranlagen mit den Drahtsägen für die Verarbeitung der Ingots aufgestellt. Mehrere Monteurtrupps sind dabei, Kühlsysteme einzubauen. Türen der ehemaligen Reinräume finden im nächsten Hallenabschnitt bei der „sauberen“ Waferfertigung Verwendung. Ein Dutzend Männer auf blauen Hebebühnen befestigen begehbare Zwischendecken aus Metall, gestreifte Absperrbänder sichern die Montagebereiche. Die riesig wirkende Halle der künftigen Zellproduktion ist noch zu drei Vierteln leer. Die bislang aufgebauten Maschinen wirken eher etwas verloren, doch mehr Nachschub soll bald kommen. „Bis in einigen Wochen soll hier alles komplett stehen, dann starten wir mit der regulären Produktion“, sagt Erfurt. Mehrere hundert Arbeiter sind derzeit auf der Baustelle zugange, die meisten aus der Region um Portland. „Die handwerklichen Fähigkeiten der Leute sind sehr gut“, sagt Erfurt zufrieden.
Auch bei der eigenen Personalgewinnung kommt Solarworld das im Vergleich mit vielen anderen Regionen der USA gute Ausbildungsniveau in Oregon und die Krise der Halbleiterindustrie zugute. Denn Intel hat seinen Hauptsitz fast in unmittelbarer Nachbarschaft der neuen Solarfabrik – und dort laufen die Geschäfte längst nicht mehr so prächtig wie früher. „Wenn hier einer kommt, war er meist schon einmal bei Intel beschäftigt“, sagt Solarworld-Sprecherin Anne Schneider.
Ingenieure gesucht
Gut ausgebildete Ingenieure sind allerdings rar. „Wenn jemand aus Deutschland kommen will, greifen wir gerne zu“, ergänzt die Dresdnerin, die seit zwei Jahren in den USA arbeitet. Chefplaner Erfurt kam erst Ende Februar mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern aus Sachsen nach Hillsboro. „Wir fühlten uns hier ziemlich schnell fast wie zu Hause“, erzählt der 34-Jährige. Zumindest die grüne Landschaft mit viel Wald, Hügeln und viel Wasser erinnert an Deutschland. Dazu kommen Angebote wie ein deutsch-amerikanischer Kindergarten, eine internationale Schule, an der auchAnzeigen Deutsch unterrichtet wird, und sogar eine moderne S-Bahn nach Portland.
„Doch man kann hier eine Fabrik nicht einfach rein deutsch aufziehen“, betont Erfurt. Das fängt schon bei den Kontakten mit Behörden und Lieferanten an, die örtliche Mitarbeiter einbringen. „Sonst ginge gar nichts. Die vielen erfahrenen US-Kollegen sind ein unschätzbares Kapital für uns“, ergänzt Firmensprecherin Schneider. Entsprechend ist auch die Unternehmensspitze bei der Solarworld USA paritätisch deutsch-amerikanisch besetzt. So bringt der neue US-Vizepräsident Gordon Brinser eine mehr als 20-jährige Management- und Produktionserfahrung von Wacker Siltronic und Sumco mit. Neue US-Mitarbeiter bei den „Floorjobs“ werden momentan für die speziellen Produktionsanforderungen der Solarfabrik in Hillsboro geschult. Entsprechende Kurse wurden mit einem örtlichen College entwickelt. Eine wichtige Rolle spielt zudem der regelmäßige Austausch von Fachkräften und Ingenieuren mit dem Hauptproduktionsstandort in Freiberg. Dabei können nach der bisherigen Einschätzung von Fabrikplaner Ernst beide Seiten vieles voneinander lernen. So verfügten die US-Kollegen beispielsweise über mehr Erfahrungen bei Adhäsisionstechniken für die Waferfertigung.
Gute Erfahrungen
Entsprechend positive Erfahrungen machte man in den vergangenen Jahren auch schon mit dem Know-how-Austausch zwischen Sachsen und den zwei anderen US-Produktionsstandorten von Solarworld in Vancouver im Staat Washington und im kalifornischen Camarillo. Seit der Übernahme des Werkes von Shell Solar im Sommer 2006 fertigen die Bonner dort Wafer, Zellen und Module. Die Ingots werden aus Vancouver angeliefert. Ab Sommer soll nun die Wafer- und Zellproduktion auf Hillsboro konzentriert werden. Die Ingotsproduktion in Vancouver soll parallel zu der in Hillsboro weiterlaufen. In Camarillo wird derzeit die Modulfertigung automatisiert und die jährliche Produktionskapazität von 40 Megawatt auf 100 Megawatt erhöht. Weitere Module könnten in absehbarer Zeit aus Hillsboro kommen.
Die Pläne für eine Erweiterung der neuen Solarfabrik liegen schon in der Schublade. Das angrenzende Grundstück ist jedenfalls groß genug und gehört den Bonnern. „Mit 600 Mitarbeitern sind wir jetzt schon der größte Solarhersteller in den USA“, unterstreicht Schneider. 400 in Camarillo, 100 in Vancouver und derzeit 100 in Hillsboro. Wenn die Produktion wie geplant anläuft, sollen dort bis Ende dieses Jahres 250 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden.
Lieferengpässe auch in USA
Die Zellen aus Hillsboro sind laut Schneider für die eigene Modulproduktion vorgesehen. Schätzungsweise 40 Prozent der Module gingen derzeit in den Export nach Asien und Spanien, 60 Prozent auf den US-Markt. Der Vertrieb läuft wie sonst bei Solarworld üblich über Projektierer und Großhändler. Und die warten derzeit auch in den Vereinigten Staaten oft vergeblich auf Ware.
„Unsere Bestellliste wird von Tag zu Tag länger. Ich kriege allmählich schon Bauchschmerzen“, sagt beispielsweise Elmar Niewerth von Think Solar in Oakland. „Ich würde liebend gerne auch von Solarworld USA wieder Module kaufen, wenn es endlich wieder welche gibt“, unterstreicht der Geschäftsführer der kalifornischen Unternehmenstochter der Freiburger Solarmarkt AG. Man darf gespannt sein, ob sein Wunsch in den kommenden Monaten in Erfüllung geht.
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